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Für viele Eltern ist schon die Suche nach dem richtigen Schulplatz für ihre Kinder ein großes Hindernis.
© picture alliance / dpa
Update

Urteile Berliner Verwaltungsgerichte: Schulplatzvergabe darf nicht von Geschlecht oder Herkunft abhängen

Die Zahl der Klagen gegen Schulplatzbescheide für Erstklässler hat sich verdoppelt. Aber es geht auch um Oberschüler: Gerade gab es einen Doppelsieg vor dem OVG.

Der Mangel an Schulplätzen für die Erstklässler macht sich jetzt auch durch einen Anstieg der Elternklagen bemerkbar: Ihre Zahl hat sich bislang bereits mehr als verdoppelt und lag bereits Mitte August bei rund 100 gegenüber 42 Klagen im Vergleichszeitraum 2016. Dies teilte das Verwaltungsgericht dem Tagesspiegel auf Anfrage mit.

Noch spürbarer ist die Zahl der Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz gestiegen – von gut 60 Anträgen im Vorjahr auf rund 160 aktuell. „Es sind weitere Verfahren zu erwarten, da die Bescheide spät ergangen sind“, stellte ein Gerichtssprecher in Aussicht. Zudem seien „deutlich mehr Schulen betroffen als 2016“. Spitzenreiter seien mit je zwölf Schulen Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg. In einem Fall an der Zehlendorfer John-F.-Kennedy-Schule erhielt der betreffende Schüler auch in zweiter Instanz Recht, wie das Oberverwaltungsgericht (OVD) Berlin-Brandenburg am Dienstag mitteilte.

Eltern müssen keine US-Bürger sein

Das OVG hatte in dem schulrechtlichen Eilverfahren eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt, dass das Land Berlin verpflichtet ist, einen Schüler als „Seiteneinsteiger“ in die "JFK" aufzunehmen: Der Schüler, dessen Eltern deutsche Staatsangehörige sind, hatte sich um eine Aufnahme in das amerikanische Kontingent der Schule beworben, weil er selbst sowohl die deutsche Staatsangehörigkeit als auch die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten besitzt, in den USA geboren ist, dort mit seinen Eltern die ersten Lebensjahre verbracht hat und Englisch wie eine Muttersprache spricht. Die deutschen Sprachkenntnisse des Schülers hätten hingegen nicht ausgereicht, um in das deutsche Kontingent der Schule aufgenommen zu werden. 

Zuerst ging es um das Verhältnis Jungs-Mädchen

Das Land Berlin hatte die Aufnahme des Schülers aber abgelehnt und dies zunächst damit begründet, dass die noch zur Verfügung stehenden beiden Schulplätze wegen des unausgeglichenen Verhältnisses zwischen Schülerinnen und Schülern ausschließlich für Schülerinnen freigehalten würden. Dies hatte das Verwaltungsgericht Berlin als nicht zulässig angesehen. Damit gab sich sie Bildungsverwaltung aber offenbar nicht zufrieden: "Sie machte geltend, der Schüler könne nicht in das US-Kontingent aufgenommen werden, weil beide Eltern deutsche Staatsangehörige seien; den Aufnahmerichtlinien der Schule zufolge müsse mindestens ein Elternteil die amerikanische Staatsangehörigkeit haben. Der Schüler könne die amerikanische kulturelle Identität nicht repräsentieren", hieß es am Dienstag in einer Mitteilung des OVG. Dieser Argumentation sei der 3. Senat des OVG nicht gefolgt, wurde weiter berichtet: Das Gesetz über die John-F.-Kennedy-Schule enthalte keine hinreichende Rechtsgrundlage, um die Aufnahme des Schülers trotz vorhandener Kapazität mit dem Hinweis auf die Staatsangehörigkeit seiner Eltern zu versagen. Ein derartiges Auswahlkriterium, das an die Herkunft des Schülers anknüpfe und den Zugang zu einer öffentlichen Schule begrenze, könne nicht wirksam durch bloße interne Aufnahmerichtlinien geregelt werden. An der Eignung des Schülers bestünden im Übrigen keine Zweifel, heißt es in dem Beschluss (vom 28. August 2017- OVG 3 S 60.17).

Eine Schule ist Klage-Meister

Die meisten Klagen und Anträge beziehen sich auf Wunschschulen, die nicht im Einzugsgebiet liegen. Doch wie berichtet, gibt es dieses Jahr in sechs Berliner Bezirken auch Schulen, die wegen des Schülerzuwachses nicht alle Kinder aus dem Einzugsgebiet aufnehmen konnten, obwohl die Schulämter vieles unternahmen, um genau dies zu verhindern: Selbst in Brennpunktschulen wurden die Klassen mit bis zu 28 Kindern angefüllt, obwohl dort jahrelang die Frequenz bei 21 bis 24 galt. Zudem mussten Schulen zusätzliche Klassen aufnehmen, was oftmals auf Kosten von Hort- oder Teilungsräumen ging. Dagegen gab es bereits Proteste – etwa an der beliebten Erika-Mann-Schule in Mitte, die schon 2016 hatte expandieren müssen.

Auffällig ist, dass jede dritte bis vierte Klage vor dem Verwaltungsgericht von Eltern der ersten Staatlichen Internationalen Schule Berlin (SISB I), der Nelson-Mandela-Schule, kommt. Das hatte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet, als etliche Eltern über eine langwierige Bearbeitung ihrer Anmeldungen berichteten. Für besondere Irritationen sorgte das nach Elternangaben „intransparente“ Bewerbungsverfahren für die zweite Staatliche Internationale Schule Berlin (SISB II), die im September ihren Betrieb aufnimmt. Sie wird vorübergehend in der Babelsberger Straße in Wilmersdorf untergebracht sein – im selben Gebäude wie eine Filiale der Nelson-Mandela-Schule.

Die Bildungsverwaltung erklärt sich

Die Bildungsverwaltung teilte auf Anfrage mit, dass es an der Nelson-Mandela-Schule fast fünfmal so viel Bewerbungen wie freie Plätze gab. Daher seien Plätze verlost worden. Wer hier leer ausging, konnte sich um einen Platz an der SISB II bewerben, die allerdings nur mit einer Klasse startet, so dass längst nicht alle Bewerber zum Zuge kamen.

Zu den Beschwerden von Eltern über die späten Aufnahmebescheide hieß es aus der Bildungsverwaltung, dass die Bescheide für die Mandela-Schule in der dritte Juni-Woche verschickt worden seien, während sich die Familien, die auf Bescheide von der SISB II warteten, mindestens bis zur zweiten Juli-Woche gedulden mussten. Dem Vernehmen nach haben noch immer nicht alle Familien Antwort bekommen.

„Der hohe Anteil der Familien, die aus dem Ausland kommen und an der Nelson-Mandela-Schule einen Schulplatz für ihr Kind suchen, erfordert eine möglichst späte Platzvergabe, weil ansonsten eine Vielzahl von Bewerbern noch gar keinen Aufnahmeantrag haben stellen können", lautet die Begründung der Verwaltung für das späte Verfahren.

Gute Karten für Familien vom Auswärtigen Amt

Zum Prozedere der Platzvergabe generell erläutert die Verwaltung, dass an der Nelson-Mandela-Schule Geschwisterkinder bevorzugt werden. Vorgeschaltet seien aber Kinder, deren Eltern beim Auswärtigen Amt beschäftigt sind. Ansonsten gelten an beiden Schulen die gleichen Aufnahmevoraussetzungen: „An erster Stelle der Privilegierungen stehen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, sofern sie hochmobil sind. An zweiter Stelle werden Geschwisterkinder aufgenommen.“

Insgesamt waren laut Verwaltungsgericht bis vor wenigen Tagen für die Nelson-Mandela Schule 28 Klagen und 27 Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz eingegangen. Für die einzige Klasse der SISB II waren vier Klagen aktenkundig.

Wie berichtet, konnte die SISB II noch kein eigenes Gebäude beziehen, weil in dem anvisierten Haus in der Moabiter Levetzow-Straße, dem früheren Kleist- Gymnasium, noch Flüchtlinge untergebracht sind.

Eltern erfinden falsche Adressen

Manche Eltern sind offenbar so verzweifelt, dass sie mit Tricksereien versuchen, einen Platz an ihrer Wunschschule zu ergattern. Mit einem aktuellen Fall hat sich am Donnerstag das Verwaltungsgericht befasst. Eltern hatten ihr Kind an der begehrten Reinhardswald-Grundschule in Kreuzberg angemeldet und dafür – nach Auffassung des Gerichts und des Bezirksamts – eine Scheinadresse angegeben. Die vorherige Adresse lag nicht im Einzugsgebiet der Schule. Der Bezirk lehnte die Aufnahme des Kindes an der Reinhardswald-Schule ab, dagegen stellte die Familie einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht.

Doch dieses bestätigte die Entscheidung. Die Ummeldung in die Wohnung eines Onkels des Kindes sei kurz vor der schulischen Anmeldefrist erfolgt, teilte das Gericht mit. Die Ummeldung sei nicht plausibel erklärt worden, zumal angeblich nur die Mutter mit drei Kindern aus der bisherigen Wohnung ausgezogen sei.

Die Familie hatte offenbar einen Wohnungstausch angegeben, dagegen spreche jedoch, dass sich der Onkel nicht in der vermeintlich neuen Wohnung angemeldet habe. Unterlagen wie Stromrechnungen oder ähnliches, die einen tatsächlichen Umzug belegen würden, habe der Antragsteller zudem nicht vorlegen können. „Scheinanmeldungen, um an begehrten Schulen aufgenommen zu werden, kommen immer wieder vor“, sagte Gerichtssprecher Stephan Groscurth. „Doch wer schummelt, hat keine Chance.“

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