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Auf seinen Flügen in der päpstlichen Maschine zeigt sich Kirchenoberhaupt Franziskus oft besonders gesprächig - diesmal redete er vor den mitreisenden Journalisten über Verhütung.
© Alessandro Di Meo/ REUTERS

Papst Franziskus: Ein bisschen Verhütung

Der Heilige Vater lockert ein katholisches Verbot – jedenfalls zum Schutz vor dem Zika-Virus.

Wenn der Papst von einer Auslandsreise zurückfliegt, ist die katholische Kirche am nächsten Tag in Aufruhr. Denn Franziskus genießt es, mit den mitreisenden Reportern in der Papst-Maschine zu plaudern und spricht dann so frei von der Leber weg, dass sein Sprecher ahnen kann, dass ihm die Nachbereitung viel Mühe machen wird. Am Mittwoch war es wieder so weit: Auf dem Rückweg von Mexiko sprach Franziskus dem amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump mal eben so das Christsein ab. Trump hatte angekündigt, im Falle eines Wahlsieges eine Mauer zu Mexiko zu errichten. Für Mauerbauer hat der Pontifex, der Brückenbauer, nicht viel übrig.

Verhütung sei "kein absolutes Übel"

Auch eine Äußerung zur Schwangerschaftsverhütung ließ viele aufhorchen: Verhütung sei "kein absolutes Übel", Verhütung sei "nichts absolut Böses", ja, in einigen Fällen leuchte es sogar ein, dass Menschen verhüten, sagte Franziskus am Mittwoch auf dem Rückflug von Mexiko. Am Freitag bestätigte Vatikansprecher Federico Lombardi: "Verhütungsmittel oder Präservative können in Fällen besonderer Not einer ernsthaften Gewissensprüfung unterzogen werden." Nach katholischer Lehre ist Schwangerschaftsverhütung eigentlich verboten, weil es potenzielles Leben verhindert.
Doch in Kolumbien, Brasilien und Mexiko grassiert das Zika-Virus, da könne es eine Ausnahme vom Dogma geben, so Franziskus. Das Virus ist besonders für Schwangere gefährlich, weil es schon im Mutterleib auf das ungeborene Kind übertragen werden kann. Der Erreger steht im Verdacht, bei Neugeborenen Mikrozephalie, eine Schädel-Fehlbildung, und das Guillain-Barré-Syndrom auszulösen – eine seltene Nervenkrankheit, die zu Lähmungen führen kann.

Abtreibung setzt Franziskus mit Mafiamorden gleich

Die Lockerung des Verhütungsverbots bedeutet aber nicht, dass die katholische Kirche grundsätzlich ihre Sexualmoral ändert. Schwangerschaftsabbrüche etwa verurteilt der Papst weiterhin aufs Schärfste und setzt sie sogar mit Mafiamorden gleich. Abtreibungen seien "kein kleineres Übel, sondern ein Verbrechen", stellte er am Mittwoch klar.
Bei der Lockerung des Verhütungsverbots beruft sich Papst Franziskus auf einen seiner Vorgänger, Papst Paul VI., der von 1963 bis 1978 im Amt war. Paul VI. gestattete afrikanischen Ordensfrauen in den 1960er-Jahren in der damaligen Kolonie Belgisch-Kongo die Verwendung von Verhütungsmitteln. Denn dort kam es damals öfter vor, dass Nonnen durch Soldaten vergewaltigt wurden.

Schon einmal erlaubte er Verhütung - indirekt

Auf einem Rückflug von Sri Lanka und den Philippinen hatte Franziskus vergangenes Jahr mit einer anderen Aussage zum Thema Verhütung Aufregung verursacht. Er sprach mit den Reportern über das enorme Bevölkerungswachstum und eine womöglich daraus resultierende Massenarmut. "Manche glauben", sagte Franziskus damals, "es gehöre zu einem guten Katholiken, zu sein wie Karnickel und Kinder in Serie zu machen." Das sei ein falsches Verständnis. Es gehe vielmehr um verantwortungsvolle Elternschaft. Damit blieb der Papst zwar eine direkte Antwort auf die Frage schuldig, ob die Kirche ihr Verbot der Verhütung grundsätzlich revidieren müsse. Trotzdem werteten große Teile der Öffentlichkeit seine Worte als eine zumindest indirekte Erlaubnis für die Verwendung von Verhütungsmitteln.

"Es darf nicht nur um Zika gehen"

Die Stiftung Weltbevölkerung freute sich über Franziskus’ erneute Lockerung des Verhütungsverbots. "Das wird sicher dazu führen, dass mehr Frauen in Lateinamerika gewillt sind zu verhüten", sagte Sprecherin Ute Stallmeister – und warnte zugleich: "Es darf nicht nur um Zika gehen. Denn sollen die Frauen aufhören zu verhüten, wenn die Epidemie vorbei ist oder ein Impfstoff gefunden wurde?"

Keine grundlegende Änderung der katholischen Sexualmoral

Katholische Moraltheologen bremsten am Freitag übereilte Erwartungen, Franziskus werde die katholische Lehre und Dogmen zur Sexualmoral grundsätzlich revidieren. Die Worte des Kirchenoberhaupts sollten "theologisch nicht zu hochgehängt" werden, sagte Peter Schallenberg von der Universität Paderborn. Das bedeute noch keine grundlegende Änderung der katholischen Sexualmoral. Auch von Reformismus könne nicht die Rede sein. Aber: "Franziskus ist davon überzeugt, dass für viele katholische Regeln in der Praxis auch Ausnahmen möglich sein müssen." Er nehme in dieser Hinsicht "eine pastorale, seelsorgliche Perspektive ein", sagte Schallenberg. "Franziskus will den Gläubigen helfen, die Anforderungen des Glaubens im Alltag zu leben. Seine Bemerkungen zur Empfängnisverhütung sind nach meiner Einschätzung ein Signal, dass die katholische Kirche nicht überall gängelnd eingreifen will. Sie sind ein Zeichen, dass die katholische Kirche nicht fixiert ist auf die Sexualmoral der Menschen und ihnen Raum für eine Gewissensentscheidung lässt", sagte der Theologe.
Franziskus bleibt seiner Haltung der Barmherzigkeit treu. Und auch wenn er die Lehre nicht umschreibt, so schlägt er doch einen anderen Ton an als seine Vorgänger. Die Wirklichkeit, das reale Leben, sei wichtiger als das Dogma, hatte er gesagt – auf einem anderen Rückflug. mit epd, dpa, KNA

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