Trotz Ende der Berliner Früheinschulung: Rund 2000 Kinder sollen noch nicht zur Schule
Erstmals greift der neue Stichtag für die Schulpflicht. Dennoch stellen viele Familien Anträge auf Rückstellungen. Knapp 350 allein in Pankow.
Die Zahl der Anträge auf Rückstellungen schulpflichtiger Kinder ist dieses Jahr rapide gesunken. Eine Tagesspiegel-Abfrage in den Bezirken ergab, dass zum Schuljahr 2017/18 nur noch ein Drittel bis ein Viertel der früheren Antragszahlen erreicht werden.
Rund jeder dritte Schüler blieb länger in der Kita
Grund für den Rückgang ist die Abschaffung der Früheinschulung: Kinder, die erst nach dem 1. Oktober sechs werden, sind jetzt nicht mehr schulpflichtig. Das hatte die CDU noch im alten SPD/CDU-Senat gegen den Koalitionspartner durchgesetzt - ein Beschluss, der dieses Jahr erstmals greift. Vorher war jährlich die Zahl der Eltern gewachsen, die per Antrag ihre Kinder von der Früheinschulung befreiten: Zuletzt galt das für 8500 der rund 24.000 Erstklässler.
Pankow liegt wie immer an der Spitze
Unter diesen „Antragskindern“ waren stets vor allem jene, die erst im letzten Quartal sechs wurden, aber teilweise auch Kinder, die früher Geburtstag hatten. Daher war absehbar, dass die Zahl der Anträge nicht auf Null sinken würde. Für die ersten vier Bezirke hat der Tagesspiegel jetzt die – noch nicht endgültigen – Daten erfahren. Demnach ist die Zahl der Rückstellungsanträge in Neukölln von 700 auf absehbar weit unter 300 gesunken. In Steglitz-Zehlendorf sind es knapp 150 statt 560 im Vorjahr. In Reinickendorf wurden bislang rund 180 gegenüber 624 im Vorjahr vermerkt. Im kinderreichen Pankow liegen bereits "344 genehmigte Rückstellungsanträge vor", wie Bildungsstadtrat Torsten Kühne (CDU) am Dienstag auf Anfrage mitteilte: Im Vorjahr waren es insgesamt 1168. Die Zahl für ganz Berlin dürfte sich somit schätzungsweise auf über 2000 summieren.
Die Länder haben verschiedenen Stichtage
In den Bundesländern gelten unterschiedliche Regelungen. Im Nachbarland Brandenburg ist ebenfalls der 30. September Stichtag. Mit dem zuvor in Berlin geltenden Stichtag 31. Dezember hatte Berlin die bundesweit jüngsten Erstklässler: Fünfjährige werden weltweit eher selten eingeschult. Zu den wenigen Ausnahmen zählt dabei Großbritannien.
Bis zur Grundschulreform von 2005 waren in Berlin nur Kinder schulpflichtig, die vor dem 30. Juni sechs wurden. Das hatte dazu geführt, dass Berlins Erstklässler im Schnitt sechs Jahre und acht Monate alt waren.
Es hatte sich aber bereits kurz nach der Reform von 2005 herausgestellt, dass den Grundschulen die Umstellung auf die wesentlich jüngeren Kinder schwer fiel, zumal sie nicht durch genügend Personal begleitet werden konnten. Trotz scharfer Proteste von Kinderärzten und Psychologen dauerte es dann aber zehn Jahre, bis das Schulgesetz geändert wurde.
Die Hürden für Rückstellungen waren auf Elterndruck gesenkt worden
In der Zwischenzeit behalf man sich damit, dass die Hürden für Rückstellungsanträge gesenkt wurden. Dies führte dazu, dass von Jahr zu Jahr mehr Kinder in der Kita blieben - erst 2000, dann 3000, 5000 - bis 2016 der neue Rekord von 8500 Anträgen erreicht wurde, und die Früheinschulung somit de facto bereits abgeschafft war.
Wie die Schulaufsicht jetzt mit Anträgen umgeht, ob sie alle genehmigt oder streng prüft, ist noch nicht bekannt. Angesichts der knappen Schulplätze wäre denkbar, dass die Schulaufsicht eher kulant agiert.
Nach Auskunft der Bildungsverwaltung brauchen Familien für ihren Antrag die Stellungnahme der Kita sowie eine Schulärztliche Untersuchung. Auf dieser Grundlage wird der Antrag durch die regionale Schulaufsicht geprüft, teilte Sprecherin Beate Stoffers mit.