Autobiografie von Elton John: Ein Tänzchen mit der Queen
Partys mit John Lennon, Michael Jackson und Lady Di: In seiner Autobiografie "Ich. Elton John" erzählt der britische Popstar viele amüsante Anekdoten aus seinem wilden Leben.
Wodka Martini gemischt mit Koks führt zum Blackout. Zumindest bei Elton John. Erstmals musste der Popstar diese Erfahrung 1983 an der Côte d’Azur machen, wo er gerade das Video zu seinem Hit „I’m Still Standing“ drehte. An einer Hotelbar traf er die Band Duran Duran, trank und kokste mit den Kollegen.
Anschließend ging er zurück ans Set, zog sich komplett aus und wälzte sich auf dem Boden. Außerdem attackierte er die Mitglieder seiner Crew – eine gebrochene Nase war das Resultat. Erinnern kann sich Elton John an die Geschichte nicht, es gab jedoch genügend Zeugen. Nachzulesen ist sie in der Autobiografie des britischen Musikers, die gerade unter dem Titel „Ich. Elton John“ (Heyne Verlag, 496 Seiten, 26 €) erschienen ist.
Mit seinen Fehltritten und Schwächen geht der 72-Jährige, der von jeher ein Freund deutlicher Worte war und sich erst kürzlich mit Wladimir Putin anlegte, sehr offen um. Vieles davon ist zwar spätestens seit dem fulminanten Biopic „Rocketman“ bekannt, das im Sommer in den Kinos lief. Doch finden sich im Buch noch unzählige weitere Details und Anekdoten - etwa über diverse Promi-Kollegen sowie das britische Königshaus.
Andy Warhol klopft vergebens an der Tür
Besonders unterhaltsam ist Elton John - und seinem Ghostwirter Alexis Petridis vom „Guardian“ – die Schilderung seiner Freundschaft mit John Lennon gelungen. Eines Abends feiern die Musiker mit jeder Menge Kokain in Elton Johns New Yorker Hotel-Suite. Plötzlich klopft es an der Tür. John wirft einen Blick durch den Spion: Andy Warhol.
Lennon will ihn nicht reinlassen. John gibt zu bedenken, dass es immerhin Warhol ist, der da klopft. Worauf Lennon fragt, ob der Künstler „diese beschissene Kamera“ dabei hat. Hat er natürlich. „Und willst du nun, dass er hier reinkommt und uns fotografiert, während dir eiszapfenweise Koks aus der Nase hängt?“ Will Elton John dann doch nicht. Also ignorieren sie das Klopfen und machen einfach weiter.
Glaubt man dem Buch, war Elton John sogar indirekt dafür verantwortlich, dass John Lennon und Yoko Ono 1974 wieder zusammenkamen. An Thanksgiving hat Lennon einen Gastauftritt bei einem Konzert von John im Madison Square Garden. „In meiner gesamten Karriere habe ich wirklich nie eine vergleichbare Publikumsreaktion erlebt wie an diesem Abend, als ich ihn ankündigte. Der Jubel ging einfach immer weiter und weiter und weiter“, schreibt John.
Nach dem Auftritt kommt Yoko Ono – Lennon wollte sie eigentlich nicht sehen - hinter die Bühne, alle landen schließlich in einem Hotel und trinken etwas. Auf einmal „tauchte Uri Geller wie auf dem Nichts auf, trat an unseren Tisch und begann, sämtliche dort liegenden Löffel und Gabeln zu verbiegen. Dann zog er auch noch seine Nummer mit dem Gedankenlesen ab. Es war ein bizarrer Tag.“ Der Beginn von Onos und Lennons Wiederannäherung.
Die vermutliche leiseste Disco der Welt
Elton Johns Autobiografie ist gespickt mit solchen „bizarren Tagen“. Einer davon fand 1981 auf Windsor Castle statt als Prinz Andrew seinen 21. Geburtstag feierte. „Das Schloss wurde von außen mit einer psychedelischen Lichtshow angestrahlt, und vor unserem Auftritt fand im Ballsaal eine Disco statt. Weil auch die Queen eingeladen war und niemand das königliche Zartgefühl verletzen wollte, wurde die Lautstärke der Disco so weit gedämmt, wie es möglich war, ohne die Musik ganz auszuschalten.“
Prinzessin Anne fordert John zum Tanz auf und sie treten vorsichtig von einem Fuß auf den anderen. Als der DJ „Rock Around the Clock“ auflegt, gesellt sich die Elizabeth II. zu ihnen. „Jetzt versuchte ich also so lautlos wie möglich mit Prinzessin Anne und der Königin zu tanzen, die weiterhin fest ihre Handtasche umklammerte, während die vermutliche leiseste Disco der Welt Bill Haley spielte“, schreibt John.
An diesem Abend lernt er Prinzessin Diana kennen. Sie wird eine gute Freundin des Stars, der 1997 auf ihrer Beerdigung seinen bis heute erfolgreichsten Song spielen wird - in einer von Bernie Taupin umgedichteten Form.
Seine große Liebe David Furnish bekommt viel Raum
Das Verhältnis zu seinem kongenialen Texter beschreibt John ausführlich. Es war auch ein zentrales Motiv von „Rocketman“. Weil sich der Film vor allem auf die fünfziger, sechziger und siebziger Jahre konzentriert, kommt Elton Johns große Liebe David Furnish nur im Abspann vor. In der Autobiografie wird der 1962 geborene Kanadier nun ausführlich gewürdigt. Vom Kennenlernen 1993 auf einer Halloween-Party in London über den von Elton John auf Knien vorgetragenen Heiratsantrag bis hin zur Familiengründung.
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Zu Beginn ihrer Beziehung erleben die beiden einen Tag, der mit „bizarr“ nur unzureichend beschrieben werden kann: Ausgerechnet zu dem Mittagessen, bei dem Furnish zum ersten Mal Elton Johns Mutter treffen soll, kündigt einer der anderen Gäste an, einen seiner Klienten mitzubringen: Michael Jackson.
Der King of Pop hat "nicht mehr alle Tassen im Schrank"
Der Brite hatte den King of Pop bereits in dessen Teenager-Jahren kennen gelernt („ein wirklich bezauberndes Kind“). In der Zwischenzeit hatte er aber begonnen, sich von der Welt zurückzuziehen. „Gott weiß, was in seinem Kopf vorging und mit welchen Medikamenten er vollgepumpt wurde, aber jedes Mal, wenn ich ihn in späteren Jahren traf, bestätigte sich mein Eindruck, dass der arme Kerl nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte.“ Elton John bezeichnet ihn als „eindeutig nicht gesund und eine wirklich verstörende Gesellschaft“.
Das bestätigt auch das besagte Mittagessen mit seiner Mutter, bei dem Michael Jackson nur am Tisch sitzt, kaum spricht und nichts isst. „Er trug Make-Up, das aussah, als hätte es ein Wahnsinniger aufgetragen. Es war überall verschmiert. Seine Nase verschwand unter einem Heftpflaster, das alles was noch von ihr übrig war, an seinem Gesicht festklebte.“ Irgendwann steht er wortlos auf und verschwindet. Später findet man ihn bei Elton Johns Haushälterin, die in einem eigenen Häuschen auf dem Anwesen lebt. Jackson spielte schweigend Videospiele mit ihrem elfjährigen Sohn.
Inzwischen geht es in Elton Johns Leben ein wenig ruhiger zu. Er möchte „normal sein, oder zumindest so normal, wie mir das möglich ist.“ Weil er mehr Zeit für seine Familie haben will, wird er sich von der Bühne zurückziehen. Natürlich nicht, ohne eine große Abschiedstour: Seit vergangenem Jahr ist Elton John auf seiner „Farewell Yellow Brick Road“-Tournee. Am 17. Und 18. Oktober 2020 tritt er in Berlin auf.