zum Hauptinhalt
Eigentlich ist es beschlossene Sache, dass Tegel schließt, wenn der BER seinen Betrieb aufgenommen hat.
© imago/foto2press/Michael Täger

Debatte um Tegel: Müllers Notlandung - geglückt

Berlins Regierender Bürgermeister will wegen des Streits um den Flughafen Tegel einen Schlichter berufen. Eine vernünftige Idee, um Vertrauen wiederherzustellen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Das muss man Michael Müller lassen: Der Regierende Bürgermeister hat in einer miserablen Lage etwas gefunden, was zumindest so aussieht wie ein Ausweg. Nur auf den ersten Blick wirkt Müllers Vorschlag, einen Schlichter zu berufen, einen runden Tisch einzurichten und in Sachen Flughafenpolitik Transparenz zu schaffen, wie die Flucht in einen Arbeitskreis, in dem man politisch untertauchen kann.

Auf den zweiten Blick kann ein Schlichter (oder eine Schlichterin) womöglich entschärfen, was aktuell nur noch als totales Berliner Flughafenchaos zu beschreiben ist.

Müller hat in einer respektvollen und sachlichen Rede vor dem Abgeordnetenhaus gezeigt: Ich habe verstanden. Und er hat das Einzige betont, was im Berliner Luftverkehr klar ist – die Kompliziertheit der Situation.

Ein Desaster namens BER

Ein Regierender, der in dieser Situation Partei ist (schon weil er die Rechtslage für klar hält), tut gut daran, gar nicht den Eindruck zu erwecken, er wolle das Votum für den Flughafen-Oldie in Tegel ignorieren. Müller hat verstanden, dass das 56-Prozent-Ergebnis auch ein Plebiszit gegen das Verhalten der Politik am Desaster-Flughafen BER darstellt.

Die Berufung eines Schlichters und eines runden Tischs bringt da nur Vorteile. Anders als beim Trommeln für einen Volksentscheid können die Befürworter und die Gegner der Tegel-Offenhaltung vernünftig miteinander reden. Sie können verfolgen, ob die Politik nun die Schritte geht, die Müller angekündigt hat, um den Weiterbetrieb in Tegel zu ermöglichen. Ob von und nach TXL auch dann noch geflogen wird, wenn der BER irgendwann die ersten sechs Monate in Betrieb gewesen sein wird, ist offen. Sicher ist nur, dass ein Gericht darüber entscheiden wird.

Michael Müller hat verstanden, dass er das Referendum über die Zukunft Tegels nicht einfach ignorieren kann.
Michael Müller hat verstanden, dass er das Referendum über die Zukunft Tegels nicht einfach ignorieren kann.
© Paul Zinken/dpa

Verstanden hat Müller offenbar noch etwas Grundlegendes: Das von der Berliner Politik und einer ganzen Serie von Senaten geschaffene BER-Desaster hat einen fatalen Vertrauensverlust zur Folge. Womöglich wollte ein Teil der Tegel-Freunde den Senat dafür bestrafen, dass er kein Eröffnungsdatum für den BER nennt.

Ein anderer Teil sorgt sich vor steigenden Mieten in einem Fluglärm-befreiten Tegel – und sieht gleichzeitig einen Senat, der beim Wohnungsbau kaum vorankommt. Ein dritter Teil mag um die Jobs in Tegel fürchten.

Wie auch immer, ein Schlichter kann denen, die nun ein 56-Prozent-Votum für den Weiterbetrieb von Tegel erstritten haben, sachlich vermitteln, was geht – und was nicht. Man darf gespannt sein, wen Müller für diese Aufgabe gewinnt.

Wie sinnvoll sind Volksentscheide überhaupt?

Ein anderes Politikum, das sich an der Tegel-Abstimmung gezeigt hat, wird im Lärm des Flughafen-Streits leider untergehen: die Frage, ob sich Volksentscheide so positiv auf den demokratischen Betrieb auswirken, wie sich ihre Befürworter mal erhofft haben.

Spätestens seit der Brexit-Abstimmung darf man das bezweifeln. Die Brexit-Entscheidung kam zustande, weil sich bloß ein Drittel der jungen Generation der Briten an der Abstimmung beteiligte. Wer warum wie abstimmt, hängt von vielen Motiven ab, und nicht alle sind so lauter und vernünftig, wie es gut ist für den demokratischen Politikbetrieb.

Inzwischen sind Volksentscheide sogar bei der CDU in Mode, siehe Brandenburg und die Kreisreform. Doch dass ausgerechnet die AfD laut ihrem Programm die repräsentative Demokratie mit Volksentscheiden „nach Schweizer Vorbild“ aufmischen will, darf einen schon nachdenklich machen.

Zur Startseite