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Trauer vor der Germanwings-Zentrale in Köln.
© dpa

Absturz des Germanwings-Flugs: Was macht die Depression mit einem Menschen?

Diagnose verschwiegen und ins Cockpit gesetzt: Durch den Verdacht gegen den Co-Piloten, er habe psychische Probleme gehabt, bekommt das Unglück eine neue Dimension. Was ist bisher bekannt?

Den Namen nennen oder nicht - darüber haben wir beim Tagesspiegel diskutiert und auch auf der Facebook-Seite von Online-Chefredakteur Markus Hesselmann fand eine breite Debatte statt. Jetzt haben wir uns dazu entschlossen: Wir nennen ab jetzt den Namen. Andreas Lubitz ist eine Person der Zeitgeschichte. Sein Name, sein Bild sind weltweit bekannt. Mit seinem Namen und seinem Gesicht wird immer der Tod so vieler Menschen verbunden sein.

Am Absturztag selbst war Andreas Lubitz krankgeschrieben. Bei der Durchsuchung seiner Wohnungen wurden „zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen gefunden“, teilte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf mit. Dies stütze die Annahme, dass der 27-Jährige (dessen Alter zunächst mit 28 angegeben wurde) seine Erkrankung gegenüber seinem Arbeitgeber verheimlicht habe.

Wie der Tagesspiegel aus Düsseldorfer Kreisen erfuhr, wurde Lubitz aktuell wegen Depressionen behandelt. Laut einer alten Krankenakte wiederum, aus der "Bild" zitiert, heißt es, dass bei Lubitz beim Abschluss seiner Ausbildung 2009 eine „abgeklungene schwere depressive Episode“ diagnostiziert worden sei. Auch seine Akte beim Luftfahrtbundesamt weise auf psychische Probleme hin

Was sind die typischen Symptome einer depressiven Erkrankung?

Neben Schlaf- und Hoffnungslosigkeit, Zukunftsangst und Erschöpfung gehe eine Depression meist mit Schuldgefühlen einher, sagt Mazda Adli, Chefarzt an der Fliedner-Klinik in Berlin. Auch Isabella Heuser, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité, warnt vor Verallgemeinerung: „Nicht jede psychische Erkrankung endet in einer solchen Katastrophe. Man kann eine solche Erkrankung unbeschadet überstehen.“

Was kann den Depressiven dazu bringen, Aggressionen gegen seine Umwelt zu richten?

Denkbar sei zum Beispiel eine akute Kränkung, die Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitszügen in eine tiefe Depression oder zu einem spektakulären Selbstmord treiben kann, meint Heuser. „Wenn sie einen solchen Selbstmordversuch überleben oder einen Abschiedsbrief hinterlassen, ist oft davon die Rede, dass sie noch einmal sichtbar sein wollten.“ Wer auf diese Wirkung fixiert sei, könne jedes Mitgefühl für andere ausblenden.

Insgesamt sei das Thema kaum erforscht – solche Taten seien so selten, dass es nur wenige Fallbeispiele gebe. „Wir kennen nur Puzzlesteine über den Absturz, nicht das gesamte Bild“, sagt Chefarzt Adli. Im Moment könne man nicht einmal ausschließen, dass im Gehirn des Mannes ein Aneurysma – ein erweitertes Blutgefäß – geplatzt sei. „Ich finde es seltsam, dass er bis zuletzt ruhig geatmet hat und offenbar gar nicht aufgeregt war.“

Immer wieder taucht jetzt der Begriff „erweiterter Selbstmord“ auf. Was versteht man darunter?

Grundsätzlich bezeichnen Psychologen und Psychiater damit Selbstmorde, bei denen weitere Menschen getötet werden. „Es gibt in Deutschland jedes Jahr 9000 Suizide. Nicht einmal ein Tausendstel davon trifft zusätzlich Unschuldige“, sagt Heuser. Meist werden dann die nächsten Angehörigen – der Ehepartner, die Kinder, teilweise auch das Haustier – mit in den Tod gerissen, um ihnen eine vermeintlich völlig hoffnungslose und unerträgliche Zukunft zu ersparen.

Eine solche vermeintlich altruistische Motivation sei bei dem Co-Piloten Andreas Lubitz sicherlich nicht gegeben, sagt Expertin Heuser. Dass Fremde eingeschlossen werden, passe nicht zu einem erweiterten Suizid im Rahmen einer Depression, betont ebenfalls Ulrich Hegerl, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Welche Rolle spielen psychologische Tests bei der Pilotenausbildung?

Keine. Jedenfalls nicht in der Ausbildung. Allerdings werden die Bewerber vorher sehr hart geprüft. Ein Pilot, der nicht namentlich genannt werden will, sagte dem Tagesspiegel: „Das ist wirklich sehr, sehr streng und aufwendig. Man muss an mehreren Tagen Gespräche mit geschulten Psychologen führen. Ich kann nur sagen, das wird sehr ernst genommen.“ Eine Lufthansa-Sprecherin bestätigte auf Nachfrage, dass medizinisch-psychologische Tests nur im Bewerber-Auswahlverfahren für die Ausbildung stattfinden. Mit diesem Auswahlverfahren hat die Lufthansa wiederum das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beauftragt.

Dort finden mehrstufige Auswahltests statt. Beispielsweise müssen Bewerber zunächst eine sogenannte Berufsgrunduntersuchung bestehen, bei der etwa technisches Wissen, Rechenfähigkeit und logisches Denken geprüft werden. Wer den ersten Tag übersteht, vor allem diese Wissenstests, der kommt in die zweite Runde. Dabei geht es vor allem um die psychologische Verfassung des Bewerbers. Es werden Rollenspiele, Cockpitsimulationen und andere Prüfungen durchgeführt. Hier sind neben zwei Psychologen auch erfahrene Lufthansa-Piloten dabei.

Erst wenn auch diese zweite Stufe erfolgreich gemeistert wurde, geht es in den allgemeinen medizinischen Tauglichkeitstest. Dann bewerten lizensierte Ärzte alle medizinischen Eigenschaften beim Bewerber. Dieses Auswahlverfahren schaffen nur fünf bis sieben Prozent der Bewerber, heißt es bei der Lufthansa. Die Sprecherin sagte auch, dass es nicht üblich sei, den Eignungstest zu wiederholen, wenn man die Ausbildung unterbrochen habe und dann wieder einsteige.

Auswirkungen auf Flugausbildung und -praxis

Trauer vor der Germanwings-Zentrale in Köln.
Trauer vor der Germanwings-Zentrale in Köln.
© dpa

Was für Folgen könnte das Unglück für die Pilotenausbildung haben?

Die UN fordern regelmäßige medizinische Spezialtests von Piloten. Diese Untersuchungen müssten sowohl die psychische als auch die körperliche Fitness der Piloten prüfen, erklärte die Internationale Zivilluftfahrtorganisation. Die Untersuchungen müssten von Ärzten vorgenommen werden, die auf die besonderen gesundheitlichen Anforderungen im Luftverkehr spezialisiert seien. Falls die Ergebnisse Anlass zur Sorge gäben, müssten „noch speziellere“ Untersuchungen stattfinden. Dann müssten auch neuropsychologische Checks in Erwägung gezogen werden.

Werden die Vorschriften fürs Cockpit verändert?

Ja. Kein Pilot darf mehr allein im Cockpit sein. Künftig gilt bei deutschen Fluggesellschaften die Zwei-Personen-Regel. Das heißt, zwei autorisierte Crewmitglieder müssen immer im Cockpit sein. Neben der Lufthansa haben mehrere Fluggesellschaften bereits diese Vorschrift erlassen: Air Berlin, Easyjet, Norwegian Air sowie die Lufthansa-Partner SAS und Air Canada.

Wie schnell die Vorgaben umgesetzt werden, ist offen. In Europa sind die Airlines bislang nicht zum Vier-Augen-Prinzip verpflichtet, teilweise wurde es aber so praktiziert. Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine denken jedoch die Behörden der EU über entsprechende Empfehlungen nach. EU-Mitarbeiter erklärten, sie berieten mit der Branche und den nationalen Regierungen darüber.

Allerdings besteht bei den Experten Skepsis, ob eine Vier-Augen-Regel wirklich etwas bewirken kann: Der Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Matthias von Randow, hatte am Donnerstag in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ gewarnt, in puncto Sicherheit seien „Schnellschüsse das Falscheste, was man machen kann“.

Wie kommen die Einsatzkräfte in Frankreich mit der Bergung voran?

In den französischen Alpen scheint die Sonne. Es weht zwar ein starker Wind, aber das trockene Wetter kommt den Einsatzkräften in Seyneles-Alpes entgegen. Die Spezialkräfte wollen nun einen Weg zum Unglücksort ebnen, der bis an den Fuß der Felswand führen soll, an dem die Maschine zerschellte. Denn es ist durchaus machbar, zu Fuß an den kleinen Berg mit den tausenden Wrackteilen zu gelangen.

Im Einsatz befinden sich zurzeit 160 Soldaten, fünf Helikopter, hunderte Mitarbeiter für Logistik und Verpflegung. Lastwagen mit Kerosin für die Hubschrauber machen sich von Marseille aus regelmäßig auf den Weg in die Berge. An Ort und Stelle sind sowohl französische Spezialisten als auch Einsatzkräfte aus Deutschland und Spanien.

Priorität hat dieses Wochenende die Suche nach der zweiten Blackbox. Sie enthält die detaillierten Flugdaten und könnte die These belegen, dass Andreas Lubitz den Piloten ausgesperrt hat und den Airbus gegen den Berg prallen ließ. Rund 400 Körperteile werden pro Tag geborgen, in Seyneles-Alpes aufbewahrt und dann in Kühlwagen nach Marseille transportiert. Experten gehen davon aus, dass alle menschlichen Überreste in den nächsten zwei bis drei Wochen eingesammelt werden können.

Wie haben die Angehörigen von den Opfern Abschied genommen?

Der Ort des Gedenkens ist schlicht. Eine Marmorstele in Seyne-les-Alpes möchte an die Opfer von Flug 4U9525 erinnern. In vier Sprachen – Englisch, Deutsch, Spanisch und Französisch – steht dort: „In Erinnerung an die Opfer des Flugzeugunglücks vom 24. März 2015“. Familien und Freunde der verstorbenen Reisenden und Crew-Mitglieder haben weiße Blumen niedergelegt.

Die meisten von ihnen blieben nur eine Nacht unweit vom Ort, an dem ihre Liebsten ihr Leben verloren haben. Am Donnerstag reisten sie in grauen Bussen an, am Freitag machten sie sich wieder auf den Rückweg. Hermetisch abgeschottet von hunderten Polizisten konnten sie trotz teils aggressiver Journalisten und einigen Schaulustigen in Ruhe trauern.

Lufthansa, die kleinen Gemeinden rund um den Unglücksort, die französischen, deutschen und spanischen Behörden haben versucht, den Aufenthalt für die Angehörigen so angenehm wie in dieser schwierigen Situation nur möglich zu gestalten. Einige Familien haben es vorgezogen nicht im gemieteten Hotel, sondern privat bei Bürgern von Seyne-les-Alpes, Le Vernet und Barcelonette zu übernachten.

Auf einer Pressekonferenz hat Francis Hermitte, Bürgermeister von Seyne-les-Alpes, über die bescheidene Trauerfeier informiert, die am Donnerstag stattgefunden hat. Laut Hermitte haben 250 Familienangehörige daran teilgenommen, Repräsentanten aller großen Religionen waren anwesend, um Trost zu spenden.

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