2000 Tage BER-Nichteröffnung: Was rund um den Flughafen sonst noch Ärger macht
Lärmschutz, Tegel-Streit, Air-Berlin-Pleite, Verkehrsanbindung: Es sind nicht nur die Baumängel, die am BER Probleme bereiten. Ein Überblick.
Der Lärmschutz ist erst in wenigen Häusern eingebaut. Die Bahn kann nicht fahren, wie sie soll – und der Taxi-Streit bleibt ungelöst. Nur das Hotel funktioniert, allerdings ohne Gäste. Eine Übersicht der Probleme abseits der Baustelle.
LÄRMSCHUTZ
Theoretisch haben die BER-Anwohner den wohl besten Lärmschutz an einem Flughafen weltweit. Erfochten allerdings erst nach einem Richterspruch. Die Flughafengesellschaft hatte den Planfeststellungsbeschluss zum Lärmschutz zunächst für sich so ausgelegt, dass sie glimpflicher davon gekommen und der Krach tagsüber dafür lauter geworden wäre. Inzwischen nimmt man an, dass der bei Gericht durchgesetzte Lärmschutz insgesamt rund 750 Millionen Euro kosten wird. Veranschlagt war ursprünglich weit weniger als die Hälfte der Summe.
Anspruchsberechtigt sind rund 26.000 Wohneinheiten. Im Tag- und Nachtschutzgebiet liegen etwa 14.250 Wohneinheiten, im reinen Nachtschutzgebiet weitere 11.750. Von 12.953 eingereichten Anträgen für das Tag- und Nachtschutzgebiet waren Ende Oktober nach Angaben der Flughafengesellschaft 89 Prozent abgearbeitet; im ausschließlichen Nachtschutzgebiet waren 96 Prozent der 8108 Anträge erledigt. Nicht jeder Raum eines Hauses oder einer Wohnung ist dabei nach den Vorgaben schützenswert. Anwohner wollen hier in weiteren Klagen erreichen, dass alle Wohnräume – unabhängig von der Höhe oder Größe – schallschluckende Einbauten erhalten.
Den Einbau müssen die Eigentümer nach dem Okay der Flughafengesellschaft selbst beauftragen. Im Tag- und Nachtschutzgebiet waren am Stichtag 31. Oktober allerdings nur bei 177 Einheiten die Einbauten erfolgt. Dagegen gab es 5645 Entschädigungszahlungen, die fällig werden, wenn die Kosten des Lärmschutzes 30 Prozent des Verkehrswertes des Hauses übersteigen. Die Flughafengesellschaft appelliert an die Betroffenen, sich mit dem Geld trotzdem den Schutz einbauen zu lassen. Im Nachtschutzgebiet waren immerhin 1694 Maßnahmen komplett umgesetzt.
Auch das Nachtflugverbot garantiert keine absolute Ruhe. Es gilt zwar von 0 Uhr bis 5 Uhr, doch Ausnahmen, etwa für Regierungsflüge, sind zulässig. Zwischen 23.30 Uhr und 24 Uhr sowie von 5 Uhr bis 5.30 Uhr sind nur Landungen bei verspäteten oder zu früh eintreffenden Flugzeugen erlaubt. Zudem ist von 22 Uhr bis 24 Uhr und von 5 Uhr bis 6 Uhr die Zahl der Flüge begrenzt.
Brandenburg will nach einem erfolgreichen Volksbegehren den Nachtschutz erweitern, scheitert aber bisher am Widerstand von Berlin und dem Bund. Auch die Wirtschaft spricht sich dagegen aus, weil Flüge in den so genannten Randzeiten für Interkontinental-Strecken unerlässlich seien. Allerdings hat Berlin zuletzt signalisiert, eine Ausdehnung des Flugverbots auf 6 Uhr prüfen zu wollen.
TEGEL
Unklar ist derzeit nach dem erfolgreichen Volksentscheid zum Weiterbetrieb von Tegel, ob der BER Alleinstandort für den Linienflugverkehr der Region Berlin-Brandenburg bleibt. Nach wie vor gibt es unterschiedliche Auslegungen, ob – bei entsprechendem politischen Willen – ein Offenhalten auch rechtlich möglich ist. Nach derzeitigem Stand müsste der Flugverkehr spätestens ein halbes Jahr nach der vollständigen Inbetriebnahme der beiden Start- und Landebahnen am BER geschlossen werden – unabhängig von der Eröffnung des neuen Terminals.
Um keine Lex Tegel zu schaffen, hat man bei den vorübergehenden Nutzungen der neuen Südbahn die Piste nicht in der vollen Länge von vier Kilometern freigegeben. Ob man mit diesem Trick auf Dauer – oder zumindest die nächsten Jahre – Tegel in Betrieb lassen könnte, ist allerdings fraglich. Da so oder so schon Klagen angekündigt sind, dürfte sich die Sache wieder erst vor Gericht entscheiden. Und das kann dauern.
Den Weiterbetrieb von Tegel begründen die Befürworter mit der ihrer Ansicht nach unzureichenden Kapazität am BER. Die Flughafengesellschaft hat aber inzwischen einen „Masterplan“ für den weiteren Ausbau vorgelegt, der dazu führen soll, dass auch bei einem weiteren Anstieg der Passagierzahlen alle Flüge über den BER laufen können.
AIR BERLIN
Die Pleite von Air Berlin hatte bei den Planern niemand auf dem Schirm. Der BER sollte zum Drehkreuz des Berliner Unternehmens werden – mit Flügen in alle Welt. Im BER-Terminal war der gesamte Südpier für Air-Berlin-Flüge ausgelegt. Auch eine Lounge ist vorhanden. Aus dem Drehkreuz wird nun nichts, auch wenn andere Fluggesellschaften zumindest einen Teil der Air-Berlin-Verbindungen übernommen haben oder es noch werden.
Air Berlin hatte beispielsweise mehrere Ziele in den USA angeflogen; Lufthansa bietet derzeit dagegen aus der Erbmasse nur eine Verbindung nach New York an. Und der Billigflieger Easyjet, der 25 Air-Berlin-Flugzeuge übernehmen will, plant zwar von Januar an mit ersten Flügen von Tegel aus, hat sich zu Zielen aber noch nicht geäußert.
ANBINDUNGEN
Kernprojekt beim BER ist die schnelle Fahrt auf der Schiene. Alle 15 Minuten in 20 Minuten vom Hauptbahnhof zum BER – mit Halt am Potsdamer Platz und in Südkreuz – ist das Ziel. Erreicht wird es aber nicht vor 2026, denn erst dann ist frühestens der Ausbau der Dresdner Bahn abgeschlossen, auf der der Flughafen-Express, FEX genannt, entlang rauschen soll. Der Ausbau hat sich um Jahre verzögert, weil Anwohner einen Tunnel durch Lichtenrade gefordert hatten. Ihre Klage war vor dem Bundesverwaltungsgericht am Ende aber gescheitert.
Bis die Dresdner Bahn fertig ist, muss der FEX andere Wege nehmen. Ein Zwischenziel kann er aber wenigstens erreichen: Die Fahrt vom Hauptbahnhof über Gesundbrunnen und am Ostkreuz vorbei zum Flughafen. Weil eine fehlende Brücke am Wiesenweg zwischen Frankfurter Allee und Ostkreuz den direkten Weg verhinderte, wollten die Planer den Airport-Express als Ringlinie betreiben: zum BER vom Hauptbahnhof über Südkreuz und zurück zum Hauptbahnhof über Lichtenberg und Gesundbrunnen; mit unterschiedlichen Fahrzeiten bei der Hin- und Rückfahrt.
Weil das Eisenbahn-Bundesamt jetzt den Einbau der neuen Brücke nach jahrelangen Verzögerungen genehmigt hat, könnten die Arbeiten abgeschlossen sein, bevor der BER eröffnet. Zwei Züge pro Stunde sollen zunächst als Airport-Express fahren. Hinzu kommen die stündlich verkehrenden Linien RE 7 (Dessau–Wünsdorf-Waldstadt) und RB 14 (Nauen–Flughafen) sowie die Fahrten der S-Bahn im 10-Minuten-Takt. Mehr als die Hälfte der Passagiere und Beschäftigten am Flughafen soll, so sehen es die Pläne vor, mit dem Zug ihr Ziel erreichen.
Auf der Straße erwarten Planer dagegen einen häufigen Stau. Anders als Tegel ist der BER zwar nicht nur über lediglich eine Zufahrt zu erreichen, die Hauptstrecke über die Autobahn A 113 ist aber zumindest in Hauptverkehrszeiten schon heute chronisch verstopft. Und auf Ausweichstrecken quält sich der Verkehr durch Wohngebiete – zu Lasten auch der Anwohner.
TAXIS
Als dicker Brocken erweist sich immer noch ein Problem, das vermeintlich leicht zu lösen ist: Fahrten mit dem Taxi zum und vom BER. Derzeit dürfen nur Berliner Unternehmen Fahrgäste aus der Stadt zum Flughafen nach Schönefeld bringen, umgekehrt sind nur Taxis aus dem Landkreis Dahme-Spreewald für Fahrten vom Flughafen in die Stadt zugelassen. Die jeweiligen Rückfahrten müssen ohne Fahrgäste erfolgen. Das macht die Fahrten betriebswirtschaftlich teuer – und die Leerfahrten belasten die Umwelt zusätzlich. Eine Vereinbarung, die Fahrgastfahrten in beide Richtungen zugelassen hatte, war gekündigt worden, weil man sich nicht über die Modalitäten einigen konnte.
Inzwischen gibt es den Berliner Vorschlag, dass Taxis aus dem Landkreis an fünf vorgegeben Stellen, etwa an Bahnhöfen, auch in der Stadt Passagiere bei der Rückfahrt einsteigen lassen können, wenn dies im Gegenzug auch für Berliner am Flughafen gilt. Dem Landkreis reicht dies aber noch nicht. Und auch beim Preis muss man sich noch einigen. Fahrten mit Taxis aus dem Landkreis sind derzeit teurer als bei den Berliner Kollegen. Und im Dezember sollen die Preise weiter erhöht werden.
GEWERBE
Die Vermarktung von Flächen für Gewerbe, Büros und Hotels hatte schon vor dem geplanten BER Start 2012 begonnen. Und zum Teil erfolgreich abgeschlossen. So sind im Segro Airport Park an der Bundesstraße B 96a in Schönefeld nach Angaben des Betreibers die ersten erschlossenen Flächen voll vermietet, bis Anfang 2018 werde nun erweitert. Woanders tut man sich noch schwer. Auch die vom Flughafen geplante Airport-City vor dem Terminal ruht noch. Es gebe aber ein „lebhaftes Interesse“ an den Flächen, heißt es beim Flughafen.
Kein Glück hatte auch die Steigenberger-Kette. Ihr Hotel am Flughafen ist zwar längst fertig, befindet sich aber im „Stillstandsbetrieb.“ Es werde so gepflegt und gewartet, dass es jederzeit kurzfristig eröffnen kann, sagte eine Sprecherin. Um das Haus instand zu halten, müssen unter anderem regelmäßig die Wasserhähne aufgedreht und die Leitungen gespült werden. Das Licht wird ein- und ausgeschaltet, die Zimmer geputzt. Rund um die Uhr ist Security im Haus - auch als Brandschutz. Auch die Rezeption ist stets besetzt. Zusätzlich arbeiten vier Techniker und vier Housekeeper im Hotel. Nur die Gäste fehlen weiter.