Demo, Böllerverbot, Kontaktbeschränkung: So bereitet sich die Berliner Polizei auf das Corona-Silvester vor
Der Jahreswechsel wird für die Berliner Polizei eine besondere Herausforderung, Innensenator Geisel spricht von einer „völlig neuen Erfahrung“.
Klar ist jetzt schon: „Dieses Silvester wird eine völlig neue Erfahrung.“ So sagte es Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Eine Demonstration der Querdenken-Bewegung, Gegenproteste, Böllerverbotszonen in der Pallasstraße im Schöneberger Steinmetzkiez und auf dem nördlichen Alexanderplatz, dazu der Schutz der Impfzentren – die Polizei stehe vor großen Herausforderungen, erklärte der Innensenator.
Die Zahl der Einsatzkräfte werde aber sehr begrenzt sein, Es sei kaum mit Unterstützung aus anderen Bundesländern zu rechnen. „Ich gehe davon aus, dass Silvester in nahezu jedem Bundesland eine Großlage existiert“, sagte Geisel. Er sprach von einer „schwierigen Personalsituation“ am Jahreswechsel. Zumindest rechne er mit Unterstützung der Bundespolizei.
Die Polizei prüft inzwischen, für Silvester, eine sogenannte Dienstfrei-Sperre zu verhängen. Das sagte der Leiter der Direktion Einsatz, Stephan Katte. Er werde den Silvester-Einsatz nach Priorität „wie ein Zwiebelschalensystem“ planen.
Es beginne bei der angemeldeten „Querdenken“-Demonstration auf der Straße des 17. Juni und gehe weiter mit dem Schutz des publikumsfreien Silvesterkonzerts des ZDF am Brandenburger Tor, der beiden Böllerverbotszonen und der Impfzentren.
Hinzu komme das übliche Geschehen am Jahreswechsel. Die Polizei werde voll ausgelastet sein, sagte Katte. Neben 1700 Einsatzkräften der Hundertschaften der Bereitschaftspolizei werden nach Angaben von Polizeipräsidentin Barbara Slowik 900 Kräfte im normalen Funkwagendienst unterwegs sein.
Auch die sogenannten Alarmhundertschaften der örtlichen Direktionen werden aufgestellt. Es sei klar, dass die Polizei nicht „in jedem Wohnzimmer und in jedem Garten vor Ort sein könne“, um das Einhalten des Infektionsschutzes – maximal fünf Personen – zu kontrollieren.
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Mit besonders großer Besorgnis blicke er auf die Corona-Demonstration, sagte der Innensenator. Derzeit führe die Polizei Kooperationsgespräche mit dem Veranstalter, der 20.000 Teilnehmer angemeldet hat. „Unser oberstes Ziel ist es den Infektionsschutz durchzusetzen“, sagte Geisel. Der Anmelder habe bewiesen, dass er nicht gewillt ist, Schutz- und Abstandsregeln einzuhalten.
Beschränkungen der Corona-Demo werden geprüft
Wie mit der Demonstration umgegangen werde, sei noch nicht endgültig entschieden. Mit Blick auf den jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, das ein Demonstrationsverbot in Bremen bestätigt hatte, sagte Geisel: „Wenn wir die Möglichkeit der Beschränkung haben, werden wir das umsetzen.“
Linke-Innenexperte Niklas Schrader warnte, es sei nicht seriös, jetzt schon ein Verbot zu fordern. Dies sei stets im Einzelfall detailliert zu begründen. Der Beschluss beziehe sich nur auf einen konkreten Einzelfall. „Ich warne davor, zu denken, nur weil es in Bremen klappt , können wir das in Berlin auch machen“, sagte Schrader. Zuvor hatte Grünen-Innenexperte Benedikt Lux erklärt, die Entscheidung aus Karlsruhe könne eine Basis für ein Verbot der Corona-Demo sein.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte, zumindest die Teilnehmerzahl zu begrenzen. „Jeder mit Verstand kann sich ausmalen, dass wir diese Baustelle nicht auch noch an Silvester brauchen“, sagte GdP-Landeschef Norbert Cioma. Bei allem Verständnis für die Demonstrationsfreiheit gebe es für Berlins Polizei Besseres zu tun, als stundenlang Tausenden Menschen klarzumachen, dass sie „gefälligst eine Maske aufzusetzen haben“.
Grüne wollen Böllerzeit auf 23 bis 1 Uhr begrenzen, die Linke winkt ab
Silvester bleibt es vorerst wie im vergangenen Jahr bei den Verbotszonen in Schöneberg und am Alexanderplatz. Grund sind regelrechte Böllerschlachten und Angriff auf Einsatzkräfte. Für ein stadtweites Böllerverbot müsste das bundesweit geltende Sprengstoffgesetz geändert werden. Doch die Bundesländer und die Bundesregierung hatten den vor allem auf Betreiben der Grünen eingebrachten Berliner Vorstoß für ein Verkaufsverbot von Pyrotechnik abgelehnt.
Bei den Böllerverboten traten die Fronten innerhalb der rot-rot-grünen Koalition zu Tage. Grünen-Innenexperte Benedikt Lux sagte: „Die Ministerpräsidenten haben den Schuss nicht gehört.“ Um eine Überlastung der Krankenhäuser auch durch Böller-Opfer und größere Menschenansammlungen zu verhindern, müsse Berlin die Zeit für Feuerwerk und Böllerei beschränken.
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Statt wie üblich von 18 Uhr an Silvester bis zum Neujahrsmorgen bis 7 Uhr dürfe dies in diesem Jahr nur von 23 bis 1 Uhr erlaubt sein. Solch eine Regelung sei „natürlich schwer zu kontrollieren“, sagte Lux. Aber damit „kann man es normativ erreichen“, die Verletzungsgefahr zu senken, sodass die Krankenhäuser „nicht volllaufen“.
Der Gesundheitsexperte der Linksfraktion, Wolfgang Albers, widersprach. Die Böllerzeit weiter zu begrenzen führe dazu, dass die Böllerei „verdichtet und gefährlicher“ wird. Dadurch wäre erst recht mehr Verletzungen möglich.
„Knallkörperverletzungen nicht das Hauptbetätigungsfeld“ der Kliniken zu Silvester
Zugleich widersprach Albers der von Lux und den Grünen wiederholten Behauptung, die Krankenhäuser würden durch Bölleropfer überflutet. Nach allen Berichten der Feuerwehr der vergangenen Jahre seien Silvester „Knallkörperverletzungen nicht das Hauptbetätigungsfeld“ der Ambulanzen und Krankenhäuser.
Auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) warnte, man sollte sich hüten, Verbote zu verkünden, ohne zu wissen, wie diese durchzusetzen sind. Klar sei, dass „klare Kante“ gezeigt werden müsse. „Aber wir sollten nicht zu viel besprechen“, sagte Geisel.
Er will dennoch Konsequenzen ziehen und härter gegen den Gebrauch von Schreckschusswaffen vorgehen, mit denen Silvester vermehrt Straftaten und Angriffe auf Einsatzkräfte verübt werden.
Ziel Berlins sei es, über die Bundesebene die legale und illegale Verbreitung und Nutzung vor allem von Schreckschusswaffen, aber auch von Reizgas- und Signalwaffen, deutlich reduzieren. Künftig soll nach dem Willen Berlins bereits für den Kauf ein „Kleiner Waffenschein“ nötig sein.