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Arthur Fleck aka Joker (Joaquin Phoenix) tänzelt in den siebten Himmel.
© Niko Tavernise/Warner Bros

Vor den Oscars 2020: Das Rennen entscheidet sich zwischen „Joker“ und „1917“

Spannend wird es, wie die Academy in diesem Jahr mit Netflix umgeht. Der Streamingriese hat 24 Nominierungen eingesammelt.

Neben vielem anderen wird die diesjährige Oscar-Verleihung auch grundsätzliche Fragen des guten Geschmacks beantworten. Beziehungsweise, ob die „politisch-korrekte“ Humorpolizei Hollywoods, so sieht das jedenfalls der Regisseur Todd Phillips, den Durchmarsch des „Jokers“ verhindern kann. Mit elf Nominierungen geht Phillips düsterer Anti-Superheldenfilm mit den meisten Nominierungen in die Oscar-Nacht am 9. Februar, gefolgt von Sam Mendes’ Globe-Gewinner „1917“, Quentin Tarantinos „Once upon a Time in Hollywood“ und Martin Scorseses Netflix- Premiere „The Irishman“ mit je zehn Nominierungen.

Herausgefordert wird Phillips ein weiteres Mal von Taika Waititi, der schon im November auf Twitter mit Befremden auf die Vorwürfe des „Joker“-Regisseurs reagierte, dass man ihn Hollywood heute nur noch konsensfähige Komödien drehen könne. Regisseur Waititi ist mit seiner antifaschistischen Hitler-Komödie „Jojo Rabbit“ ebenfalls für den besten Film nominiert (leider nicht für die Hauptrolle, er spielt den Gröfaz selbst). Wie er humoristisch die Grenzen des guten Geschmacks austestet, wird man in Deutschland erst Ende Januar herausfinden, wenn der Film anläuft. Jedenfalls ist Waititis Adolf Hitler deutlich lustiger als Joaquin Phoenix’ Tanzeinlage in „Joker“ zu einem Song des pädophilen Popstars Gary Glitter.

Der Joker ist der einzige Superheld bei den Oscars

Ansonsten fallen die Nominierungen im Großen und Ganzen wenig überraschend aus, es war ein überschaubares Kinojahr, was sich auch an der Monokultur in den Kino-Charts ablesen lässt. Sollten Disney und Marvel ernsthaft auf eine Best-Picture-Nominierung für „Avengers Endgame“ gehofft haben, hat die Academy diese bitter enttäuscht. Der Joker ist der einzige Superheld, der in diesem Jahr um die Oscars konkurriert; dass sich Joaquin Phoenix gute Chance auf den Preis für die männliche Hauptrolle ausrechnen kann, ist keine gewagte These.

Auffällig konsistent sind in diesem Jahr die Titel mit den meisten Nominierungen und die neun Kandidaten für den besten Film. Einzig James Mangolds „Le Mans 66“ hat seine drei weiteren Nominierungen ausschließlich in den technischen Kategorien erhalten. Die Filme von Phillips, Tarantino, Mendes und Scorsese haben sowohl in den dramatischen als auch den technischen Kategorien abgeräumt (mit erwartbaren Nominierungen für „Star Wars“ und „Ad Astra“).

Die anderen Best-Picture-Kandidaten sind Greta Gerwigs fantastischer Jugendfilm „Little Women“ (sechs Nominierungen, darunter die Darstellerinnen und das adaptierte Drehbuch, aber diesmal nicht für die Regie), eben „Jojo Rabbit“, die koreanische Satire „Parasite“ von Bong Joon Ho sowie Noah Baumbachs „The Marriage Story“, die ebenfalls alle sechs Mal nominiert sind.

Die Academy muss sich zu Netflix verhalten

Damit kommt die Academy in diesem Jahr definitiv nicht mehr um die Frage herum, wie mit Netflix zu verfahren ist. Mit insgesamt 24 Nominierungen für „The Irishman“, „The Marriage Story“ und "The Two Popes" ist der Streamingproduzent das erfolgreichste Studio unter den Nominierten, nachdem Netflix vergangene Woche bei den Golden Globes großzügig übergangen wurde. Bei den Oscars 2018 wurde Alfonso Cuaróns „Roma“ noch mit dem Preis für den besten „internationalen Spielfilm“ (so die neue Bezeichnung für den bisherigen „Fremdsprachen“-Oscar) abserviert. Das funktioniert mit Scorsese und Baumbach nicht.

Keine Frau ist unter den Regie-Nominierten

Die Mitgliederaufstockung der Academy in den vergangenen zwei Jahren hat indes wenig Auswirkungen auf die Diversität des Nominiertenfeldes. Globe-Gewinnerin Awkwafina ("The Farewell") wurde für die beste weibliche Hauptrolle übergangen, dafür ist die phänomenale Cynthia Erivo für ihre Rolle als Abolitionistin Harriet Tubman nachgerückt. Hier konkurriert sie unter anderem mit Scarlett Johansson, der das Kunststück gelungen ist, gleich zwei Mal nominiert zu werden: für ihre Hauptrolle in "The Marriage Story" und ihre Nebenrolle in "Jojo Rabbit".

Im Feld der männlichen Darsteller fällt allein Brad Pitt in die Kategorie „U-60“ und unter den Regie-Nominierten befindet sich mal wieder keine Frau, obwohl Greta Gerwig eigentlich – verdientermaßen – als sichere Kandidatin gehandelt wurde. Immerhin ist sie die einzige Regisseurin unter den besten Filmen.

So liegt es an Bong Joon Ho und seinem internationalen Arthouse-Hit „Parasite“, die einmal mehr äußerst homogene Oscar-Veranstaltung aufzulockern. Zum Glück für die Academy findet die Zeremonie in diesem Jahr wieder ohne Moderation statt. Man hätte sich die Häme schon gut vorstellen können.

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