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Lieb und teuer. Für die Kinderbetreuung gibt der Bund mehr Geld.
© Thilo Rückeis
Update

239 Millionen vom Bund: Scheeres will Brennpunktzulage für Berlins Kitas

Das kostenlose Frühstück ist vom Tisch. Stattdessen sollen Erzieherinnen und Tagesmütter vom Gute-Kita-Gesetz profitieren.

239 Millionen Euro suchen ihr Ziel. So ungefähr lässt sich das zusammenfassen, was seit einigen Monaten die Senatsverwaltung für Jugend, Eltern und Verbände umtreibt. Denn das Geld steht Berlin zu – als Folge des Gute-Kita-Gesetzes des Bundes. Inzwischen zeichnet sich nach Tagesspiegel-Informationen ab, wie Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) die Mittel verwenden will.

Im Mittelpunkt stehen drei Elemente: ein höheres Entgelt für Tagesmütter, eine Brennpunktzulage für Erzieherinnen sowie zusätzliches Personal. Dies teilte die Jugendverwaltung auf Anfrage mit. Kritik gibt es bisher in erster Linie an den Plänen für die Brennpunktzulage.

Mit allen drei zentralen Punkten greift Scheeres Diskussionen der vergangenen Monate auf. Insbesondere die Lage der rund 1600 Tagesmütter, die nicht an den Mindestlohn herankommen, war oft Thema. Künftig soll es attraktiver werden, Kinder zu Hause zu betreuen. „Es sollen alle Tagespflegepersonen in Berlin von der Anhebung profitieren – und das rückwirkend für 2019“, kündigte Behördensprecherin Iris Brennberger an. Dazu gehört, dass die Vor- und Nachbereitungszeit sowie Elterngespräche mit 45 Euro pro Kind im Monat vergütet werden sollen.

Eltern und Verbände lehnen die Brennpunktzulage ab

Eine Brennpunktzulage wird in Berlin bereits gezahlt – allerdings nur an Schulen. Nun soll das auch für Kitas gelten. Die Bildungsverwaltung verfolgt mit der Zulage zwei Ziele, wie Brennberger erläutert: „Sie soll eine Anerkennung für die Erzieher sein, die in diesen Kitas tätig sind, und ein Anreiz, in diesen Kitas zu arbeiten.“ So soll unterstützt werden, „dass Kitas mit besonderen Herausforderungen trotz des allgemein hohen Fachkräftebedarfs neue Erzieher gewinnen oder ihre Fachkräfte halten zu können“.

Mit den Plänen für die Brennpunktzulage hat sich Scheeres gegen die Forderungen der Kitaträger und der Elternschaft gestellt. Der Kita-Referent des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Torsten Wischnewski-Ruschin, kritisiert die Pläne der Jugendverwaltung: „Anstatt eine Brennpunktzulage zu zahlen, wäre es besser, das Geld für eine bessere Personalausstattung auszugeben.“ Auch die Vorsitzende des Landeselternausschusses für Kitas (LEAK), Corinna Balkow sagte am Sonntag: „Wir haben in den Gesprächen mit der Jugendverwaltung gesagt, dass wir anderes wichtiger finden.“ Als Beispiel nennt sie eine bessere Sprachförderung, mehr Personal und mehr Plätze. Da diese drei Dinge dem LEAK wichtiger sind, hat er sich auch gegen Scheeres’ ursprünglichen Plan ausgesprochen, mit dem Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz ein kostenloses Frühstück für alle Kita-Kinder zu finanzieren. Den Frühstücksplan ließ Scheeres inzwischen fallen.

Wie filtert man die bedürfigsten Kitas heraus?

An der Brennpunktzulage gibt es auch deshalb Kritik, weil nicht klar ist, wie man die bedürftigsten Kitas herausfiltern kann. Naheliegend wäre es zwar, vom Anteil der Kinder aus Familien auszugehen, die Sozialleistungen beziehen. Den könnten die Ämter ermitteln, indem sie sich den BuT-Pass vorlegen lassen, also den Nachweis, dass man Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket erhält. Dagegen spricht, „dass anspruchsberechtigte Familien den Pass häufig gar nicht beantragt haben“, erläutert Brennberger – eine Erfahrung, die auch die Schulen machen. Daher wird überlegt, ob man den Brennpunktstatus an die Lage der Kita in einem Brennpunktquartier koppelt. Auch dies ist ein unscharfes Kriterium, weil es auch in Brennpunkten Kitas mit überwiegend gut situierter Elternschaft geben kann. Dieser Einwand sei bekannt und werde berücksichtigt, teilte Brennberger auf Anfrage mit.

Sie wies zudem darauf hin, dass die Zulage erst ab 2021 fließen soll. Wie problematisch das Vorhaben ist, zeigte die Umsetzung an den Schulen: Einige Erzieherinnen bekommen wegen der komplizierten Tarifautomatik sogar weniger als vorher. Bei den übrigen ist der finanzielle Zugewinn extrem unterschiedlich je nach Tarifgruppe und Erfahrungsstufe.

Entlastung für Kitaleiterinnen und Azubis

239 Millionen Euro sollen nicht nur für die Brennpunktzulage und die Tagesmütter reichen, sondern auch für mehr Personal. Dazu gehört, dass Auszubildende besser unterstützt werden sollen: Sie sollen künftig freie Zeit zur Verfügung haben, in der sie nicht mit den Kindern arbeiten, sondern diese Arbeit vor- oder nachbereiten können. Zudem will Scheeres erreichen, dass die Leiterinnen kleinerer Einrichtungen ab 85 Kindern von der Betreuung freigestellt werden, um sich vollständig auf die qualitative Entwicklung ihrer Kitas konzentrieren zu können. Bisher liegt diese Freistellungsgrenze bei 90 Kindern. Auch Verwaltungskräfte sollen zum Gesamtpaket gehören.

Dass Berlin viel Spielraum für den Einsatz der Bundesmillionen hat, liegt daran, dass es die Beitragsfreiheit für die Eltern bereits umgesetzt hat: Andere Bundesländer nutzen die Mittel, um die Eltern zu entlasten. Jedes Bundesland verhandelt mit dem Ministerium von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) individuell, wofür das Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz bis 2022 ausgegeben werden soll. Anfang Oktober sollen die Berliner Verhandlungen abgeschlossen sein.

CDU und FDP fordern andere Prioritäten

Von der Opposition kam Kritik an den Plänen für den Einsatz der Mittel vom Bund. Die Vorsitzende des Bildungs- und Jugendausschusses im Abgeordnetenhaus, Emine Demirbüken-Wegner (CDU) forderte, dass Scheeres an dem Ursprungsplan festhalten solle, ein kostenloses Kitafrühstück zu finanzieren. Andernfalls sei das "ein schwerer Schlag für viele Kinder, die ohne ein Frühstück in den Tag starten".

Der jugendpolitische Sprecher der FDP, Paul Fresdorf begrüßte es, "dass mehr Geld für Erzieherinnen und Erzieher ausgeben werden und auch mehr Personal zum Einsatz kommen soll". Jedoch führe die Brennpunktzulage "zu noch mehr Ungerechtigkeit im System und anstatt zu motivieren".

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