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George Michael (links) und Andrew Ridgeley.
© Getty Images · ; Tagesspiegel

Der unbekannte Star von Wham!: Immer wenn „Last Christmas“ läuft, freut sich dieser Mann

Andrew Ridgeley ist der unbekannte Star des Duos. Hier erzählt er von Fönwellen, steifen Rücken und Exzessen in Saas-Fee. Ein Protokoll.

Jedes Jahr im November geht es wieder los. Ich höre in Geschäften „Last Christmas“ und bin stolz, an diesem Weihnachtsklassiker beteiligt zu sein. Elf Monate vergessen, einen Monat rauf- und runtergedudelt, der Song ist nicht totzukriegen – er hat einen Zeitstempel mit Ewigkeitscharakter. Vor 35 Jahren haben wir ihn veröffentlicht, George Michael und ich, als Popduo Wham! [Von Andrew Ridgeley sind gerade seine Memoiren erschienen, „Wham! George und ich“, 320 Seiten, 22 Euro].

Wenn ich mir heute das Video anschaue, in dem George und ich im Schnee herumtollen, denke ich: Meine langen Haare! Was für ein Fehler! Daneben sehe ich allerdings viel menschliche Wärme, Freunde, die Spaß zusammen hatten. Nicht nur George und ich, auch Shirlie und Pepsi, unsere Backgroundsängerinnen, die beim Video als Komparsen mitwirkten. Wir waren 21, sehr jung, Kinder, die Erwachsene spielten.

Wir haben das Video in Saas-Fee in der Schweiz gedreht. George ließ jede Szene, in der er ungepflegt oder dicklich aussah, rausschneiden. Trotzdem gibt es noch zwei Sekunden im Clip, wo er rückwärts laufen musste und dabei aussieht, als hätte ihn gerade jemand in den Schritt getreten. Komplett lächerlich.

George wollte unsterblich werden

Ich kann mich noch gut an den Dreh erinnern. Vom Moment, an dem wir im Hotel ankamen und unsere vorher angereisten Freunde schon in Partystimmung waren, weil sie die Bar leer getrunken hatten, bis hin zum Abend, an dem wir nackt in den Hotelpool sprangen. Die Stimmung kippte etwas, als einer unserer Freunde in einen Wasserfilter kotzte.

George ist damals mit einer klaren Aufgabenstellung an das Projekt herangegangen: Ich will ein Weihnachtslied komponieren, das man noch Jahre später hören wird. Das war eine Herausforderung für ihn. Einige der größten Künstler hatten es geschafft, mit solch einem Hit unsterblich zu werden. Er wollte in einer Reihe stehen mit Bing Crosby, Paul McCartney oder Slade. Er hat es geschafft.

Zu dem Zeitpunkt waren wir bereits eine der größten Bands Europas. Wham! hat in nur knapp vier Jahren 30 Millionen Platten verkauft, 1986 war Schluss. Mir werden jedes Jahr Tantiemen bezahlt, für drei Lieder als Co-Autor, unter anderem für „Careless Whisper“, und für alle Songs als einer der aufführenden Künstler. Die Tantiemen stellen bis heute den Großteil meines Einkommens dar. Erst danach kommen ein paar Investitionen und Geschäftsinteressen. Die Lieder sind mein finanzielles Sicherheitskissen.

Mein Wagemut im November 1979 hat sich ausgezahlt. Ich war es schließlich, der meinen Mitschüler Giorgios Panagiotou überredet hat, eine Band zu gründen. In der Schule haben wir monatelang davon gesprochen, zusammen Musik zu machen. George fand immer einen Grund, warum es gerade nicht der richtige Zeitpunkt war. Eines Tages habe ich ihn angerufen und gesagt: Wir gründen eine Band! Anderenfalls hätte das nie geklappt. Ich gab ihm den finalen Stoß.

Sein Vater setzte ein Ultimatum

Sein Vater war nicht begeistert. Ich glaube, er verstand nie die Berufung seines Sohnes. Als George sich zum Geburtstag ein Fostex-Aufnahmegerät mit vier Spuren wünschte, schenkte sein Vater ihm zwei antike Waffen. Er setzte George nach dem Schulabschluss ein Ultimatum: Plattenvertrag nach sechs Monaten – oder aus dem Geschäft aussteigen. Aber hätte George das wirklich getan, wenn wir im Frühjahr 1982 nicht unseren ersten Vertrag unterschrieben hätten? Ich bezweifle das. Wir brauchten keinen zusätzlichen Druck von außen, wir hatten genug Drive in uns.

George entwickelte sich als Songwriter enorm. Er wurde einfach besser als ich, war mir bald Lichtjahre voraus. Ich glaube, es war 1982, als wir uns zusammensetzten und beschlossen, dass es das Beste für die Band wäre, wenn er die kreative Verantwortung übernimmt. Ich habe das sofort akzeptiert. Es hätte Wham! nie ohne George Michael gegeben, aber eben auch nicht ohne Andrew Ridgeley.

Wham! war eine kurze Episode

Ich habe nur noch im Hintergrund gesungen, live spielte ich manchmal Gitarre. Wham! präsentierte sich dem Publikum gegenüber als zwei Jungs, die durch Freundschaft miteinander verbunden waren. Darum ging es bei der Band – Kameradschaftlichkeit, Jugend, Unbekümmertheit. Und das war auch einer der Gründe, warum George später als Solokünstler weitermachte. Die Parameter von Wham! limitierten ihn. Es war ein kurzes Zeitfenster in unserem Leben, in das die Lieder passten. Als Künstler musste er dem Wir entwachsen. Beide wussten wir, dass er eines Tages Lieder schreiben würde, deren Themen irrelevant für die Band waren, in denen es um den Erwachsenen George Michael ging, nicht um den Jugendlichen Yog.

Das war der Spitzname, den ich ihm schon in der Schule gegeben hatte, weil ich seinen richtigen Namen einfach nicht aussprechen konnte. Für mich existierte nur diese eine Person: Yog, mein Freund. George Michael war das Pseudonym, das er brauchte, um der Performer zu werden, der er sein wollte. Sein Schutzschild, der ihm half, den Druck auszuhalten, der mit großem Erfolg einhergeht.

Er war nie zufrieden mit seinem Look

Was sein Aussehen betraf, blieb er sein Leben lang unsicher. Gerade die richtige Frisur bereitete ihm große Sorgen. Mitte der 80er Jahre sahen ihn Freunde auf einem Zeitschriftencover und verwechselten ihn zuerst mit Lady Di. Zugegeben, beide hatten tolle Fönwellen. Sein Aussehen war für George ein lästiger Aspekt seines Daseins. Er war als Teenager nie zufrieden mit seinem Look, fühlte sich pummelig. Das hat ihn noch Jahre verfolgt. Gucken Sie sich die Fotos von 1982 an, wie unsicher er auf den Fotos wirkt – und wie gutaussehend er vier Jahre später war. Ein attraktiver Kerl, doch trotzdem konnte er die Zweifel in seinem Kopf nicht abschalten.

Als wir das Video für „Careless Whisper“ in Miami drehten, war er dermaßen unzufrieden mit seiner Frisur, dass er seine Schwester aus London einfliegen ließ, damit sie seine Locken so ondulierte, wie er es mochte. Die Rechnung betrug am Ende 10 000 Pfund. War das gut angelegtes Geld? Er dachte es jedenfalls. Ich fand es etwas extravagant.

Andrew Ridgeley gründete in den 70er Jahren zusammen mit seinem Schulfreund George Michael die Band Wham!.
Andrew Ridgeley gründete in den 70er Jahren zusammen mit seinem Schulfreund George Michael die Band Wham!.
© Axel Heimken

Ich habe ihn für seine Großzügigkeit bewundert

Trotz aller Allüren habe ich ihn für seine Großzügigkeit bewundert. Er hat vielen Menschen geholfen, richtete eine Stiftung ein, die sich für die Erforschung künstlicher Befruchtung einsetzte. Anonym unterstützte er Paare, die mit der In-Vitro-Methode ihren Kinderwunsch erfüllen wollten. Ich erinnere mich an eine bewegende Begegnung während einer Signierstunde kürzlich in Manchester. An diesem Tag kam auch ein Ehepaar, dem George geholfen hatte, das teure In-Vitro-Verfahren zu finanzieren. Neunmal hatte es nicht geklappt, beim zehnten Mal funktionierte es – am Tag, an dem George vor drei Jahren starb. Aus Dankbarkeit benannten sie ihr Kind nach ihm. Mit dem Jungen standen sie vor mir, ein berührender Moment für mich.

Yog war emotional genauso großzügig, man konnte ihn mitten in der Nacht anrufen, um über seine Probleme zu reden. Nur ich tat das nie. Unsere Beziehung berührte unsere Gefühlsleben kaum. Wenn wir uns trafen, machten wir Witze, lachten viel, lebten die Freundschaft aus der Schulzeit nach. Wir mussten uns nichts erklären.

Nie haben wir über Beziehungen gesprochen. Das gehörte nicht zu unserer Freundschaft. Es war nicht relevant zwischen Yog und mir, wenn ich Schwierigkeiten mit einer Freundin hatte oder umgekehrt. Ich wusste natürlich, dass er schwul war. Er hat mir das beim Dreh von „Club Tropicana“ 1983 erzählt. Das war kein Problem für mich. Sonst hat er fast nie über seine Sexualität mit mir gesprochen. Das war nicht der Kontext, in dem unser Verhältnis existierte.

Keiner von uns wollte im Büro arbeiten

Wir haben uns darüber unterhalten, was es bedeutet, ein Künstler zu sein. Ich erinnere mich, dass wir lange Diskussionen darüber hatten, welche Konsequenzen sein Status als Star für ihn als Privatperson haben würde. Er kämpfte mit dem Ruhm. Er wusste, sobald er eine Solokarriere einschlagen würde, müsste er Kompromisse eingehen, die Karriere würde ihn einen Teil seines Privatlebens kosten. Ich traf ihn 1986 in Los Angeles, als er „Faith“ aufnahm, sein Solodebüt, das ein Jahr später ein Bestseller wurde. George fragte mich: Tue ich das Richtige? Ich erwiderte: Was macht dich unglücklicher – wenn du deine Songwriting-Fähigkeiten nicht ausschöpfst oder kein normales Privatleben hast? Er wusste die Antwort. Es gab keine Alternative für ihn.

Zur selben Zeit kehrte ich der Öffentlichkeit den Rücken zu. Ich zog in den 90er Jahren aus London weg, wanderte viel, surfte an der Küste von Cornwall. George hat mich nie begleitet. Er hatte einen steifen Rücken, weil er sich in den späten 80er Jahren drei Wirbel ausgerenkt hatte. Er besuchte mich manchmal in Cornwall, ich traf ihn in London oder ging auf einige seiner Konzerte. Seine Interessen waren ziemlich begrenzt: Musik und Sex. Keine schlechten Interessen, wenn Sie mich fragen.

Nach der Zeit im Rampenlicht war ich froh, wieder meine Ruhe zu haben. Wir hatten in den 70er Jahren die Band nicht gegründet, um berühmt zu werden. Keiner von uns wollte im Büro arbeiten, aber wir hatten auch nicht davon geträumt, eine Yacht in Antibes oder ein Ferienhaus in der Toskana zu haben. Wir bewunderten Künstler wie Elton John, weil sie großartige Lieder schrieben und Stadien mitreißen konnten. Das wollten wir erreichen. Die Konsequenzen des Erfolgs waren uns als Teenager nicht klar, die Intensität, mit der die Presse uns belagerte.

Ich habe ihn ordentlich abgezockt

Ich erinnere mich an eine Begebenheit Mitte der 80er Jahre, als ich spätnachts aus einem Club stolperte und die Paparazzi am Ausgang in einer langen Reihe standen – wie eine Ehrenwache. Einer nach dem anderen drehte mir demonstrativ seinen Rücken zu. Sie wollten mir zeigen, Junge, deine Karriere ist vorbei, wir interessieren uns nicht mehr für dich. Ich dachte: Wunderbar, ich habe es geschafft. Für mich war das der Moment, in dem ich endlich wieder frei atmen konnte.

Das letzte Mal habe ich George ein paar Wochen vor seinem Tod gesehen. Wir hatten uns für eine Partie Scrabble verabredet. Er war als Spieler nicht so gut, wie er dachte. Die Woche davor hatte er mich jedoch besiegt, ich verlangte eine Revanche. Es war noch Sommer, wir saßen im Innenhof seines Hauses in Nord-London, ich kochte etwas für uns beide. George hasste es, zu kochen. Seine Küche war eine Schande. Toll eingerichtet, aber kein einziges scharfes Messer in den Schubladen. Als wir nach dem Essen spielten, habe ich ihn ordentlich abgezockt: Ich habe mit mehr als 200 Punkten Vorsprung gewonnen. Zum Schluss legte ich ein Wort horizontal, das ich mit mehreren vertikalen auf dem Spielbrett verknüpfte. Ein Hammerzug! Während ich den letzten Buchstaben anlegte, tat George so, als sei er zusammengebrochen, und rief: Krankenschwester!

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