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Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel auf dem Berliner Landesparteitag der Linken: „Kämpfen um Freiräume“.
© DAVIDS

Parteitag der Berliner Linken: Stadtentwicklungssenator Scheel: „Wir kämpfen um Freiräume“

Mitten in der Pandemie hält die Berliner Linke einen Parteitag ab. Erstmals seit seiner Ernennung spricht Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel.

Der Parteitag der Linken im Hotel Estrel startet mit einer Rede von Verdi-Mitarbeitern der Charité CFM Facility Management GmbH. Die Mitarbeiter der Tochtergesellschaft der Charité streiken seit einer Woche. Sie fordern einen Tarifvertrag in Angleichung des geltenden Tarifvertrags für Charité-Mitarbeiter.

„Wir wollen würdige Arbeitsbedingungen bei der CFM“, forderten Verdi-Mitglieder am Samstag im Estrel. Der Parteitag der Linken ist der erste Berliner Parteitag, der nicht virtuell, sondern reell stattfindet mit einem umfassenden Hygienekonzept und viel Platz zwischen den Sitzreihen und Plätzen. Es werden rund 180 Delegierte erwartet. Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer wird zum Auftakt der Generaldebatte gegen 10.45 Uhr eine Rede halten.

Bevor Lederer das Wort übernimmt, wandte sich Parteichefin Katina Schubert an die Genossen. Corona verschärfe die strukturelle Ungleichheit. Berlin als Dienstleistungsmetrolopole sei von der Pandemie besonders hart betroffen. „Die Zahl der Erwerbslosen und Hartz-IV-Beziehenden steigt ständig.“

Mit Milliardenprogrammen hätten Bund und Länder auf die Krise reagiert. Schubert betonte, dass der Senat „sehr schnell“ reagiert habe und mehr tue als die Bundesregierung. Sie nannte die Soforthilfen im Kulturbereich. Die Krise werde zu „massiven Verteilungskämpfen“ führen zu Lasten derjenigen, die auf den Sozialstaat angewiesen seien. Die Schuldenbremse sei ein „Krisenbeschleuniger, wenn sie gilt“.

Die Linke müsse „jede Chance nutzen, um die Schuldenbremse und das neoliberale Dogma vom zurückhaltenden Staat endgültig zu brechen“. Die Linke müsse für einen neuen „Green new deal“ kämpfen, der die Klima- und die Beschäftigungskrise in den Fokus nimmt, Produktionsweisen klimagerecht umstellt und die Arbeitszeiten mit Lohnausgleich verkürzt.

Linke fordert Mietendeckel für Gewerbe

Schubert bedankte sich bei Ex-Senator Harald Wolf und den früheren Fraktionschefs Udo Wolf und Carola Bluhm für ihre jahrelange Arbeit. Dafür erhielten sie langen Applaus. Der Rücktritt von Katrin Lompscher habe die Linke „kalt erwischt“. Sie sei sich aber sicher, dass Lompscher der Partei weiter „mit Rat und Tat zur Seite steht“. Sie dankte Sebastian Scheel, dass er als Nachfolger „den großen Schritt“ gewagt habe.

Wohnungs- und Mietenpolitik ist das Schlüsselthema für die Berliner Linke. Die Wohnungsunternehmen seien der „Schlüssel für eine sozial gerechte und klimafreundliche Wohn- und Mietenpolitik“, sagte Schubert. Und „es ist gut und wichtig, dass das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen jetzt endlich weitergehen kann“, betonte Schubert. Anfang 2021 solle es „endlich weitergehen“ mit dem Sammeln von Unterschriften.

Um die Verdrängungsprozesse in der Stadt einzudämmen, brauche Berlin auch einen Mietendeckel für Gewerbe. Sollte die aktuelle Bundesratsinitiative des Landes keinen Erfolg haben, müsse man „kreativ nach Lösungen suchen“.

Schubert fordert erneut Untersuchungsausschuss zu rechtem Terror

Schubert ging erneut auf die Absichtserklärung ein zwischen der Signa-Gruppe für die Karstadt-Kaufhof-Warenhäuser und dem Land Berlin ein. Zwar seien vier der sechs Filialen vorerst gerettet worden. Aber der Preis dafür „kann sehr hoch werden“. Schubert bezeichnete schon im Vorfeld das Agieren von Signa mit „Erpressungsstrategien“ gegenüber dem Land.

Auf dem Parteitag sagte sie, die Politik müsse sich aus dieser „strukturellen Erpressbarkeit“ befreien. Die Bezirke und Anwohner müssten direkt in die Pläne für die Umstrukturierung der Standorte einbezogen werden. Sie ging auf den rechten Terror und die Anschläge gegen Bürger und Politiker ein und forderte erneut einen Untersuchungsausschuss in Berlin, um mögliche rechtsextreme Netzwerke in den Sicherheitsbehörden aufzudecken.

Das Superwahljahr 2021 werde für die Linke entscheidend. „Nur wenn wir stark sind, können wir genug Druck für einen Politikwechsel auf der Bundesebene entfalten.“ Sie sprach sich für eine Landesliste der Linken für Berlin aus, über die der Parteitag am Sonnabend noch abstimmen wird. Die Linke wird wohl die Aufstellung von Landeslisten beibehalten.

Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer spricht auf dem Parteitag der Berliner Linken.
Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer spricht auf dem Parteitag der Berliner Linken.
© Sabine Beikler

Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer ging auf die Corona-Hilfen ein und forderte weiter Soforthilfen für kleine und mittelständische Unternehmen. Alles, was in Berlin an Unterstützung aufgebracht wurde, sei „ein Gemeinschaftserfolg von R2G“. Und Lederer dankte Lompscher als enge Freundin von ihm noch einmal für ihre Arbeit. Das sei ihm „ziemlich in die Magengrube gegangen“, dass ihr so ein Fehler unterlaufen sei, der die Konsequenz des Rücktritts nach sich zog.

Lederer schnitt in seiner Rede diverse Themen kurz an. „Wir brauchen eine bedarfsgerechte Stadt“, forderte Lederer. Der Fokus dürfe nicht auf die Innenstadtbezirke liegen. Im Fall Karstadt Signa habe man viele ältere Frauen vor der Arbeitslosigkeit gerettet. „Der Skandal ist nicht, dass wir uns zu einer Entscheidung durchringen mussten. Der Skandal sind die Verhältnisse, die Konzerne, die Macht verschaffen, uns überhaupt vor eine solche Entscheidungssituation zu stellen“.

Wenn Signa die Kündigungen bisher laut Gerüchten nicht zurückgenommen habe, fühle man sich an diese Vereinbarung nicht gebunden. Die Vereinbarung sei „kein Freifahrtschein“ für Signa. Eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung sei gerade in einer Krisenzeit elementar.

Klimaschutz: „Kein grünes Elitenthema“

Die Stadt werde immer trockener, sie habe sich bereits dauerhaft um drei Grad erwärmt. Klimaschutz sei auch „kein grünes Elitenthema“, er sei Teil der sozialen Frage des 21. Jahrhunderts. Aus Klimapolitik müsse Sozialpolitik werden. Das sei Aufgabe der Linken.

Mit Rot-Rot-Grün sei ein „ progressiver solidarischer Politikwechsel“ begonnen worden. „Visionen sollten wir uns leisten, Illusionen nicht.“ Mit der Schuldenbremse würden die finanziellen Spielräume nicht größer, im Gegenteil. Lederer sagte, öffentliche Infrastruktur dürfe nicht verfallen. „Aber die materiellen Möglichkeiten einer Landesregierung sind begrenzt.“

Die Wahl 2021 biete eine Chance für eine Politikwechsel im Bund, ein Mitte-Links-Bündnis, das Wohnungsbau in den Städten massiv fördern würde. „Es ist möglich, wir können in Berlin dazu einen Beitrag leisten.“

Aktivist wirft Signa Erpressung vor

Rouzbeh Taheri, einer der Sprecher der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, fand in der Aussprache klare Worte zu Signa. Er glaube, dass der Konzern „Arbeitsplätze als Erpressungsmasse“ eingebracht habe. „Aber Erpressung hört nicht bei einmal auf“, sagte Taheri. Die abgeschlossene Absichtserklärung sei nicht das „Ende der Geschichte“. Signa wolle „eigene Profitinteressen knallhart“ umsetzen.

Da brauche es Widerstand in der Politik und Stadtgesellschaft. Der Kampf um Karstadt am Hermannplatz, in der City West und am Alexanderplatz sei erst am Anfang. „Wir akzeptieren diesen Deal nicht. Wir werden diesen Deal mit allen Mitteln der Zivilgesellschaft bekämpfen“, sagte Taheri.

Erstmals nach seiner Ernennung am Donnerstag sprach Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel zu seinen Parteifreunden. Und er sprach kämpferisch. Es wurde sehr deutlich, dass er den Kurs seiner Vorgängerin Lompscher weiterführen wird. Die Menschen kämen hierher, weil sie sich hier Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten, Arbeit zu finden, erhofften.

Scheel: „Linke hat Kumpanei mit Immobilienwirtschaft beendet“

Das rufe auch das Kapital auf den Plan. „Wir haben es mit Auseinandersetzungen zu tun“, die mit Verwertung von Boden und Wohnungen zu hätten, die im Konflikt mit den Bedürfnissen der Berliner zu stünden. Es geht in der Auseinandersetzung um das „Recht auf Stadt für diejenigen, die hier leben“, sagte Scheel unter Applaus der Delegierten.

Anders als sonst tagt die Berliner Linke nicht in Adlershof, sondern im Hotel Estrel in Neukölln.
Anders als sonst tagt die Berliner Linke nicht in Adlershof, sondern im Hotel Estrel in Neukölln.
© Sabine Beikler

Das sei „ein zähes Ringen“, dafür reichten nicht nur linke Posen oder radikale Reden, sondern es brauche Lösungen, Mut und Kreativität. „Wir haben uns mit Konzern Deutsche Wohnen angelegt“, betonte Scheel. Der Konzern habe sich in der Karl-Marx-Allee zurückziehen müssen.

Die Volksinitiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ sei ein „klares Signal“, dass es hier um das Gemeinwohl gehe. „Auf der Seite des Gemeinwohls stehen wir.“ Mit dem Mietendeckel habe man ein wichtiges Signal gesetzt im Kampf um faire Mieten gegen Maximalprofite. Und mit dem Zweckentfremdungsgesetz habe man sich mit den „Plattformkapitalisten dieser Welt“ angelegt.

Stadtentwicklungssenator sucht Nähe zu Genossenschaften und Wohnungsbaugesellschaften

Das müsse „nachgeschärft“ werden. Die Linke habe die „jahrzehntelange bedingungslose Kumpanei mit der Immobilienwirtschaft beendet“, sagte Scheel. In Bezug auf Neubau betonte Scheel, dass viel zu teuer gebaut wurde. „Es geht nicht darum, wie viel gebaut wird, sondern vor allem was gebaut wird.“ Wenn man Partner ernst nehmen wolle, könne er nicht nachvollziehen, „dass sie mit Schattenmieten versuchen den Mietendeckel auszuhebeln. Das ist keine Partnerschaft, das ist eine toxische Beziehung“, rief Scheel.

Partner müssten auf Ausgleich der Interessen aus sein. „Wir werden weiter konsequent Politik für die Interessen der Mieter machen.“ 16 grüne Stadtquartiere werden gebaut. „Wir kämpfen um Freiräume, um Grünflächen, um Kleingärten“. Der gemeinwohlorientierte Sektor, die Genossenschaften, die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften seien erste Ansprechpartner für die Linke.

„Wir diskutieren mit ihnen über eine Kooperationsvereinbarung.“ Aber dennoch habe man „Nachholbedarf“, der Versorgungsauftrag müsse erweitert werden. Es gebe zu wenig Wohnraum für sozial Schwache in der Stadt. Wie bisher solle jede zweite Wohnung an sozial Schwache vermittelt werden. Aber dass darüber gesprochen wird, dass die Quartiere kippen, wenn Geringverdiener Wohnungen erhalten, „ist rein zynisch“. Er kämpfe für höhere Quoten im Bestand und Neubau für Menschen in Not.

Dieser Beitrag wird laufend aktualisiert.

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