Berliner Erstklässler 2017: Schulwege werden immer länger
Früher war ein Platz im Einzugsgebiet für Berliner Erstklässler selbstverständlich. In voraussichtlich sechs Bezirken klappt das dieses Jahr aber nicht.
Alle reden vom Schulbau – und jetzt wird zunehmend spürbar, warum: In jedem zweiten Berliner Bezirk gibt es Schulen, in denen nicht mehr alle Erstklässler aus dem Einzugsgebiet aufgenommen werden können. Das betrifft voraussichtlich Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow, Lichtenberg, Mitte, Neukölln und Steglitz-Zehlendorf. In weiteren Bezirken wird es zumindest für die Geschwisterkinder eng. Das ergab eine Tagesspiegel-Umfrage in allen zwölf Schulämtern.
Dabei hätte es dieses Jahr eigentlich entspannter zugehen müssen, denn ein Viertel Jahrgang fällt weg, weil das Einschulungsalter um drei Monate angehoben wurde: Dadurch bleiben dieses Jahr die Schüler, die erst zwischen dem 1. Oktober und 31. Dezember schulpflichtig werden, automatisch in der Kita. Allerdings müssen jene 8500 Kinder versorgt werden, die vergangenes Jahr auf Antrag der Eltern von der Schulpflicht zurückgestellt worden waren. Unterm Strich landet Berlin deshalb wieder bei rund 28400 Erstklässlern - rund 3500 mehr als noch vor fünf Jahren.
Bisher 17 Klagen vor dem Verwaltungsgericht
Schon haben sich die ersten abgewiesenen Familien an das Verwaltungsgericht gewandt: „Im Bereich Aufnahme an der Grundschule sind bislang sind drei vorläufige Rechtsschutzanträge und 17 Klagen eingegangen“, teilte Gerichtssprecher Groscurth auf Anfrage mit. Zum Vergleich: Im Vergleichszeitraum 2016 waren es zwei vorläufige Rechtsschutzanträge und drei Klagen. Angesichts der Gesamtzahl der Verfahren, die jedes Jahr zu bearbeiten ist, sei die Steigerung zum jetzigen Zeitpunkt aber „nicht aussagekräftig“, betonte Groscurth. Die Bezirke im Einzelnen:
CHARLOTTENBURG-WILMERSDORF
Hier ist die Schulplatzvergabe für die ersten Klassen noch „nicht vollumfänglich“ abgeschlossen. Aber die Lage ist relativ entspannt: Zum jetzigen Zeitpunkt konnten alle Kinder, die im Einschulungsbereich wohnen, auch aufgenommen werden: „Umlenkungen waren bisher nicht erforderlich“, berichtet Bildungsstadträtin Schmitt-Schmelz (SPD). Allerdings konnten an der Dietrich-Bonhoeffer-Grundschule, Erwin-von-Witzleben-Grundschule, Ernst-Habermann-Grundschule und Halensee- Grundschule nicht alle Geschwisterkinder berücksichtigt werden. Dies gilt „voraussichtlich“ auch für die Katharina-Heinroth-Grundschule.
FRIEDRICHSHAIN-KREUZBERG
An der Hausburg-Grundschule in Friedrichshain und an der Fichtelgebirge-Grundschule in Kreuzberg können nicht alle Kindern, die im Einschulbereich wohnen, aufgenommen wrden, teilt Bildungsstadtrat Andy Hehmke (SPD) mit. Zudem ist es an der Hausburg-, Pettenkofer- und Ludwig-Hoffmann-Grundschule, an der Charlotte-Salomon-, Bürgermeister-Herz-, Fichtelgebirge, Hunsrück- und Rosa-Parks-Grundschule so eng, dass alle Ummeldeanträge von Kindern, die in einem anderen Einschulbereich wohnen, abgelehnt werden mussten, „darunter auch einige Geschwisterkinder“, so Hehmke.
LICHTENBERG
Lichtenberg hat in dem kommenden Jahren den prozentual stärksten Schülerzuwachs. Schon längst klagen Eltern über mangelnden Lernraum.
Für die Erstklässler ist es am engsten in Lichtenberg-Mitte: Hier mussten Kinder der Schule am Roederplatz und der Schule im Gutspark weggeschickt werden, obwohl sie im Einzugsgebiet wohnen. In bezug auf die Geschwisterkinder teilt Bildungsstadtrat Nünthel (CDU) mit, dass der Bezirk sich „noch im Widerspruchsverfahren“ befindet – das gilt zumindest für die Schule am Roederplatz, die Schule im Gutspark, die Schule auf dem lichten Berg, die Obersee-Grundschule sowie die Schule am Wäldchen.
MARZAHN-HELLERSDORF
„In allen Schulen können die Kinder im Einzugsgebiet aufgenommen werden“, verkündet Bildungsstadtrat Gordon Lemm (SPD). Allerdings werde es für einige Geschwister knapp. Das könnte die Schule am Fuchsberg, die Pusteblume-, Schleipfuhl-, Strauß- und Geißenweise-Grundschule betreffen. Genaueres weiß man nächste Woche. Auch hier wird mit Mobilen Ersatzbauten gegengesteuert.
NEUKÖLLN
In Nord-Neukölln gibt es „einige wenige Schulen“, wo vielleicht nicht alle Kinder aus dem Einzugsgebiet unterkommen. Ende Mai, wenn alle Wechselwünsche bearbeitet wurden, weiß Bildungsstadtrat Rämer (SPD) mehr. Künftig müssen wohl die Einzugsbereich anders zugeschnitten werden, vermutet er.
MITTE
Es scheint bislang so, dass es an der Gesundbrunnen- und der Andersen-Grundschule eng wird. Ob alle Geschwisterkinder aufgenommen werden können, war zuletzt noch nicht klar, teilt Bildungsstadtrat Carsten Spallek (CDU) vergangene Woche mit.
So sieht es in den anderen sechs Bezirken aus
PANKOW
Rund 3830 Erstklässler erwartet Pankow und damit über 1000 mehr als die meisten anderen Bezirke sowie 300 mehr als noch bei der Senatsprognose vom Januar 2017 vermerkt gewesen waren. Entsprechend eng wird es: An sieben Grundschulen können nicht alle Kinder aufgenommen, werden, die im Einzugsbegiet wohnen. Das betrifft nach Angaben von Bildungsstadtrat Kühne (CDU) die Thomas-Mann-, Arnold-Zweig-, Elisabeth-Shaw-, Platanen-Schule sowie die Grundschule am Weißensee und die Bornholmer sowie Teutoburger Grundschule. Im Einzelfall sollen auch wieder Klassen mit bis zu 27 oder 28 Kinder aufgemacht werden
„Wir schneiden die Bezirke ständig neu zu, um die Situation anzupassen“, erläutert Kühne. Aktuell zählt Kühne bezirksweit rund 4000 Plätze – es gibt also nur einen minimalen Puffer. Das bedeutet, dass es an den 44 Grundschulen im Schnitt noch nicht einmal vier freie Plätze gibt. „Die freien Schulen helfen uns sehr“, sagt Kühne angesichts der Platznöte. Und es geht so weiter: Mit „rund 1000 Kindern zusätzlich pro Schuljahr“ muss Pankow rechnen. Ob er noch ruhig schlafen kann? „Ja“, sagt Kühne, „weil auf allen Ebenen etwas im Fluss ist“, sagt Kühne mit Hinweis auf die Schulbauoffensive von Senat und Bezirken. Allerdings: Der Faktor „Zeit“ ist das Problem: „Es muss alles sehr schnell gehen“, mahnt der Stadtrat.
REINICKENDORF
In Reinickendorf können alle Schulanfänger in ihrem Einschulungsbereich in der Grundschule aufgenommen werden. Was die Geschwisterkinder betrifft, wird es nur an der Charlie-Chaplin-Grundschule eng, aber entschieden ist die Sache noch nicht: An der Chaplin-Schule läuft derzeit die Widerspruchsfrist, „so dass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine verlässliche Aussage getroffen werden kann“, teilt der Bezirk mit. Das Schulamt geht davon aus, dass sich die Zahlen in den nächsten Wochen noch geringfügig ändern, „sodass auch hier Geschwisterkinder eventuell noch aufgenommen werden können“.
SPANDAU
„Es wird wesentlich enger als sonst“, heißt es auch aus Spandau. Noch hofft das Schulamt aber, dass alle Kinder in ihren Einzugsgebieten und alle Geschwisterkinder aufgenommen werden können - notfalls durch das Einrichten zusätzlicher Klassen. Anfang Juni soll alles klar sein: Bis dahin weiß man, ob Kinder zurückkommen, die sich zunächst in anderen Schulen angemeldet hatten und dort vielleicht keinen Platz bekamen.
STEGLITZ-ZEHLENDORF
In Steglitz-Zehlendorf können an der Sachsenwald-Grundschule nicht alle Kinder aufgenommen werden, die im Einzugsbereich wohnen. An der Sachsenwald-Grundschule, an der Alt-Lankwitzer-Grundschule sowie an der Käthe-Kruse-Grundschule können nicht alle Geschwisterkinder aufgenommen werden.
TEMPELHOF-SCHÖNEBERG
„Alle künftigen Schulanfänger bekommen einen Platz an der zuständigen Grundschule, sofern dies auch die Wunschschule war oder den Wechselwünschen nicht Rechnung getragen werden konnte“, teilt das Schulamt mit. An einigen Grundschulen mussten die Wechselwünsche für Geschwisterkinder kapazitätsbedingt teilweise formal abgelehnt werden. Diese Kinder seien jedoch „größtenteils“ zwischenzeitlich nachgerückt „oder werden als Geschwisterkinder aller Voraussicht nach noch nachrücken und somit einen Platz an der Wunschschule bekommen“.
TREPTOW-KÖPENICK
„Erfreulicherweise kann ich Ihnen mitteilen, dass zum Schuljahr 2017/2018 im Bezirk Treptow-Köpenick nach heutigem Kenntnisstand alle Schulanfängerinnen und Schulanfänger einen Schulplatz an ihrer zuständigen Grundschule erhalten werden“, teilt Bildungsstadträtin Cornelia Flader (CDU) mit. Entwarung gibt es auch für die Geschwisterkinder. Flader führt diese gute Bilanz darauf zurück, dass sowohl an der Schule an der Wuhlheide) als auch an der Bouché-Schule eine zusätzliche Klasse eingerichtet wird. Dementsprechend könnten alle Wohnort- und Geschwisterkinder versorgt werden können.