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 Bernd Palenda leitete von 2013 bis 2018 die Abteilung für Verfassungsschutz in der Senatsinnenverwaltung.
© Michael Kappeler/dpa

Bernd Palenda: Warum Berlins Verfassungsschutzchef um seine Versetzung bittet

Der Konflikt zwischen Innenstaatssekretär Akmann und dem Verfassungsschutzchef kulminiert im Versetzungsgesuch Palendas. Wie konnte es soweit kommen? Eine Spurensuche.

Es war vor allem ein Konflikt zwischen zwei Männern, der schön länger schwelte: zwischen Berlins Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) und Verfassungsschutzchef Bernd Palenda. In der Innenverwaltung war bereits früh zu hören, die Chemie zwischen beiden stimme nicht.

Akmann gilt als Detailfanatiker, der bei den Sicherheitsbehörden „tief reinregiert“, wie ein Insider sagt. Palenda als Abteilungsleiter des Nachrichtendienstes und der im Februar geschasste Polizeipräsident Klaus Kandt hätten sich dadurch häufiger drangsaliert gefühlt. In der Verwaltung selbst heißt es dagegen, dass Palenda erstmals einen Staatssekretär vor sich gehabt habe, der etwas von dem Metier versteht. Damit sei Palenda nicht zurecht gekommen.

Und nun hat er offiziell um seine Versetzung gebeten. Im Vordergrund geht es angeblich um eine neue Kontrolleinheit, die den Verfassungsschutz schärfer prüfen soll. Jedenfalls ist das für Akmann eine Lehre aus den NSU-Untersuchungsausschüssen im Bundestag. Vermutlich war die neue Kontrolleinheit nur der Anlass. Denn Palenda soll schon einmal im Herbst 2017 um meine Versetzung gebeten haben. Eine einvernehmliche Lösung gab es nicht.

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Erbitterter Briefwechsel

Es ist aber auch mehr als nur ein Berliner Konflikt. Die Verfassungsschutzbehörden in den Ländern sehen mit Argwohn, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, die Kompetenzen seiner Behörde ausweiten möchte. Maaßen forderte Ende 2017 in einem Brief an die Chefs der Landesbehörden ein „länderübergreifendes Direktionsrecht“, er hält die Länder bei der Beobachtung potenzieller islamistischer Terroristen für überfordert.

Palenda hingegen ist einer der lautesten Kritiker diese Linie. Er legte sich mit Maaßen an, schickte Maaßen eine durchaus kräftig intonierte Antwort zurück. Das gefiel Akmann, der Ende 2016 aus dem Bundesinnenministerium in den Berliner Senat gewechselt war, überhaupt nicht. Und Innensenator Andreas Geisel war über den Brief nicht informiert – und stinksauer.

Die Spitze der Innenverwaltung betrachtet das als reine „Antihaltung“ gegenüber dem Bund. Auch fachlich wird dem 57-Jährigen einiges vorgeworfen. So habe sich Palenda geweigert, sich stärker mit der Cyberkriminalität zu beschäftigen und „notwendige Strukturveränderungen in der Behörde torpediert“. Auch im Fall des Attentäters Anis Amri hat die Berliner Behörde kein gutes Bild abgegeben, befindet sich dabei allerdings in bester Gesellschaft. Versäumnisse gab es bekanntlich bei mehreren Behörden innerhalb wie außerhalb Berlins.

Palendas Verdienste sind dennoch nicht zu bestreiten – seit er 2013 nach den Skandalen seiner Vorgängerin Claudia Schmid um geschredderte Neonazi-Akten das Amt übernommen hatte. Alle relevanten Demonstrationen, ob islamistisch, rechts- oder linksextremistisch, hatte sich Palenda vor Ort angesehen. Er konnte über jede Flagge, jede Führungsfigur und jeden Hintergrund referieren.

Palenda erhält Lob und Solidarität von vielen Seiten

Erst im Januar legte der Verfassungsschutz eine aufwändig recherchierte Lageanalyse zur Berliner Salafisten-Szene vor. Die Tiefenstudie gilt im Verfassungsschutzverbund als Vorbild. Es gelang Palenda auch, den brisanten Konflikt mit der Neuköllner Dar-as-Salam-Moschee um die Nennung im Verfassungsschutzbericht zumindest in der ersten Runde juristisch für sich zu entscheiden.

Das Verwaltungsgericht wies im April den Antrag des Moscheevereins „Neuköllner Begegnungsstätte (NBS)“ auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück. In den Jahresberichten seit 2014 werden der NBS Verbindungen zur islamistischen Muslimbruderschaft bescheinigt. Der Verein hat sich inzwischen an das Oberverwaltungsgericht gewandt.

Lob bekommt Palenda von vielen Seiten. Stephan Krämer, Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, lobte Palenda als „erfahren, kompetent und professionell“. Palenda genieße in Politik, Öffentlichkeit und Sicherheitskreisen, über die Grenzen Berlins hinaus hohes Ansehen und Vertrauen, was für den Verfassungsschutzverbund nach all den Pannen und Skandalen fast schon ein Novum ist.

"Einen bundesweit anerkannten Experten so vor die Tür zu treiben, hat mit Anstand nichts mehr zu tun"

„Der aktuelle Versuch ihn zu diskreditieren und kaltblütig aus dem Weg zu schaffen ist der durchsichtige Versuch, die funktionierenden, föderalistischen Strukturen des Verfassungsschutzverbundes zu beschädigen und zu schwächen“, sagte Krämer dem Tagesspiegel. Er sprach von „Intrigen, Verdächtigungen und falschen Anschuldigungen hinter den Kulissen“. Enttäuschend sei, dass sich die politische Führung in Berlin an solchen Intrigen und Machtspielen führend beteilige.

Ähnlich scharf formulierte der Verfassungsschutz-Experte der SPD, Tom Schreiber: „Einen bundesweit anerkannten Experten so vor die Tür zu treiben, hat mit menschlichem Anstand nichts mehr zu tun.“ Schreiber warf Akmann vor, einen Vertrauten aus dem Bundesinnenministerium oder aus dem BfV installieren zu wollen – so war auch die Nachfolge des Polizeipräsidenten gelöst worden, als Kandt abgesetzt und durch Barbara Slowik ersetzt wurde.

Schreiber kritisierte, die Innenverwaltung wolle „den Verfassungsschutz politisch lenken und leiten. Das geht nicht.“ Die Behörde brauche „Beinfreiheit“. Auch Grünen-Innenexperte Benedikt Lux bedauerte Palendas Rückzug. Der habe die Behörde auf Vordermann gebracht, erneuert und „gut vertreten und war immer sehr kundig“.

Auch Kurt Wansner, der die CDU im Verfassungsschutzsausschuss des Abgeordnetenhauses vertritt, kritisierte den Umgang mit Palenda: „Von einem arroganten Innenstaatssekretär heruntergeputzt zu werden, ist eine Zumutung.“ Nach Polizeipräsident Kandt sei nun der zweite fähige Beamte rausgeworfen worden.

"Das wird dieser Stadt nicht gut tun"

Wansner warf dem SPD-Mann Akmann vor, „alles zu zerschlagen“. Der Abgang von Palenda sei eine Schwächung des Verfassungsschutzes, „das wird dieser Stadt nicht gut tun“. Die CDU fordert am Donnerstag eine Sondersitzung des Ausschusses, auch Tom Schreiber begrüßte das: „Das muss aufgearbeitet werden.“ Und Marcel Luthe (FDP) hielt Geisel und Akmann vor, sie benähmen sich wie die Axt im Walde.

Niklas Schrader (Linke) dagegen sagte, eine stärkere Kontrolle des Verfassungsschutzes selbstverständlich. „Ich bin verblüfft, dass es die bislang noch nicht gegeben hat. Wenn der Behördenleiter damit nicht einverstanden ist, ist sein Abgang nur folgerichtig.“ Traurig ist Schrader über den Abgang nicht: Palenda habe „die alte Schlapphutmentalität“ vertreten. Innensenator Geisel muss jetzt entscheidet, ob er Palendas Antrag auf Versetzung stattgibt. (mit axf)

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