Projekt an Berliner Nelson-Mandela-Schule: Ruf doch mal an – in Syrien
Schüler aus Wilmersdorf und Latakia besprechen übers Internet, wie ihre Schulen besser werden sollen.
„Hello, hello? Are you there?“ Ja ja, da sind sie schon – eigentlich. Die Neuntklässler der Nelson-Mandela-Schule sitzen in ihrem Klassenzimmer in Wilmersdorf und warten auf den verabredeten Skype-Anruf von den Schülern in Syrien, mit denen sie seit Monaten an einem Projekt arbeiten. Es wird organisiert von der UN-Organisation UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten) und gefördert von der EU. Aber das Internet funktioniert einfach nicht – und zwar das in der Berliner Schule. Im syrischen Latakia steht die Leitung einwandfrei.
Nach viel Hin und Her und Ausprobieren klappt es dann doch noch, aber nur behelfsmäßig auf einem kleinen Smartphone-Bildschirm und nicht auf dem großen Beamer. Und so sitzen dann Yasmin, Tolin, Julius und Finn in Berlin vor dem kleinen Display und gucken in das Klassenzimmer der El Khairieh School in Latakia, Syrien, wo gleichaltrige Schülerinnen und Schüler sitzen und freundlich winken.
„My Voice – My School“ heißt das Projekt, das Klassen in Deutschland, Schweden, den Niederlanden und Großbritannien mit von der UNRWA geleiteten Schulen in Syrien, Libanon und dem Gazastreifen zusammenbringt. Die Idee dahinter: Die Schüler aus den verschiedenen Ländern sollen sich Gedanken darüber machen, was sie an ihren Schulen verbessern möchten und Vorschläge dazu erarbeiten. Ihre Pläne stellen sie sich dann gegenseitig bei Skype-Gesprächen vor. Sie kommen über Grenzen hinweg miteinander ins Gespräch und erhalten einen Einblick in die Lebensrealität und den Schulalltag ihrer Partnerklassen.
Wie der Alltag in Latakia aussieht
Die El Khairieh School gehört zum UN-Flüchtlingscamp in Latakia, das 1955 entstanden ist. Nach Angaben der UNRWA leben derzeit rund 7000 Menschen dort, schon lange nicht mehr in Zelten, sondern in Häusern, aus dem provisorischen Lager ist ein Stadtteil geworden. Latakia liegt an der Mittelmeerküste, rund 50 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Und auch wenn derzeit dort keine direkten Kriegshandlungen stattfinden, sind die Bewohner doch betroffen: Viele sind dorthin aus Kriegsgebieten geflohen, haben Verwandte im Krieg verloren, sind traumatisiert.
Die syrischen Schüler erzählen von ihrem Alltag: dass öfter mal der Strom ausfällt, dass sie lange Schultage haben und dann zu Hause weitere Schularbeiten machen, dass sie gerade für viele Tests lernen müssen und das ein bisschen nervt.
"Anders als in den Nachrichten"
„Wenn man direkt mit den syrischen Schülern redet, bekommt man ein anderes Bild als aus den Nachrichten“, sagt Mandela-Schüler Julius. „Wir haben gesehen, dass sie eine funktionierende Schule haben und sich mit ähnlichen Dingen beschäftigen wie wir.“ Lehrerin Joanna Diemer ergänzt: „Sie bekamen ein Gesicht und waren nicht einfach Opfer.“
Und was wollen die Schüler verbessern? Die syrischen Jugendlichen wünschen sich eine bessere Förderung von Kindern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche und mehr psychologische Unterstützung. Mit der Begrünung des Schulhofes, noch ein Wunsch, haben sie schon angefangen. Die Wilmersdorfer Schüler möchten eine Online-Seite, auf der sie sehen, wann Vertretungsstunden sind. Und ein besseres Mülltrennsystem. Als zum Schluss eine syrische Schülerin sagt, dass sie vielleicht bald nach Berlin kommen kann, freuen sich alle auf ein Wiedersehen ganz ohne Skype.