Österreich: 48 Stunden winterliches Innsbruck
Dicke Schneeflocken fallen aufs Goldene Dachl, und von der Nordkette stürzen sich die Brettln ins Tal. Warm wird’s einem erst beim Zirbenschnaps.
11 Uhr
Sie sind überall. Vorne, hinten, rechts, links: Berge. Der Patscherkofel, die Hafelekarspitze, die Nordkette, die so nah vor der Stadt aufragt, dass man beinahe Platzangst bekommt. Schön sind sie ja, vor allem im Winter, wenn der Schnee von den Hängen schaut und die eisige Luft in den Lungen zwickt. Selbst für Österreicher ist es ungewöhnlich, den Alpen in einer Stadt nicht entkommen zu können. Also Flucht nach vorn: Aufi auf’n Berg. Der gemütliche Großstädter nimmt einfach die Seilbahn auf die Nordkette. Fast wie die S-Bahn in Berlin, nur mit schönerer Aussicht auf weiße Hänge und sich unter der Schneelast biegende Tannen. Ein Ticket kostet 36,50 Euro, Skipass inklusive. Die Talstation liegt zentral, fünf Gehminuten von der Innenstadt. Die Fahrt dauert 20 Minuten
12 Uhr
Nach einem Mal Umsteigen heißt es: Endstation Seegrube, 1905 Meter über dem Meeresspiegel. Im Tal fiel noch Schnee, hier scheint die Sonne. Plötzlich ist die dicke Kleidung zu warm. Die Wolken hängen tief, von Innsbruck sieht man nichts. Die Stadt mit 130 000 Einwohnern ist ein Tourismuszentrum für Wanderer, Mountainbiker und Skifahrer. Tipp bei schneenassen Füßen: Im Restaurant Seegrube einkehren, bei Rindergulasch, Butterspätzle und Skiwasser (Himbeersirup mit Zitronensaft, verdünnt mit Wasser) aufwärmen.
14 Uhr
Zurück im Tal. Dicke Schneeflocken färben den Schal weiß. Das Wahrzeichen der Stadt, das Goldene Dachl, ein prunkvoller Erker der Spätgotik, ist zur einen Hälfte mit Schnee bedeckt, die andere glänzt von weitem. Das Dachl ist kleiner als gedacht. Wenn man nicht aufpasst, könnte man versehentlich daran vorbeilaufen. Roter Stein, weiß marmoriert, fein herausgearbeitete Wappen und darüber Reliefs. Einige davon zeigen den Mann, der den Anbau am Sitz der Tiroler Landesfürsten 1497 in Auftrag gegeben hat: Kaiser Maximilian I. Ein Prasser sei er gewesen, erfährt man in dem kleinen, dazugehörigen Museum, habe überall Schulden gemacht. Seine zweite Frau, Maria Sforza, heiratete er bloß wegen der Mitgift von 400 000 Dukaten. Zu ihrer Beerdigung ging er nicht. Für 4,80 Euro Eintritt verliert man in nur 30 Minuten jeden Respekt vor dem Mann.
16 Uhr
Die Innbrücke scheint durch das Weiß noch heller, als sie es in der Dämmerung sonst täte. Immer geradeaus läuft man auf bunte Häuser zu, sie füllen eine ganze Straßenzeile. Die Nordseite der Stadt ist ruhig, dabei wurde Innsbruck im Viertel Mariahilf-St. Nikolaus im 12. Jahrhundert gegründet. Nach ein paar Minuten kommt man zur Kirche St. Nikolaus. Das Gotteshaus bleibt weniger im Gedächtnis, dafür der Friedhof drumherum. Verwitterte und neue Grabsteine, eine Außenwand ist mit Efeu zugewachsen. Kies und Schnee knirschen unter den Sohlen.
19 Uhr
Längst ist es dunkel. Zeit fürs Abendessen, dazu wieder zurück auf die andere Innseite. Die Kälte ist diesmal nicht nur in die Schuhe, sondern bis unter die Kleidung gekrochen. Im Weißen Rössl (Kiebachgasse 8) gibt es ein Gegenmittel: Tiroler Gröstl, ausgesprochen „Gröschtl“, eine Pfanne mit gebratenen Kartoffeln, Zwiebeln, Lauch und geschnittenem Tafelspitz, dazu Spiegelei und Krautsalat mit Speckwürfeln. Als Digestif servieren sie Zirbenschnaps – das ist ein Kieferngewächs, das unter anderem in Tirol wächst, auch auf dem Hausberg der Stadt, dem Patscherkofel. Der Schnaps wird aus den Zapfen und Samen gewonnen. Das Gasthaus steht seit 1600 im sogenannten Vier-Viecher-Eck. Von den vier Restaurants mit Tiernamen ist nur das Rössl übriggeblieben.
21 Uhr
Das Kater Noster (Leopoldstraße 7) wirkt wie ein Stück Berlin in den Alpen. Ein großer Raum, Betonboden, kahle Wände, Biedermeier-Möbel und Gäste mit bunten Wollmützen. Das hippe Zentrum des lokalen Nachtlebens. Einheimische treffen hier ihre Freunde, ohne sich vorher verabreden zu müssen. So bleibt ein bisschen Dorfgefühl erhalten. Ein wunder Punkt bei den Innsbrucker Kunden: Gegründet wurde die Bar von Deutschen. Aber für einen Boykott schmecken die Getränke dann doch zu gut. Spezialität des Hauses ist der Innsbruck Mule. Als Hauptzutat dient nicht Wodka, sondern, klar, Zirbenschnaps. Dazu Zimt, Eiswürfel, eine Orangenscheibe und Granatapfelkerne, außerdem Ingwer, mariniert in Zitrone und Angostura, einem Cocktailbitter. Aufgegossen wird mit Gingerbier, serviert in ausgewaschenen Konservendosen.
Tirol ist ein Land der Skifahrer
10 Uhr
Vor einem Besuch der Markthalle (Herzog-Siegmund-Ufer 1) sollte man das Hotelfrühstück unbedingt ausfallen lassen. „Darf’s hier ein bisschen Käse zum Probieren sein? Gleich ein Stück Speck dazu?“ Thomas Mühlthaler von der „Tiroler Schmankeralm“ teilt großzügig aus an die Leute, die vor seinem Stand Schlange stehen. Die Innsbrucker kommen nicht bloß für den Einkauf hierher. Man nimmt sich Zeit, quatscht, probiert noch mehr Käse, bevorzugt bei einem Glas Wein. Die Tageszeit ist egal. Den besten Kaffee servieren sie, da sind sich alle einig, drüben beim Italiener. Der heißt Stefano und hat seinen Stand ein paar Meter vom Eingang entfernt. Dialektfest sollten Besucher auf dem Markt sein oder Geduld mitbringen, um notfalls mehrfach nachzufragen.
12 Uhr
Die dicken Wolken haben sich verzogen, die Sonne scheint, endlich Panoramablick! Die Mutterer Alm ist nur 20 Minuten Busfahrt von Innsbruck entfernt und liegt im Rücken der Nordkette – auf der ganz klar die Bretter regieren. Tirol ist ein Land der Skifahrer. Viele Kinder flitzen schon vor der Einschulung über die Pisten. Die Innsbrucker schnappen sich gern nach Feierabend ihre Ski oder kommen am Wochenende für ein paar Stunden auf die Nordkette. Anorak und Schneeschuhe sind in Innsbrucks Bussen so präsent wie das Wegbier in Berliner Bahnen. Von der Mutterer Alm lässt es sich hingegen nach unten rodeln. Also nichts wie rauf. Ist auf jeden Fall entspannter als Skifahren, zumal man sich weniger Ausrüstung borgen muss. Elf Euro kostet ein Schlitten für 24 Stunden, dazu kommen 25 Euro für eine Liftkarte. Die gilt drei Stunden. Es gibt eine Route für Kinder und eine Sportrodelbahn. Das eine klingt zu lasch, das andere nach Eiskanal. Auf der schnellen Variante sind Wanderschuhe die richtige Wahl, wenn durch Lenken und Bremsen nicht die Ferse freigelegt werden soll. Es holpert, die Sonne hat den Schnee aufgeweicht. Da, eine tiefe Mulde. Zu spät gesehen. Abflug, Kopf voran. Danach erst mal vorsichtiger. Die Fahrt geht durch den Wald, der sich lichtet und den Blick freigibt auf das Tal und die gegenüberliegende Nordkette. Nach 30 Minuten und ein paar Kollisionen mit Schneewänden pocht das Herz rasend schnell. Gleich nochmal rodeln.
16 Uhr
Das Gesäß schmerzt. Die Füße sind wackelig. Keine optimalen Bedingungen für die Besteigung des Stadtturms. Aber der blaue Himmel! Kapitulation allein beim Anblick der 133 Stufen langen Wendeltreppe. Schwindelgefühl stellt sich ein. Lieber doch ein Aperitif oben in der 360-Grad-Bar. Hier fährt ein Aufzug hinauf, der Zugang befindet sich in den Rathaus-Galerien. Die Bar ist komplett verglast. Ausblick in jede Richtung, den schönsten natürlich auf die winterlichen Berge. Schnell ein Foto von der Außenplattform und dann bei einem Glas Prosecco den Sonnenuntergang genießen.
19 Uhr
Der Moment der Schwäche an der Treppe soll vergessen werden. Und was klingt mehr nach Härte als ein Laden namens „Machete – Burrito Kartell“ (Anichstraße 29)? Glühlampen ohne Schirm erhellen den Raum mäßig, 30 Gäste passen in das Restaurant, und alle Plätze sind besetzt. Rechts hinten eine Bar, Gäste stellen sich ihre Burritos selbst zusammen. Der Kellner bringt eine Papierkarte und einen Bleistift. Beef oder Chicken? Vegetarisch? Käse? Mais? Salsa? Oder alles zusammen? Am Ende muss ein Name für die Kreation vergeben werden. Luchador. Der Kämpfer. Um das Ego aufzumöbeln, hilft’s.
21 Uhr
Die Kreation, die die Kellnerin in der Cocktailbar Erlkönig (Meraner Straße 6) serviert, sieht zunächst nach etwas Essbarem aus. Ingwer, Erdnüsse, eine Chilischote und Grünzeug schwimmen in einem handgroßen Töpfchen mit Henkeln an jeder Seite. Tom Yum Gung ist jedoch keine asiatische Suppe, sondern ein Drink auf Wodkabasis. Genossen wird er bei schummrigem Licht, Swingmusik und Zigarettenrauch. Nach dem ersten Schluck und mit Ingwerschärfe auf der Zunge schweift der Blick durch den Raum. Ein Pferd. Als silberne Statue steht es am Ende der Bar, einen halben Meter groß. Auch auf das Glas der Eingangstür ist das Tier eingeritzt und auf die Menükarten aufgedruckt. Der Gaul, auf dem der Vater mit seinem Kind so spät durch Nacht und Wind reitet. Im hinteren, schmalen Teil der Bar, in dem sich die Decke kuppelförmig über den Köpfen der Gäste wölbt, ist das Tier Mittelpunkt eines ganzes Wandbildes. Es bäumt sich auf, pechschwarz, vor und hinter ihm schnörkelige Linien. Sie sehen aus wie Äste, die nach Pferd und Reiter greifen. Ein paar Cocktails später, mit Namen wie „Meister Eder’s Sexy Margarita“, benannt übrigens nach Barchef Matthias Eder, wäre so ein Pferd zum Nach- Hause-Reiten ganz nett. Zum Glück ist in Innsbruck jedoch nichts wirklich weit weg. Dann eben zu Fuß zurück – durch Nacht, Wind und Schnee.
Reisetipps für Innsbruck
Hinkommen
Mit dem Zug ab Berlin geht es in vier bis fünf Stunden nach München. Dort umsteigen in einen Eurocity und zwei Stunden weiter nach Innsbruck fahren. Etwa ab 170 Euro hin und zurück.
Mit dem Flix-Bus (direkt oder mit Umsteigen in München) dauert die Fahrt deutlich länger, Tickets schon ab 30 Euro.
Ab Dezember fliegt Easy-Jet dreimal wöchentlich direkt von Tegel nach Innsbruck, Preise ab 35 Euro.
Unterkommen
Das Hochhaus des 2013 eröffneten „Adlers“ ist das höchste Hotel in Innsbruck und liegt nur 100 Meter vom Bahnhof entfernt. Die Zimmer im Business-Stil kosten ab 115 Euro pro Nacht. adlers-innsbruck.com
Individueller ist das „Hotel Nala“. Jedes Zimmer ist nach einem anderen Motto eingerichtet. Ab 100 Euro pro Nacht. nala-hotel.at
Info
Mehr Details für Touristen unter innsbruck.info.
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