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Die Spreewald-Grundschule in Schöneberg gehört zu den 58 Schulen, deren Beschäftigte von der besseren Bezahlung profitieren sollen.
© dpa

Förderung für Brennpunktschulen versagt: Erzieher bekommen durch Zulage weniger Netto

Ein Bonus soll Erzieher belohnen, die an Berliner Brennpunktschulen einen besonders harten Job machen. Doch das Geld kommt nicht an – wegen des Tarifrechts.

Die Zulage für Beschäftigte an Brennpunktschulen, für die das Land Millionen aufbringt, entfaltet noch nicht überall ihre erwünschte Wirkung. Im Gegenteil: Dem Tagesspiegel liegen Beispiele vor, in denen die Betroffenen weniger Geld haben als vorher oder einen Teil ihres Weihnachtgeldes – der so genannten Jahressonderzahlung – zurückgeben sollen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) geht davon aus, dass ein nennenswerter Teil der rund 350 Brennpunkterzieher betroffen sein könnte. Zumindest seien in mehreren Bezirken jeweils etliche Fälle bekannt, berichten Personalräte. Die ersten Mitarbeiter drohten bereits mit dem Wechsel an eine Nicht-Brennpunktschule, wo sie mehr verdienen würden. Das wäre genau das Gegenteil von dem, was mit der seit 2017 diskutierten Zulage erreicht werden sollte.

Es waren die Gehaltszettel für den März, die die schlechte Botschaft überbrachten. Sie belegten das, wovor GEW-Tarifexperte Udo Mertens schon 2018 gewarnt hatte, nämlich dass unter bestimmten Bedingungen Geld verloren geht – eine Folge der „Tarifautomatik“: Wenn Beschäftigte in eine höhere Entgeltgruppe aufrücken, können sie dennoch weniger Geld haben als vorher.

"Tarifautomatik" konnte nicht ausgehebelt werden

Das hängt mit den so genannten Erfahrungsstufen zusammen und den Feinheiten des Tarifrechts. Trotz zahlreicher Gespräche zwischen GEW und Senatsvertretern konnte diese „Tarifautomatik“ nicht ausgehebelt werden: „Wir haben dem Senat vorgeschlagen, so wie den Lehrern auch den Erziehern eine Zulage zu zahlen. Die Finanzverwaltung hielt das aber nicht für machbar“, berichtet Mertens.

Beschlossen wurde der Gehaltsaufschlag vom Abgeordnetenhaus auf Drängen der rot-rot-grünen Bildungspolitiker. Sie hatten durchgesetzt, dass für den Doppelhaushalt 2018/19 pro Jahr 8,2 Millionen Euro für eine Brennpunktzulage gesichert wurden. Seit Ende 2017 wurde darum gerungen, dieses Geld so auszugeben, dass sich die Lehrer an Brennpunktschulen besser gewertschätzt fühlen sollten.

Es wurde sogar die Hoffnung geäußert, dass man auf diese Weise den Anteil der Quereinsteiger im Brennpunkt reduzieren könne.

Dabei ergaben sich aber zwei Probleme: Zum einen hieß es plötzlich, die Beschäftigten wollten nicht mehr Geld, sondern lieber weniger Unterrichtstunden. Zum anderen protestierten die Erzieher, die sich abermals zurückgesetzt fühlten. Am Ende einer monatelangen Diskussion stand fest, dass an eine Stundenermäßigung nicht zu denken sei – eine Konsequenz des Lehrermangels.

Zulage auch für Erzieher

Da aber infolge der langen Diskussion eines der beiden Haushaltsjahre fast vorbei war, hatte man plötzlich genug Geld „gespart“, um nicht nur den Lehrern, sondern auch den Erziehern und den pädagogischen Unterrichtshilfen rückwirkend mehr Gehalt geben zu können. Seit 2018 wurde daher verhandelt, wie das umgesetzt werden könne. Am Ende wurde die tarifliche Höhergruppierung vereinbart, die nun die unerwünschten Nebenwirkungen hat.

„Eventuelle Einkommensnachteile nach Höhergruppierungen sind leider Teil des Tarifwerkes und nicht etwa Besonderheiten die ausschließlich Erzieher an Brennpunktschulen betreffen“, teilte die Bildungsverwaltung am Donnerstag auf Anfrage mit. Ziel sei es jetzt, die Anzahl der Fälle, in denen es zu Einkommensnachteilen komme, „in jedem Fall zu reduzieren“, sagte Sprecher Thorsten Metter. Durch den neuen Tarifabschluss werde sich die Zahl der problematischen Fälle „nochmals weiter reduzieren“.

Den Betroffenen reicht diese Botschaft nicht. „Sie verstehen die Welt nicht mehr“, beschreibt Gökhan Akgün, GEW- Vorsitzender Friedrichshain-Kreuzbergs, die Stimmung. Er kennt Mitarbeiter, die sich die Schlechterstellung nicht gefallen lassen wollen und einen Wechsel zu einer Schule ohne Brennpunktstatus erwägen.

Susanne Vieth-Entus

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