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Raus aus der Stadt. Altenbergs Lift führt aufs Raupennest.
© Egbert Kamprath/A. Geiger

Winterferien: Die schönsten Skigebiete in der Nähe von Berlin

Skifahrer müssen jetzt in den Winterferien nicht in die Alpen reisen. Pisten findet man gleich hinter Dresden, im Erzgebirge. Ein Probelauf in vier Orten.

ALTENBERG

Auf Amerikareisen werde er oft gefragt, sagt Thomas Kirsten, der seit 27 Jahren Bürgermeister von Altenberg ist, wo sich seine Stadt eigentlich befinde. Er antwortet dann: „Near Berlin.“

Kirsten fährt regelmäßig nach Calgary oder Lake Placid, um bei der globalen Sportfunktionärselite für Altenberg als Austragungsort der Bobwettkämpfe zu werben. Er ist ein großer Mann um die 60, mit seinen blonden Haaren und der ein wenig fleischigen Nase sieht er aus wie Siegfried Rauch, der Traumschiff-Kapitän. Nach amerikanischen Maßstäben, sagt Kirsten, sei die Ortsangabe (Distanz Altenberg-Berlin in Kilometern: 253) korrekt. Denn Dresden, die Großstadt, die so nah ist, dass die dortigen Verkehrsbetriebe im Winter sogar wochenends S-Bahn-Züge nach Altenberg hinaufschicken, kenne in den USA „kein Mensch“.

Der Kahleberg mit der vorgelagerten Kuppe namens Raupennest ist gewissermaßen der Hausberg von Dresden. Berliner sind mit Zug und Bus in nur drei Stunden da. Bereits in der DDR wurde am Raupennest Alpin-Ski gefahren. Die Piste, eine breite Schneise im Nadelwald, verläuft entlang der Nordflanke und endet fast an der Hauptstraße von Altenberg.

Das Rathaus steht auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dienstags ist hier immer Begegnungscafé mit Flüchtlingen, die in der ehemaligen Grenzstation zu Tschechien untergebracht sind. Kirsten hat sein Büro im ersten Stock, mit Blick auf den Raupennesthang. An diesem minus zehn Grad kalten Donnerstagabend ziehen dort noch ein paar Skifahrer im orangefarbenen Flutlicht ihre Kurven. Für Kirsten ist die Piste eine bewegte Werbefläche. Altenberg, erklärt er, präsentiere sich damit in seinem Zentrum als vielfältiger Wintersportort. Und um dieses Schauspiel möglichst lange im Jahr aufführen zu können, hat er bereits 1990 die erste Schneekanone anschaffen lassen.

Die Piste eignet sich zum Skifahrenlernen und zum Üben mit Kindern

Damals war Altenberg eine Bergarbeiterstadt. Noch heute ist der Förderturm das erste, was man sieht, wenn man das Ortsschild passiert. Doch die Zinnerzmine machte 1991 dicht, und Bürgermeister Kirsten trieb den Strukturwandel zum Erholungsort voran, was sich als schwierig erwies, denn bis vor zehn Jahren verlief die Landstraße nach Prag mitten durch Altenberg. Hier, zwischen Rathaus und Lifthäuschen, fuhr ein Laster hinter dem anderen. Seit 2017 die Autobahn Dresden-Prag eröffnet ist, sind die Lastwagen weg, aber die Übernachtungsgäste trotzdem nicht in großer Zahl da, jedenfalls nicht an diesem verschneiten Winterabend. Nirgends was los außer am Lift, der bis um zehn Uhr abends geöffnet hat.

Die Piste ist nicht besonders steil, doch ausreichend geneigt, um Fahrt aufzunehmen. Sie eignet sich zum Skifahrenlernen oder zum Üben mit Kindern. Für Fortgeschrittene bietet sie einen Geschwindigkeitsrausch von wenigen Minuten. Eine weitere Abfahrt führt über zugeschneite Waldwege ins Tal. Das schönste am Altenberger Skihang aber ist die fast 100 Jahre alte Gaststätte „Altes Raupennest“, die am Ende des Skilifts im Wald liegt – kaum zu glauben, dass man sich wenige Stunden von Berlin entfernt in solch einer altmodisch-pittoresken Berghütte wiederfindet.

Besser Skifahren kann man im Ortsteil Rehefeld, von Altenberg aus mit dem Auto zehn Minuten durch den Wald. Skibusse gibt es keine. Dort führt ein Sessellift auf den Berg Hemmschuh. Seine beiden Abfahrten, eine als leicht und die andere als mittelschwer kategorisiert, sind doppelt so lang wie die in Altenberg.

Skitourismus ist in den Mittelgebirgen kaum lukrativ

1992 hat die Gemeinde den Sessellift gebaut, aber so verlustreich betrieben, dass sie ihn an einen Verein abgab, der ihn wiederum an den damaligen Betriebsleiter Herbert Wolfram übertrug. Wolfram, Ende 60, Vollbart und grauer Haarkranz, sitzt in seinem Kassenhäuschen, Enkel auf dem Schoß. „Der Lift ist eine Liebhaberei“, sagt Wolfram. Seine beide Söhne und die Schwiegertochter helfen mit, damit sich die Familie ihn „leisten“ könne. 50 Wintertage seien nötig, damit er in die schwarzen Zahlen komme, was rechnerisch unmöglich ist, denn, außer wenn in irgendeinem Bundesland Ferien sind, lässt Wolfram den Lift nur am Wochenende laufen. Unter der Woche sind zu wenig Gäste im Ort. Im Herbst hat das letzte Hotel in Rehefeld zugemacht. Das hölzerne Jagdschloss am Ortseingang, erbaut im 19. Jahrhundert von einer sächsischen Kronprinzessin und in der DDR als Ferienheim genutzt, steht seit Jahren leer.

Wolfram setzt sich in seinen Pistenbully und fährt zur Bergstation seines Lifts: ein kleines Plateau mit Ausblick über die verschneiten Nadelwälder des Ost-Erzgebirges. „Hier oben wäre Erlebnisgastronomie schön“, sagt er. Doch unter der Woche gibt es zurzeit in ganz Rehefeld an Gastronomie nur den zur Bratwurstbude umgebauten Wohnwagen der Familie Wolfram.

Skitourismus ist in den Mittelgebirgen kaum lukrativ zu betreiben. In Altenberg macht die Traditionsgaststätte „Bergglöck’l“ zum Beispiel nur noch für die eigenen Pensionsgäste Frühstück. Dabei verlängert die Stadt mit moderner Beschneiungstechnik die Saison. „Schneemachen“, sagt Bürgermeister Kirsten, sei „diffizil“, aber sie hätten es geschafft, dass Skilaufen von Dezember bis Mitte März möglich sei. Und falls durch den Klimawandel die Winter ganz ausbleiben sollten, hat Kirsten eine neue Zukunftsvision für Altenberg. In der Erde ist Lithium gefunden worden. Altenberg wird wieder Bergarbeiterstadt.

REISETIPPS FÜR ALTENBERG

PISTE

Das Skigebiet ist ausreichend für ein Wochenende, ansonsten sattelt man besser auf Langlauf um; Altenberg hat rund 100 Kilometer Loipen. Für Alpinskiläufer gibt es fünf Lifte und vier Kinderlifte, die in vier Ortsteilen liegen. Der Lift in Altenberg ist von 9 Uhr bis 22 Uhr geöffnet, sonntags nur bis 18 Uhr. Die Tageskarte kostet 13 Euro. Die schönsten Pisten liegen in Rehefeld, allerdings ist der Sessellift dort werktags nur während der Ferien, sonst lediglich an Wochenenden geöffnet. Von der Bergstation aus kann man auch mit dem Schlitten eine lange Naturrodelbahn abfahren. Familie Wolfram verleiht Schlitten und betreibt außerdem in der Woche zwei Lifte an einem Übungshang sowie einer Snowtubingbahn (winterwelt-rehefeld.de).

ESSEN UND SCHLAFEN

Gute Hausmannskost gibt es im „Alten Raupennest“, einer Berghütte auf 826 Meter Höhe. Sie ist fast 100 Jahre alt. Geöffnet ist sie außer montags und dienstags ab 11 Uhr (altes-raupennest.de).

FREIZEIT

In einem Holzhaus, in dem bereits im 16. Jahrhundert erzhaltiges Gestein von bloßem Geröll getrennt wurde, ist das Bergbaumuseum von Altenberg untergebracht. Zu besichtigen gibt es auch einen alten Stollen. Am Ortsausgang liegt das Schwimmbad „Raupennest“, das mehrere Saunen und Becken mit Wassertemperaturen von 30 bis 36 Grad hat, darunter ein Außenbecken. Das Bad ist bis 21 Uhr geöffnet (5,50 Euro). Weitere Informationen über die Region gibt es unter erzgebirge-tourismus.de.

Telnice: Steilhang mit Autobahnausfahrt

Zweitverwertung. Telnice hat den Sessellift gebraucht im Schweizer Skiort Lenzerheide gekauft. Aus dem Holz der alten Sprungschanze wurde eine Hütte gebaut.
Zweitverwertung. Telnice hat den Sessellift gebraucht im Schweizer Skiort Lenzerheide gekauft. Aus dem Holz der alten Sprungschanze wurde eine Hütte gebaut.
© Dirk Walter/skilifte-telnice.de

TELNICE

Telnice hat eine Autobahnausfahrt und eine Piste, die steiler ist als die berüchtigte Abfahrtsrennstrecke Streif in Kitzbühel. Für einen Skiort eine ziemlich einzigartige Kombination.

Dank der Autobahnnähe ist Telnice das von Berlin aus am schnellsten zu erreichende Skigebiet: Zwei Stunden geht es Richtung Prag, hinter der tschechischen Grenze noch mal 20 Minuten durch ein tief eingekerbtes Tal ins Erzgebirge hinein. Die Straße endet auf einem Parkplatz, auf den nur zwei Autos nebeneinander passen. So schmal ist die Talsohle. Linker Hand fällt die schwarze Piste hinab, der drittsteilste Skihang Tschechiens, 34 Prozent Gefälle, an dem eine verängstigte Skifahrerin klebt. Auf der gegenüberliegenden Talseite steht ein Dutzend kleiner Ferienhäuser in mehreren Etagen hintereinander gestaffelt.

Außerdem gehören zur Skistation: eine Holzhütte mit Imbiss, der Glaskasten des Skiverleihs, ein rundes Après-Ski-Zelt, außer Betrieb, ein Teich mit einer dünnen Eisschicht, der die Schneekanonen speist, und das Beton-Haus des Sesselliftes, den der örtliche Skiclub kürzlich zusammen mit einer Investorengruppe gebraucht in Lenzerheide gekauft hat.

Auf dem Rudny vrch breitet sich ein großes Loipennetz aus

Seit 80 Jahren wird in Telnice bereits Ski gefahren. Die erste Schneekanone des Ostblocks kam hier zum Einsatz, 1965, entwickelt von einer Forschergruppe der Technischen Hochschule Prag. Doch aufgrund einer Unachtsamkeit versiegte der Kunstschnee bereits in der Nacht nach der feierlichen Inbetriebnahme wieder. Zwei Mitarbeiter vergaßen, die Heizung für die Wasserrohre einzuschalten, und die Rohre froren zu.

Vor sieben Jahren kaufte sich eine Investorengruppe ins Skigebiet ein, investierte 1,2 Millionen in neun Schneekanonen, 17 Schneelanzen und in den Lift aus der Schweiz, der angeblich der schnellste im Ost-Erzgebirge ist. In drei Minuten transportiert er Skiläufer auf den fast 800 Meter hohen Rudny vrch. Oben weitet sich die Landschaft zu einem Hochplateau, eine Schneewüste, die bis nach Altenberg reicht – ein Paradies für Langläufer.

Für Alpinskifahrer erstreckt sich an der Nordflanke des Rudny vrch ein ernst zu nehmendes Skigebiet. Ein weiterer Lift erschließt eine breite leichte Piste, die ideal ist zum Carven. Drei Abfahrten, von denen eine als leicht, die zweite als mittelschwer und die dritte als schwer gilt, führen wieder hinunter ins Tal. Die längste Piste ist anderthalb Kilometer, lang genug, um außer Atem zu geraten, wenn man sie ohne anzuhalten durchfährt. Auf halber Strecke betreibt ein Ehepaar aus Prag eine kleine Hütte, gebaut aus dem Holz einer Sprungschanze, die bis in die 1970er Jahre hier stand. Kurz vor dem Schussstück am Ende steht eine Frau mit Schneeschuhen, Handtasche und pinkfarbenem Schal am Pistenrand: die Prostituierte des Skigebietes.

In Telnice geht es freundlich und familiär zu

Unten am Lift wartet Jan Holinger in der Schlage, Werbegrafiker aus der Nachbarstadt Ústí nad Labem und Mitglied des Skiclubs in dritter Generation; dem Club gehört zehn Prozent der Skisation. Holingers Onkel, der im Lifthäuschen sitzt, ist der Chronist des Skigebietes. Er besitzt noch Briefe über die Installation der ersten Schneekanone. Ein Snowboarder kommt hinzu, Dirk aus Heidenau, der umsonst eine Internetseite für die Skistation gebaut hat, und im Gegenzug nichts für den Lift zu bezahlen braucht. Der Dresdner begrüßt herzlich einen Mann Anfang 40, Mario Štefánik, der den Skiverleih betreibt und ebenfalls einen Anteil am Skigebiet besitzt. Štefánik erzählt, dass er 1993 für ein Jahr in Prenzlauer Berg in der Gaudystraße gewohnt hat.

In Telnice geht es freundlich, familiär zu, was denjenigen, die am Skigebiet beteiligt sind, nicht nur recht ist. Ein paar Auswärtige mehr dürften schon kommen, damit sich die Investitionen rechnen: ab 400 Skifahrern am Tag, heißt es, wird Geld verdient. Doch gerade vielen Deutschen, auf die sie hier als Gäste abzielen, ist nach Liftschluss im schmalen Tal zu wenig los. Kein Wellness-Hotel weit und breit. Kein Dorf, durch das man flanieren könnte. So schnell man nach Telnice hinaufgefahren war, so schnell ist man auch wieder unten in der Ebene zurück. Neben dem Parkplatz hängt ein Plakat, das ein Hochhaus zeigt, das Hotel Vladimir aus Ústí, das um Gäste wirbt, die auf Komfort aus sind. Doch Ústí entspricht so gar nicht der klassischen Vorstellung eines Skiurlaubs. Wahrzeichen der Stadt sind zwei riesige Schornsteine, die die Gipfel des Erzgebirges zu überragen scheinen.

REISETIPPS FÜR TELNICE

PISTE

Telnice, voller Name Zadní Telnice (Hintertellnitz), ist ein kleines, aber abwechslungsreiches Skigebiet mit sieben Liften, davon vier für Kinder. Der neue Sessellift, seit 2014 in Betrieb, ist der schnellste des Ost-Erzgebirges. Er bringt die Skifahrer zu Pisten aller Schwierigkeitsgrade, darunter der drittsteilsten Abfahrt Tschechiens. Die Wartezeiten an den Liften sind an Wochentagen gering, wochenends kann es 15 bis 20 Minuten dauern. Die Tageskarte kostet für Erwachsene 20 Euro.

ESSEN UND SCHLAFEN

Unterkünfte und Gastronomie sind in Telnice eher einfach. Bestes Haus am Platz ist das „Chata Olympie“, das gleich neben der schwarzen Piste, unterhalb des Parkplatzes liegt. Es hat eine hölzern-rustikale Gaststube und saubere Zimmer. Wenn es länger kalt ist, lässt der Besitzer den Tennisplatz fluten – der wird dann zur Schlittschuhbahn (chataolympie.cz). Weitere Informationen zu Unterkünften, Preisen und der Geschichte des Skigebietes gibt es unter skilifte-telnice.de.

FREIZEIT

Zuletzt waren auf dem Tennisplatz nur ein paar Pfützen zugefroren. Dann muss, wer abends noch etwas unternehmen will, ins 15 Kilometer entfernte Ústí nad Labem fahren. Die Stadt liegt im Tal und ist industriell geprägt. Doch es gibt ein neobarockes Stadttheater, das als Theater und Opernhaus bespielt wird (operabalet.cz). Auf einem Felsen über der Elbe liegt das Schlösschen Vetruše – mit einem Aussichtsturm, Spiegellabyrinth und Restaurant mit österreichisch-ungarischer Küche.

Schöneck: perfekt für Familien mit Kindern

Eher Torte als Perle.Der IFA Hotel & Ferienpark bei Schöneck.
Eher Torte als Perle.Der IFA Hotel & Ferienpark bei Schöneck.
© T. Lenk

SCHÖNECK

Die „Perle des oberen Vogtlandes“ nannte die Lokalpresse einst das Ferienheim des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes. Das war 1984, kurz nach der Eröffnung. Für DDR-Nostalgiker mag das noch heute zutreffen. Alle anderen werden vom „IFA Hotel & Ferienpark“, wie es seit der Privatisierung 1994 heißt, erst mal erschlagen. Was da oben auf der Hohen Reuth thront, sieht aus, als hätte jemand zwei gewaltige Stücke Schwarzwälder Kirschtorte umgekippt. Beton, dunkles Holz, gesichtslose Erweiterungsbauten. Wer hierher kommt, muss einen guten Grund haben.

Dreieinhalb Autostunden von Berlin entfernt führt eine schmale Straße auf einen Ausläufer des Erzgebirges, durch die Kleinstadt Schöneck und in einen Wald. Am Ende, gleich neben der Kirschtorte, 750 Meter über dem Meeresspiegel, beginnt die „Skiwelt Schöneck“. Einen Sessellift gibt es hier, einen Schlepplift und einen „magischen Teppich“, der auch Anfänger auf einem Rollband mühelos zur Spitze des Übungshangs befördert. Wer keine eigene Ausrüstung hat, besorgt sie sich im Verleih direkt neben der Piste.

Freestyle-Snowboarder und -Skifahrer finden bei der Talstation einen kleinen Funpark mit eigenem Schlepplift. Fortgeschrittene haben die Wahl zwischen einer blauen, zwei roten und einer schwarzen Piste. Doch lange dauert das Vergnügen nicht. Bis zur Talstation sind es gerade mal 820 Meter Luftlinie. Das Skigebiet ist mit einem Wort: übersichtlich. Wer es darauf anlegt, alle Pisten in möglichst kurzer Zeit runter zu rasen, schafft das in 40 Minuten.

Man wähnt sich in einem Themenpark à la Disney

Auf den zweiten Blick erweist sich die Übersichtlichkeit aber als Stärke. Auf den Pisten wimmelt es von Kindern. Die meisten rutschen in Gruppen im Stemmbogen einem Skilehrer hinterher. Eltern entspannen getrost in der „Schirmbar“ bei einem Bier oder gleiten über die 36 Kilometer lange Langlaufloipe Erzgebirge-Vogtland.

Auch das IFA Hotel ist ganz auf Familien ausgerichtet. Neben den 319 Zimmern gibt es im Erweiterungsbau Apartments mit bis zu sechs Schlafgelegenheiten. Eines der drei Restaurants bietet mit Pizzen, Pasta und Steaks konfliktarmes Essen an. Im Inneren des Hotel-Komplexes verbirgt sich ein weiteres Kinderparadies. Ein künstlicher Wasserfall weist den Weg zur „Space Station“. Dort warten eine Kletterburg, Flipper, Billard-Tische und ein 3-D-Raumschiff-Simulator. Man wähnt sich in einem Themenpark à la Disney. Fehlen nur die Angestellten in bunten Tierkostümen.

Gegen Aufpreis erhält man Zugang zum Badebereich: viel Glas, eine blaue Lagune mit üppiger Bepflanzung, Felsengrotten, Wellenbad und Rutschbahn. Gleich daneben die Saunalandschaft, in der sich vor allem Erwachsene aufhalten.

In Markneukirchen steht die größte spielbare Geige der Welt

Die Folgen einer solchen Rundumversorgung zeigen sich bei einer Pistenpause in der Zeltbar. Ein Gast aus Osnabrück beschwert sich beim Barkeeper, dass im Städtchen Schöneck „nach neun Uhr abends keine Sau mehr auf der Straße ist“. Der zuckt nur mit den Schultern. Wer im IFA Ferienpark logiert, muss das Hotel im Prinzip nie verlassen.

Dabei gäbe es im Vogtland und insbesondere im „Musikwinkel“ um Klingenthal viel zu sehen. In Markneukirchen steht beispielsweise die größte spielbare Geige der Welt mit einer Höhe von 4,27 Metern. In Falkenstein ist die Sagengestalt „Moosmann“ zu Hause. Und von einem Reiterhof in Erlbach aus fahren Pferdeschlitten durch die weiten Fichten- und Kiefernwälder.

Alles gute Gründe, dem Familienzirkus für einige Stunden zu entfliehen. Wenn man denn will.

REISETIPPS FÜR SCHÖNECK

PISTE

Einen Sessellift, drei Schlepplifte, einen „magischen Teppich“ für Anfänger, vier Pisten (blau bis schwarz), einen Funpark und einen Übungshang gibt es in der „Skiwelt Schöneck“. Alle Abfahrten sind sehr kurz und daher für anspruchsvolle Skifahrer eher ungeeignet, für Kinder hingegen ideal.

ESSEN UND SCHLAFEN

Wer in den Skiurlaub nach Schöneck reist, findet im IFA Hotel und Ferienpark drei Restaurants. Davon bietet eines ein eigenes Kinder-Buffet. Für Hausmannskost oder einen Imbiss lohnt sich ein Besuch in der Meilerhütte, die direkt an der Langlaufloipe gelegen ist.

FREIZEIT

Im IFA Hotel sind neben den 319 Zimmern auch Apartments für Familien und Gruppen vorhanden. Im Freizeitbereich gibt es dort ein Erlebnisbad samt Wildwasserrutsche und Wellenbad sowie eine Saunalandschaft, dazu diverse Freizeitangebote vom Billardtisch bis zum Raumschiffsimulator in der „Space Station“. Die Kleinstadt Schöneck ist verschlafen, dafür gibt es im Umland viele Ausflugsziele. Flyer dazu liegen beim Empfang des Hotels aus.

Jáchymov: auch für einen Kururlaub ideal

Aus einer anderen Zeit. Das Kurhotel Radium Palace in Jáchymov wurde vergangenes Jahr aufwändig renoviert.
Aus einer anderen Zeit. Das Kurhotel Radium Palace in Jáchymov wurde vergangenes Jahr aufwändig renoviert.
© Borivoj Horinek

Wer an einen tschechischen Kurort denkt, dem fällt Karlsbad ein, vielleicht noch an Marienbad – aber nicht an Jáchymov. Dabei hat der Ort die Welt der Kurbäder verändert. Und auch der Durchbruch als Wintersportort war der Stadt am Fuß des Keilbergs, vier Autostunden von Berlin entfernt, noch nicht vergönnt. Dazu fehlt ihr eine Kleinigkeit.

Das nahe gelegene „Skiareal Klínovec“ steht selbst im Vergleich mit Resorts in der Schweiz und Österreich gut da. Eine unglaubliche Aussicht über die böhmischen Wälder vor Augen, schwingt man sich vom höchsten Gipfel des Erzgebirges (1244 Meter) auf schön angelegten Pisten ins Tal. Seit 2011 investierten die privaten Inhaber des Skigebiets fast 20 Millionen Euro in die Anlagen (zehn Millionen aus Töpfen der EU). Das ist leicht zu erkennen. Moderne Sessellifte mit orangen Windhauben überall. Unzählige Schneekanonen sorgen auch bei wenig Niederschlag für Schneesicherheit. Mehr als 18 Kilometer Abfahrt gehören heute zum Skigebiet – die längste Piste nach Jáchymov ist über 3000 Meter lang.

Von dort stammte auch die „Pechblende“, ein würfeliges Abfallmineral der örtlichen Uranfarbenfabrik, aus der Marie Curie und ihr Mann Pierre 1898 in Paris erstmals radioaktives Radium und Polonium isolieren konnten. Zwei neue chemische Elemente waren gefunden. 1911 erhielt Curie für ihre Entdeckungen ihren zweiten Nobelpreis. Im selben Jahr wurde in Jáchymov das weltweit erste Radiumbad eröffnet. Das radiumhaltige Wasser wird dort seither aus unterirdischen Quellen gewonnen und in Kurbäder geleitet.

Die Après-Ski-Bars am Keilberg lassen zu wünschen übrig

1934 starb Curie an Leukämie – die Spätfolge ihrer Arbeit mit dem radioaktiven Material. Die Bäder sind jedoch unbedenklich. In geringen Dosen, wie sie dort zum Einsatz kommen, wirkt Radium heilend, etwa bei Gelenk- und Hautkrankheiten. Heute bieten in Jáchymov drei große Hotels Kuren an. Jährlich checken bis zu 22 000 Gäste ein, um sich behandeln zu lassen. Am bekanntesten ist das Radium Palace, untergebracht in einem frisch renovierten neoklassizistischen Bau.

Die anderen Kurhotels Béhounek und Curie haben zuletzt mehrere Häuser im Ort zu Pensionen umgebaut. Auch um mehr Platz zu schaffen, aber vor allem, weil die Kurgäste nicht gestört werden sollen von der wachsenden Zahl von Wintersport-Besuchern. Diese werden seither in den Außenstationen untergebracht.

Nun ist bekanntlich jedes Skigebiet nur so gut wie sein Après-Ski. Was das angeht, wird man am Keilberg nicht glücklich. Zum Glück dauert die Fahrt ins deutsche Oberwiesenthal nur 17 Minuten. Dort lohnt sich ein Besuch im Prijut12, das seinen Namen einer kaukasischen Schutzhütte verdankt. Wände aus dunklem Holz, unzählige Fahnen und Schilder als Dekor, Berghüttencharme. Hier treffen sich Familien zum Umtrunk und Skilehrer zum Feierabendbier. Schicker ist die moderne Kiwis-Lounge im Dorfzentrum. Die Bar serviert hervorragenden Kaffee, und mit „All Blacks“, der neuseeländischen Art des hochprozentigen Long Island Iced Tea, hat sich hier schon mancher Schneesportler ins Delirium getrunken.

Auf den Fichtelberg führt nur ein alter Einzelsessellift

Von der Spitze des Keilbergs fährt ein Shuttle-Bus Besucher in zehn Minuten gratis zum Fichtelberg, dem Oberwiesenthaler Hausberg. Für die Schwester-Resorts gibt es schon heute einen gemeinsamen Skipass (42 Euro für anderthalb Tage). In den nächsten Jahren sollen sie auch über einen Lift verbunden werden.

Doch sind es ungleiche Schwestern. „Oberwiesenthal ist ein Skilifte-Museum“, warnen zwei Potsdamer Gäste auf einer der neuen Sesselbahnen auf tschechischer Seite. Ganz falsch liegen sie damit nicht: Am Fichtelberg trägt ein alter Einzelsessellift aus den 60er-Jahren Gäste den Hang hoch. Die Oberwiesenthaler Schwebebahn – die älteste Deutschlands – läuft sogar schon seit 1924. Vor kurzem wurde sie für 1,2 Millionen Euro aufwändig saniert. Zu vielen Pisten muss man sich aber von teils 20 Jahre alten Schleppliften hochziehen lassen. Nostalgiker mögen sich an solchen Relikten erfreuen. Bequem Skifahren geht anders. Einen Lichtblick gibt es: In nächster Zeit sollen zum einzigen neueren Sessellift zwei weitere dazukommen.

Für sich betrachtet ist keine der beiden Schwestern perfekt. Der einen fehlt es an Komfort, der anderen an Geselligkeit. Wenn aber Fichtel- und Keilberg bald noch näher zusammenrücken, werden sie auch für alpine Skiorte eine echte Konkurrenz.

REISETIPPS FÜR JACHYMOV

PISTE

Das „Skiareal Klínovec“ bei Jáchymov bietet alles, was Schneesportler sich wünschen. Variantenreiche Pisten, sehr moderne Liftanlagen, die meisten Abfahrten sind per Sessellift erreichbar. Das benachbarte Skigebiet Oberwiesenthal (von der Spitze des Keilbergs per Shuttlebus angeschlossen) ist zwar ordentlich groß. Wer nicht gerne Schlepplift fährt, wird dort jedoch nicht glücklich.

ESSEN UND SCHLAFEN

Das gastronomische Angebot in Jáchymov ist – außerhalb der Kurhotels – nicht besonders groß. Preiswerte böhmische Küche gibt es aber beispielsweise in der Pension Vzhuru Nohama. Kulinarisch ist das nahe gelegene Oberwiesenthal die bessere Wahl. Sehr zu empfehlen sind dort zum Beispiel das international-rustikal aufgestellte Restaurant „Jens Weißflog“ oder die Burger im „Kiwis“.

FREIZEIT

Jáchymov ist vor allem als Radium-Kurort bekannt. Sehenswert ist das frisch renovierte Kurhotel Radium Palace, das in einem neoklassizistischen Gebäude untergebracht ist. Schneesportler, die nicht kuren, haben im Aquacentrum Agricola die Möglichkeit, sich nach der Piste zu erholen. Für Après-Ski ist Jáchymov ungeeignet. Auch dafür lohnt sich die 17-minütige Fahrt nach Oberwiesenthal ins Prijut 12.

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