Affäre um Lutz Diwell: McKinsey zieht sich vom Lageso zurück
Im "Fall Diwell" bleibt noch Vieles unklar. Der Senatskanzlei-Chef Björn Böhning will nun Fragen beantworten.
In der Affäre um den Rechtsanwalt und Ex-Staatssekretär Lutz Diwell hat das Beratungsunternehmen McKinsey Konsequenzen gezogen. Das Unternehmen kündigte überraschend seine bisherige kostenlose Beratung für die Neuorganisation des Lageso auf. Senatssprecherin Daniela Augenstein bestätigte dem Tagesspiegel, dass McKinsey den Pro-Bono-Vertrag für das Lageso vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse mit sofortiger Wirkung gekündigt hat.
Mit Ausnahme der Bestätigung, dass der Anwalt Diwell als „External Advisor für uns in dem Masterplan-Projekt involviert“ sei, äußerte sich McKinsey bisher nicht zu seiner Tätigkeit. Unklar bleibt weiterhin auch, wieviel Geld Diwell als externer Berater für das Unternehmen McKinsey erhielt, was er dafür leistete und warum die Firma den früheren SPD-Politiker mit der Arbeit an einem Masterplan für die Integration von Flüchtlingen betraute. In Kreisen von Regierung und Opposition kursieren verschiedene Summen – zwischen 30 000 und mehr als 180 000 Euro, die Diwell erhalten haben soll. Eine Anfrage des Tagesspiegel nach seinem Honorar beantwortete der Anwalt nicht.
Für den Beratungsauftrag bekommt McKinsey vom Senat insgesamt 238 000 Euro. Der Vertrag mit der Senatskanzlei wurde erst am 4. März unterzeichnet, zwei Monate nach der freihändigen Vergabe der Dienstleistung. Schon „im Laufe des Januars“ sei die Senatskanzlei über die Zusammenarbeit von Diwell und McKinsey informiert worden, hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Donnerstag vor dem Parlament bestätigt. Er selbst habe bereits im August und September Gespräche mit Diwell geführt, „ob und wie er uns unterstützen kann“. Eine persönliche Einflussnahme auf die Anstellung Diwells bei McKinsey bestritt Müller.
Widersprüchliche Informationen
Der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD), hatte erst am Mittwoch in einem Parlamentsausschuss auf drängende Nachfragen bestätigt, dass Diwell als einer von drei „vertraglich zugesicherten“ McKinsey-Beratern tätig war. Was er dort geleistet hat, bleibt vorerst offen. Am Freitag erklärte sich Böhning in einem Brief an den Hauptausschuss bereit, in einer Sondersitzung des Gremiums noch vor Ostern „zu allen Fragen der Abgeordneten“ Stellung zu nehmen.
Nach bisheriger Darstellung des Senats hat McKinsey „den gesamten Prozess der Vorbereitung und Erstellung des Masterplanentwurfs Integration und Sicherheit beratend begleitet“ und werde die Weiterentwicklung des Plans bis Ende März unterstützen. Das Unternehmen habe zwischen Januar und März fünf Workshops beratend unterstützt, vor- und nachbereitet und Gespräche mit Fachverwaltungen und Bezirken geführt.
Welchen Anteil McKinsey und dessen Berater Diwell darüber hinaus an der Erarbeitung des Masterplans für die Integration der Flüchtlinge hatten, darüber gibt es widersprüchliche Informationen. Die fachlich zuständige Senatorin Dilek Kolat (SPD) hatte am 25. Februar im Integrationsausschuss des Abgeordnetenhauses gesagt: Aufgabe von McKinsey sei „die Unterstützung der Koordinationsarbeit der Senatskanzlei“. Für ihre eigene Verwaltung könne sie sagen, „dass wir die Beratungsangebote von McKinsey nicht in Anspruch nehmen“. In der Beauftragung des Unternehmens sei ihre Behörde auch „nicht involviert“ gewesen. Nach Informationen des Tagesspiegel wurde der Text des Masterplans großenteils von der Senatsverwaltung für Arbeit und Integration formuliert, unter maßgeblicher Beteiligung des Migrationsbeauftragten Andreas Germershausen.
Akteneinsicht spätestens bis Dienstag nächster Woche
Dagegen hatte Kanzleichef Böhning erklärt, dass die Erstellung des Masterplans eine „komplexe Aufgabe“ sei, die von der Verwaltung „in der kurzen Zeit und aufgrund anderer Bindungen im Flüchtlingsmanagement nicht allein bewältigt“ werden könne. Die herausragende Erfahrung McKinseys auf diesem Gebiet habe zur Auswahl geführt, sagte er ebenfalls im Februar im Hauptausschuss. Die Vergabe erfolgte ohne Ausschreibung, und zwar 4000 Euro unterhalb der EU-rechtlichen Ausschreibungsschwelle.
Die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus schickte am Freitag einen umfangreichen Fragenkatalog zum „Fall Diwell“ ins Rote Rathaus. Denn es seien nach der Fragestunde im Parlament „noch Fragen offen geblieben“, schrieb die Grünen-Abgeordnete Nicole Ludwig an den Regierenden Bürgermeister. Sie hofft außerdem auf Akteneinsicht spätestens bis Dienstag nächster Woche. Sollte das nicht möglich sein, erwägen die Grünen, eine Sondersitzung des parlamentarischen Hauptausschusses zu beantragen. Die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses hält der Linken-Landeschef Klaus Lederer so kurz vor der Berliner Wahl nicht für zielführend. Die Grünen hätten darüber noch nicht diskutiert, als „ultima ratio“ sei ein solcher Ausschuss natürlich nicht auszuschließen.