Wie sich Staaten annähern: Panda, Diplomatie & Co
Gerade betreibt die chinesische Regierung in Berlin „Panda-Diplomatie“ – mit Erfolg. Andere Staaten umschmeicheln stattdessen mit Satelliten, Fisch und Fußball.
Cui Tiankai, Pekings Mann in den USA, meinte mal: „Es gibt zwei chinesische Botschafter in Washington: mich und das Pandajunge im National Zoo.“ Was den Chinesen der Bär, ist den Mongolen das Pferd. Während Peking – wie gerade im Berliner Zoo – Diplomatie mit den seltenen Pandas betreibt, umschmeichelt Ulan Bator ausländische Staatschefs mit seinen Pferden. Von denen gibt es nicht nur ein paar Exemplare mehr (derzeit wohl drei Millionen, also mehr, als das Land Einwohner hat), die Reaktionen fallen auch nicht ganz so enthusiastisch aus.
Als die Mongolei noch Volksrepublik war, beschenkte die Regierung unter anderem den sowjetischen Staatschef Leonid Breschnew und Rumäniens Diktator Nicolae Ceausescu. Heute orientiert sich das Land stark Richtung Westen, schickte sogar Soldaten nach Afghanistan und, an der Seite der USA, in den Irak. Also gehen die mongolischen Pferde, deren Vorfahren einst die Truppen Dschingis Khans bis ans Kaspische Meer trugen, jetzt als Botschafter Richtung Washington. Wenigstens war das der Plan.
Der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bekam bei seinem Besuch 2005 einen Wallach geschenkt, er taufte ihn „Montana“, nach der Heimat seiner Frau. Die mongolische Steppe erinnere ihn an die Landschaft dort. 2014 war Rumsfelds Nachfolger Chuck Hagel dran. Dessen Pferd heißt Shamrock, so wie das Maskottchen von Hagels Highschool. Beide Minister verzichteten aber darauf, ihre Geschenke mit nach Hause zu nehmen. Im Fall von Rumsfeld gab es nach sechs Jahren immerhin ein – auf Twitter dokumentiertes – Wiedersehen.
Ex-Präsident George W. Bush ließ vor seinem Mongolei-Besuch vorsichtshalber mit der gebotenen Sensibilität mitteilen, dass er kein Pferd wünsche. Um die gefürchtete, weil abführend wirkende Stutenmilch kam jedoch auch er nicht herum.
FUSSBALDIPLOMATIE
Fußball ist sozialer Kitt, über Schichten und Generationen hinweg – und manchmal auch über Ländergrenzen. Besonders die fußballbesessenen Türken haben in der Vergangenheit versucht, alte Feindseligkeiten durch Sport zu überwinden.
Von „Fußballdiplomatie“ sprach man zum Beispiel, als der damalige Premier Erdogan und Syriens Präsident Assad 2007 in Aleppo das Spiel zwischen dem örtlichen Klub Al-Ittihad und Fenerbahçe Istanbul verfolgten. Einen nachhaltigen Effekt hatte dies allerdings so wenig wie das WM-Qualifikationsspiel 2009 gegen Armenien: Damals war Präsident Abdullah Gül nach Eriwan gereist und hatte seinen armenischen Amtskollegen getroffen.
GASTRODIPLOMACY
Großbritanniens Premier Winston Churchill trank und aß gerne, und so ist sein Name bis heute verbunden mit der „Tabletop Diplomacy“ – der Praxis, Politik in der gelösteren Atmosphäre eines Dinners zu betreiben. Seitdem sind weitere diplomatische Strategien rund ums Essen hinzugekommen. Bei der „Gastrodiplomacy“ versuchen Staaten, ihr Ansehen mithilfe ihrer Küche zu verbessern. Dabei zielen sie auf die breite Öffentlichkeit in anderen Ländern. Der Begriff „Culinary diplomacy“, oft im gleichen Sinne verwandt, bezieht sich eher auf offizielle Anlässe mit klarem Protokoll.
Vorreiter der Gastrodiplomacy war Thailand, das Anfang der Nullerjahre eine Kampagne startete, um die Zahl thailändischer Restaurants in aller Welt zu erhöhen. So sollte der Export von Lebensmitteln angekurbelt und Wissen über die eigene Kultur verbreitet werden. Viele Staaten haben nachgezogen, etwa Peru. Dessen zuvor wenig bekannte Nationalspeise Ceviche – roher, kalt marinierter Fisch – hat es nun zu gewisser Popularität gebracht. Besonders für Mittelmächte sei Gastrodiplomacy effektiv, schreibt die Expertin Mary Jo A. Pham.
Paradebeispiel dafür ist das 2009 aufgelegte, millionenschwere „Global Hansik“- Programm von Südkorea. Ein Ziel der Kampagne um Kimchi und Bibimbap war es, besser neben den großen Nachbarn Japan und China wahrgenommen zu werden.
Auch mit Wissenschaft kann man außenpolitische Ziele erreichen
KULTURDIPLOMATIE
Wenn Staaten statt auf Gewalt oder finanziellen Druck auf ihre attraktive Seite setzen, um andere zu beeinflussen, spricht man von „Soft power“. Diese Anziehungskraft – durch populäre Künstler oder einen begehrenswerten „Way of life“ – lässt sich nicht künstlich erzeugen, aber man kann sie stärken. Deshalb betreiben Länder, die es sich leisten können, Stiftungen und Kulturinstitute im Ausland. Diese organisieren Ausstellungen, vergeben Stipendien oder bieten Sprachkurse an. Spanien etwa hat das „Instituto Cervantes“, die Türkei das „Yunus Emre Institut“, Großbritannien den „British Council“ – und Deutschland das „Goethe Institut“. Frankreich fördert mit der „Organisation internationale de la Francophonie“ sogar den Gebrauch der französischen Sprache in aller Welt. Auch China hat erkannt, dass wirtschaftliche Stärke allein nicht genügt, um Weltmacht zu sein. Seit Jahren entstehen deshalb„Konfuzius Institute“. Außerdem wurde das „China Global Television Network“ (CGTN) gegründet, eine Konkurrenz zu Sendern wie „Al Jazeera“ oder „Russia Today“.
SCIENCE DIPLOMACY
2009 warb Barack Obama, damals frisch gewählter US-Präsident, mit einer Rede in Kairo um die Muslime. Verbunden damit war die Idee, verstärkt Forscher aus den USA mit solchen aus der islamischen Welt zusammenzubringen. Die US-Regierung sprach von „Science Diplomacy“ – ein Konzept mit Tradition. Seit Jahrzehnten nutzen Staaten die Wissenschaft, um außenpolitische Ziele zu erreichen. Forschungsstarke Länder können durch ihr Know-how schwächere Nationen an sich binden und in ihrem Sinne beeinflussen (siehe „Space Diplomacy“). Wissenschaft bietet auch die Möglichkeit, sich seinem Gegner auf neutralem Terrain anzunähern, so geschehen zum Beispiel zwischen den USA und der Volksrepublik China in den 70er Jahren. Und schließlich existiert die Vorstellung, dass der Frieden zwischen Ländern durch Zusammenarbeit in der Forschung erhalten werden kann. In diesem Geist wurde das europäische Kernforschungszentrum Cern im Schweizer Kanton Genf gegründet. Derzeit hat es 22 Mitgliedstaaten.
SPACE DIPLOMACY
Es ist ein Lieblingsprojekt von Premier Narendra Modi – und ein mehr als zwei Tonnen schweres Geschenk an Indiens Nachbarn. Anfang Mai schoss Neu Delhi den „Südasien-Satellit“GSAT-9 ins All. Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, die Malediven, Nepal und Sri Lanka dürfen ihn kostenlos nutzen, etwa für Fernsehprogramme.
Mit zwölf Jahren Lebensdauer kann man rechnen, Entwicklung und Betrieb des Satelliten kosten viele hundert Millionen Euro. Man habe, so ein Sprecher der indischen Regierung, die Politik der guten Nachbarschaft „in Regionen jenseits der Stratosphäre erweitert“. Hintergrund der „Space Diplomacy“, wie dieser Spezialfall der „Science Diplomacy“ getauft wurde, ist das Ringen zwischen Neu Delhi und Peking um die Vormachtstellung in Asien.