Umstrittener Vertrag mit McKinsey: Grünen-Abgeordnete Ludwig: "Es geht um Müllers Verantwortung"
Die Grünen-Abgeordnete Nicole Ludwig spricht im Interview über den Fall Diwell - und über Aktenfunde, die sie an der Arbeit von Senatskanzleichef Böhning zweifeln lassen.
Frau Ludwig, am Mittwoch stellt sich Senatskanzleichef Björn Böhning den Fragen des Hauptausschusses im Abgeordnetenhaus zum Fall Diwell. Was sind für Sie die Knackpunkte?
Zentral ist natürlich die Frage, wie Lutz Diwell bei der Unternehmensberatung McKinsey gelandet ist und ob die Senatskanzlei irgendeinen Einfluss darauf genommen hat. Mein Verdacht: Neben dem konkreten Vertrag zwischen der Senatskanzlei und McKinsey über die Ausarbeitung eines Masterplans Integration für Berlin könnte es zusätzliche Vereinbarungen gegeben haben – etwa über die Beschäftigung von Ex-Staatssekretär Diwell.
Wie kommen Sie darauf?
Uns Grünen kam die ganze Angelegenheit merkwürdig vor. Erstens war überhaupt nicht klar, warum man McKinsey überhaupt gebraucht hat. So ein Masterplan für Integration ist wirklich kein Hexenwerk. Die Berliner Verwaltung hätte das auch so hinbekommen. Zweitens: Wir Grünen hatten von Beginn an Zweifel, dass es bei der Auftragsvergabe mit rechten Dingen zugegangen ist.
Der Auftrag ging ohne Ausschreibung an McKinsey. Begründung: Es habe keine qualifizierte Alternative gegeben. Um diese Behauptung zu überprüfen, haben wir Akteneinsicht beantragt.
Was kam dabei heraus?
Laut Senatskanzleichef Björn Böhning hat eine Marktanalyse ergeben, dass nur McKinsey für die Aufgabe infrage komme. Doch es wurde offensichtlich gar keine gründliche Marktabfrage vorgenommen. Was es dazu in den Akten gibt, ist lächerlich: das war höchstens eine kurze Google-Abfrage!
Zurück zu bislang nicht bekannten Absprachen oder Vorverträgen. Welche Anhaltspunkte haben Sie dafür in den Akten gefunden?
Ich bin auf einen Hinweis gestoßen, dass es schon vor dem am 4. März abgeschlossenen Vertrag Verabredungen zwischen McKinsey und der Senatskanzlei gegeben haben muss. Auch der lange Zeitraum zwischen Beauftragung im Januar und Vertragsabschluss im März spricht dafür, dass es neben dem konkreten Vertrag weitere Verabredungen oder Vorverträge geben müsste.
Haben Sie denn bei Ihrer Akteneinsicht vergangene Woche auch Hinweise auf Diwell gefunden?
Ich hatte vor Bekanntwerden des Falls Diwell Akteneinsicht. Deshalb habe ich nicht auf den Namen Diwell geachtet. Das müssen wir jetzt nachholen.
Nach allem, was man bisher weiß: Wie schwer wiegt der Filzvorwurf?
Er lässt sich nicht von der Hand weisen. Ausschlaggebend ist dabei nicht die konkrete Summe, die Diwell über McKinsey bekommen hat. Ob es 30.000, 50.000 oder 100.000 Euro waren, spielt nicht die entscheidende Rolle. Es geht um die Geheimniskrämerei der Senatskanzlei und um die Verantwortung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD).
Was werfen Sie Müller vor?
Sein Verhalten ist bislang nicht unbedingt von Transparenz und Aufklärungswillen geprägt. Im Fall Diwell wirft der Regierende Bürgermeister zu viele Fragen auf, anstatt sie zu beantworten.
Was meinen Sie genau?
Zum Beispiel seine Aussage am vergangenen Donnerstag vor dem Abgeordnetenhaus. Es entspricht nicht der Lebenswirklichkeit, dass sich ein Regierender Bürgermeister exakt an zwei 20-minütige Gespräche mit Diwell im August und September vergangenen Jahres erinnern kann, aber nicht mehr so genau an die Vorgänge im Januar. Und das in einem Fall, bei dem eine Beraterfirma ohne Ausschreibung einen Auftrag bekommt, an dem dann auch noch ein Ex-Staatssekretär der SPD mitwirkt.
Ihre Kritik an Müller bleibt recht moderat. Gibt es bei den Grünen die Sorge, mit zu harter Kritik an der SPD den künftigen Koalitionspartner zu vergrätzen?
Wir haben keine Beißhemmung. Aber die Fakten müssen klar sein und vollständig auf dem Tisch liegen, erst dann kann man endgültig bewerten. Deshalb polemisieren wir auch nicht, sondern wollen Informationen und vollumfängliche Aufklärung.