Die schönsten Urlaubslieben: Nach drei Tagen unendlich verliebt!
Gitarre am Strand, salzige Küsse und am nächsten Tag ein bisschen Scham. Sechs Autoren erinnern sich an Flirts in den Ferien.
Stella Cadente heißt Sternschnuppe
Der Strand lag ein gutes Stück westlich von Calvi auf Korsika. Da sah ich sie, dunkle Locken, bezauberndes Lachen, sehr weiße Zähne. Sie klimperte auf einer Gitarre herum, das störte mich ein bisschen. Gitarrenspieler an Stränden ziehen zu viele Leute an und sind außerdem sehr mit ihrem Instrument beschäftigt. Aber diese Locken. Es begann zu dämmern, irgendjemand zündete ein Lagerfeuer an. Jetzt saßen eindeutig zu viele Leute hier.
Sie sprach Italienisch, ich verstand kein Wort, trotzdem machte ich mich daran, in ihre Nähe zu rücken. Irgendwann saß ich neben ihr, endlich legte sie die Gitarre weg. Und dann versuchte sie tatsächlich, mir Italienisch beizubringen. „Stella Cadente“ heißt Sternschnuppe und „Via Lattea“ Milchstraße, weiß ich heute noch. Sie hieß Antonella und kam aus Bologna.
Wir erzählten uns in seltsamem Englisch seltsame Geschichten, ich rückte noch ein bisschen näher. Plötzlich tauchten zwei junge Männer auf. Einer war ihr Bruder, keine Ahnung, wer der andere war. Sie sprachen sehr schnell, es kamen weder die Worte „Milchstraße“ noch „Sternschnuppe“ vor, weshalb ich kaum etwas verstand. Sie ging mit den beiden zurück zum Zeltplatz, ihre Schritte verloren sich im knirschenden Sand. Sand mag ich eigentlich auch nicht.
Am nächsten Morgen war ihr Zelt weg. Ich hatte ein bisschen die Urlaubslust verloren, ein paar Tage lang, bis ich Antonella vor einem Waschhaus auf einem Campingplatz im Landesinneren wiedersah. Wir kamen noch dazu, Adressen auszutauschen, schon waren die Jungs erneut zur Stelle.
Zu Hause schrieb ich einen Brief. Sie hat nicht geantwortet. Mir war das so peinlich, dass ich nie wieder darüber sprach. Es war 1979, ich 22, und inzwischen ist das lange her. Ab und zu denke ich an Antonella aus Bologna. Und daran, dass ich vielleicht nur ein bisschen mehr Zeit gebraucht hätte – dann könnte ich heute Italienisch. Andreas Austilat
Bei den Orangen
Sommer 1978: Griechenland! Als 15-Jährige mit Eltern und Bruder im Hotel Marathon Beach in Nea Makri – Pool, Disco und Halbpension inklusive. Jeden Abend schlenderten wir, aufgeheizt von der Sonne, hungrig in den Speisesaal. Offene Türen, der Blick aufs Meer, bodenlange Vorhänge bewegten sich träge im Wind, der überwältigende Duft köstlicher Speisen lag im Raum. Dazwischen wuselten die aufmerksamen Kellner, jeder zuständig für ein paar Tische. Unser Kellner hieß Spyros.
Ich fand ihn besonders aufmerksam, witzig und attraktiv. Von Tag zu Tag freute ich mich mehr auf das Abendessen, erhaschte manchmal schon tagsüber einen Blick in den Saal. Entdeckte ich ihn, war ich aufgeregt, sah er mich, lächelte er und winkte. Niemand bemerkte unsere Verbindung. Dachte ich. Und war nach drei Tagen unendlich verliebt! Es dauerte nun länger, sich für das Abendessen schick zu machen – welches T-Shirt, welcher Ohrring, welche Flip-Flops?
In der Disco tanzte ich in jenem Sommer zu „Saturday Night Fever“. Die Frage „How Deep is Your Love?“ verfolgte mich bis in den Schlaf. Ich konnte kaum ertragen, dass wir irgendwann abreisen würden. Am letzten Abend schob er mir einen Zettel zu. Auf Englisch: „Treffen um 23 Uhr, im Garten bei den Orangen“. Das traue ich mich niemals, dachte ich. Und war schließlich doch da. Ich erfuhr, dass meine Gefühle erwidert wurden! Dass wir füreinander bestimmt waren! Dass wir vermutlich schon bald heiraten sollten! Und dass unsere Liebe mit einem Kuss besiegelt werden musste! Es war mein erster und ich ganz benommen. Wir schrieben uns noch ein halbes Jahr. Dann kam der nächste Urlaub: Sizilien. Claudia Seiring
Schmusebacke – was für ein bescheuertes Wort
Verpasste Chance
Venedig in den späten 70ern. Mein erstes Mal hier. Nachts war ich mit dem Zug aus Rom gekommen, in zwei, drei Tagen klapperte ich berühmte Adressen und Namen ab, todmüde. Die Stadt und die Erschöpfung, das waren gute Drogen. In der Guggenheim Foundation stand ich vor einem Jackson Pollock und kam mit einer Frau ins Gespräch. Hielt einen Vortrag über Abstrakten Expressionismus, fühlte mich unschlagbar. Sie zog lächelnd weiter, und ich schämte mich für mein Geschwätz. Als wir uns in der Cafeteria wiedertrafen, war ich schon so gut wie verliebt: Ich war 19, sie vielleicht 32, wie in dem Lied von Peter Maffay. Sie fragte, ob ich mit ihr in den Süden fahren möchte.
Warum sagt man manchmal Ja? Und warum sagt man Nein, wenn man doch schon Ja gedacht hat? Und war es überhaupt ein Pollock?
An ihren Namen erinnere ich mich nicht mehr, nur dass sie aus Holland kam und kurzes dunkelblondes Haar hatte. Was hat mich erst so mutig gemacht und dann so zaudernd? Viel Geld hatte ich nicht mehr, und in Göttingen wartete meine Freundin. Aber das waren vorgeschobene Gründe, dachte ich später. Ich wollte nicht, dass das Leben hier und jetzt eine Abbiegung nimmt. Was sind Hauptstraßen und was Nebenwege, wer entscheidet das – in einer Stadt, in der die Straßen mit Wasser gefüllt sind? Warum habe ich mir etwas versagt, nach dem ich mich oft sehnen würde?
Wir haben uns zum Abschied geküsst. Glaube ich. Vielleicht war es auch nur eine flüchtige Umarmung am Canal Grande, die ich als umso schmerzhafter empfand. Rüdiger Schaper
Ein deutsches Wort für Chérie
Schmusebacke – was für ein bescheuertes Wort. Aber wie er das sagte, wie er das „e“ am Ende französisch verschluckte und mich dabei mit der Spange auf den Zähnen schief angrinste! Er hatte ja keine Ahnung, wie albern das klang. Dass meine Eltern es ihm allein deshalb beigebracht hatten, weil er es garantiert treudoof nachplappern würde. Schmusebacke war jetzt sein deutsches Chérie. Sie hatten Spaß. Und ich redete mir ein, dass wir immerhin einzigartig waren unter all den Schatzis.
Alles begann in Leucate, unserer kleinen Bucht in Südfrankreich, die nach Pinien roch und nach dem Zirpen der Grillen klang. Fast jeder hier war Stammgast und wurde bei der Ankunft begrüßt. Vorne links, neben dem großen, weißen Wohnmobil, winkte Aymeric.
Im ersten Jahr, es war 2004, und wir waren elf, haben wir uns angefreundet. Im zweiten Jahr rief er mit französischem Akzent „Ich liebe dich“ über die Hecke, wir saßen beim Frühstück, das Baguette war noch lauwarm, und ich hatte den Impuls, wegzurennen. Im dritten Jahr verpassten wir uns. Im vierten, 2008, sagte er mir, dass er jetzt fest mit mir zusammen sein wolle. Ich zuckte mit den Schultern. In mein Tagebuch schrieb ich: „Wenn das stimmt: Wuah!“
Unsere Familien hatten sich angefreundet. An großen Ausklapptischen verbrachten wir die Abende mit Monopoly, Comté-Käse und Trauben. Rotwein für die Erwachsenen, Orangina für uns. Wir spielten Beachball, waren stolz, wenn wir zehn Ballwechsel schafften. Wir lernten Windsurfen, wenn kaum Wind da war, und das Lied „Bruder Jakob“. Ob Auswandern eine Option ist? Verdammter Abschied!
Ein paar Monate schrieben wir noch Briefe. „Hallo mein Schmusebacke.“ – „Vergesst nicht, dass du bist fur immer in mein Herzen“ - „Bis bald“. Wir haben uns danach nie wieder gesehen. Und Schmusebacke hat mich seitdem keiner mehr genannt. Ann-Kathrin Hipp
Ob das erlaubt war?
Treffpunkt Steintreppe
Bis zu diesem Abend waren Jungs eher eine vage Vorstellung. Eine Träumerei von Männern mit tiefdunklen Augen, die uns Mädchen hinterherpfiffen. Dann kam der Sommer 1990 in Italien, ein Schulausflug in einen kleinen Ort am Meer mit bunten Häusern unter blauem Himmel.
Samuel sah nicht so aus wie in der Vorstellung. War blond, nicht dunkelhaarig, seine Augen waren blau. Auf den ersten Blick nicht wie die Italiener, die wir bisher getroffen hatten. Er lachte viel, schaute den Mädels hinterher, irgendwann kamen wir ins Gespräch. Mehr mit Händen und Füßen, die fünf Jahre Latein halfen hier nicht weiter.
Pantomimisch verabredeten wir uns für den Abend. Treffpunkt Steintreppe, nicht weit entfernt vom Strand. So viel verstand ich. Ob das erlaubt war? Keine Ahnung. Samuel kaufte weltbestes Eis, süß-sauer, Stracciatella und Zitrone. Jetzt lachten wir beide viel, flirteten, irgendwann hielten wir Händchen. Und dann: der erste Kuss, der allererste. Die Luft schmeckte salzig-rau, Samuel auch. Es stimmt, was man sagt, dass die Knie weich werden.
Am nächsten Tag: ein bisschen Scham. Kichernd erfuhr die beste Freundin, was passiert war. Am Morgen fühlte ich mich noch selbstbewusst, am Abend wich der Mut. Wer weiß schon, ob wir uns noch mal wiedersehen? Und ob es dann so toll sein würde wie am Abend zuvor? Zu einer zweiten Verabredung mit Samuel kam es nicht mehr.
Doch der Kuss wirkte nach, brachte Unruhe mit sich. Aus der vagen Vorstellung von Jungs wurde eine Ahnung, was da noch so alles sein kann. Julia Brenner
Zwei Leben
Unbegrenzte glückliche Stunden für alle, versprach ein Schild über der Bar: „Happy Hour Until Everybody’s Happy“. Das war leicht zu glauben auf dieser Karibikinsel ohne Autos und Alltag. 2011, meine Freundin und ich waren Anfang 20 und auf einem Trip durch Mittelamerika. Mit einem Segelboot reisten wir von Insel zu Insel, mit an Bord: ein blonder Finne, Typ Surferboy. Wir saßen gemeinsam an der Reling und hängten unsere Füße in die Gischt. Meine Freundin war genervt, ich hingerissen. Wir zelteten mit frischem Fisch und Rumpunsch. Alle krochen irgendwann in ihre Schlafsäcke, wir am Strand enger zusammen. Küssten uns, bevor die Sonne aufging. In Guatemala trennten sich unsere Wege.
Wieder zu Hause und die Frage: Kann das weitergehen? Ich besuchte ihn in seinem Ferienhaus in Schweden, wir sprangen nach der Sauna in eiskaltes Wasser. Er kam zum Oktoberfest, wir kauften ihm eine Lederhose. Irgendwann sahen wir uns fast jeden Monat. Tanzten die Nacht durch in Berlin, reisten nach Warschau und Spanien und tranken Kaffee in Helsinki. Doch am Ende standen Alltag und Entfernung uns im Weg und die Erkenntnis, dass die glücklichen Stunden für uns begrenzt waren. Emma Schulze