Vorstoß des Berliner Senats: Diskussion um Böllerverbot zeigt die Arroganz der Großstädter
Es gibt nicht nur die Böllerkrieger aus Neukölln. Zwischen dem über Knaller naserümpfenden Bürgertum und Familien in Brandenburg liegen Welten. Ein Kommentar.
Das Mantra von der „Krise als Chance“ kann wahrscheinlich mittlerweile niemand mehr hören. Der Berliner Senat aber scheint auch nach Monaten des Lebens mit dem Virus die Coronakrise noch als Chance zu betrachten. Zum Beispiel, um endlich ein Böllerverbot zu erwirken. Treiber der Initiative sind vor allem die Grünen. Das Verbot steht seit langem auf ihrer Agenda. Nun wird es als Coronamaßnahme verkauft und soll am Mittwoch im Kreis der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin abgestimmt werden.
Jeder kann zum privaten Feuerwerk stehen, wie er mag. Die Attacken auf Rettungskräfte und regelrechte Böllerschlachten zwischen Jugendlichen haben die Ablehnung in den vergangenen Jahren befördert. Neue Böllerverbotszonen ermöglichten friedliches Feiern, der Erfolg war durchwachsen, der Aufwand enorm.
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Der jetzige Vorstoß Berlins spricht jenen Bürgern und Familien jede Fähigkeit zum selbstverantwortlichen Handeln ab, die seit Monaten die Einschränkungen mittragen. Es geht eben nicht nur um die Knallchargen, jung, männlich, die in Neukölln Krieg spielen. Es geht um die vielen Familien, die im Garten ihres Einfamilienhauses in Karlshorst, die vom Balkon in Friedenau nach diesem Jahr ein Funkeln in den Himmel jagen wollen.
Die Kraft des Symbolischen wird oft genug unterschätzt
Die Kraft des Symbolischen wird oft genug unterschätzt. Die Linke hat das bereits begriffen und setzt eher auf Ausnahmeregeln im Bundesrecht, um mehr Böllerverbotszonen einzurichten. Es gibt eben Unterschiede: Zwischen der Großstadt, ihren Raketenkriegern und ihrem Nase rümpfenden urbanen Bürgertum, das mit Abscheu auf die banalen Knallerfreuden herabblickt, und den Familien in den Dörfern und Kleinstädten ein paar Kilometer weiter in Brandenburg liegen Welten.
Das Böllerverbot ist nicht geeignet, verhältnismäßig oder durchsetzbar
Alles deutet daraufhin, dass der Berliner Radikal-Vorschlag Verhandlungsmasse unter zahlreichen anderen Corona-Regeln ist, über die die Länderchefs mit der Bundeskanzlerin am Mittwoch reden. Bleibt die Frage, ob der Berliner Vorstoß durchdacht ist. Regeln müssen begründet, geeignet, verhältnismäßig und durchsetzbar sein. Das alles ist das Böllerverbot nicht. Das Ziel, Rettungsstellen in Corona-Zeiten zu entlasten, ist durch die Zahlen widerlegt. Die Polizei im gesamten Bundesgebiet auf das Verkaufs- und Böllerverbot anzusetzen, ist ein Wunschtraum. Berlins Vorstoß ist eine Gefahr für die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen.
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In einem Monat ist Heiligabend, eine Woche darauf Silvester. Dass die Einschränkungen weiter bestehen müssen, daran bestehen keine Zweifel. Doch Legitimität staatlichen Handels speist sich daraus, ob es nachvollzogen werden kann. Bei einem deutschlandweiten Verkaufsverbot für Böller und Raketen dürfte das seine Grenzen haben.
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