Podcast "Beste Freundinnen": Gespräche unter der Gürtellinie
Zwei Berliner plaudern im Netz regelmäßig - und sehr persönlich - über Frauen, Sex und Gefühle. Jetzt haben sie auch ein Buch geschrieben.
Darf man das Handy der Freundin ausspionieren? Können offene Beziehungen funktionieren? Wie bringt man der Ex bei, dass man eine Geschlechtskrankheit hat? Seit mehr als zwei Jahren stellen Max und Jakob, die eigentlich anders heißen und vorerst anonym bleiben wollen, ihre Gespräche ins Netz – und das ziemlich erfolgreich mit rund 40.000 Zuhörern pro Folge. Ihr erstes Buch greift das Konzept auf. Was das alles soll? Zeit für ein Gespräch mit den beiden Mittdreißigern.
Eine Hörerin hat die „tiefgründige Flachness” in Ihren Gesprächen gelobt. Beschreibt das den Anspruch gut?
MAX: Ich habe mich auch im Podcast schon häufiger gefragt: Wer hört sich das eigentlich an? Und dann sogar über 50 Minuten, wenn man unser Geschwafel bis zum Ende aushält. Aber Tiefe und platter Humor wechseln sich bei uns ab. Und der Podcast hat sich auch verändert, es geht nicht mehr nur um Sex.
Warum haben Sie 2015 begonnen, das „Geschwafel“ in einem Podcast öffentlich zu machen?
JAKOB: Wir haben schon immer auf einer besonderen Ebene miteinander kommuniziert. Kennt man doch: Es gibt Menschen, die verstehen einen besser als andere. Wir haben beide eine starke Mutterprägung und früh gelernt, über Gefühle zu reden. Als wir etwas gesucht haben, das wir zusammen machen können, sind wir darauf gekommen, unsere Gespräche aufzuzeichnen. Mir fehlte in den Medien die Authentizität. Weil ich in der Branche arbeite, dachte ich, wenn man die vermitteln kann, kommt das sicher gut an.
Sie unterhalten sich über Racheaktionen nach Trennungen, Prostatamassagen und Bindungsangst. Das hören sich vor allem Frauen an.
JAKOB: Frauen machen sich eher Gedanken darum, wie Männer ticken, als andersherum. Sie wollen Männer verstehen und ihr Verhalten einschätzen können. Und manchmal verlieren sie sich in diesen Überlegungen und dann ist es ganz schön zu hören, was Männer wirklich denken. Bei einem Podcast, der Männer ansprechen soll, würde es wesentlich mehr um sexuelle Themen gehen.
MAX: Es gibt nicht viele Männer, die Interesse an der Art von Gesprächen haben, die wir führen. Ihnen reicht’s, wenn es platter ist. Das vermissen sicher auch viele Frauen bei ihrem Partner.
Klingt ziemlich klischeebeladen. Ist das wirklich noch immer so?
JAKOB: Ja, vielleicht heute sogar noch mehr als früher. Wir sind so geprägt durch die sozialen Netzwerke, bewerten uns und andere nach den Fotos auf Facebook, Tinder, Instagram. Gerade in Berlin erscheint mir das so. Bumsen, weg, die Nächste – trifft natürlich auch auf manche Frauen zu. Das ist schön einfach, aber dadurch entsteht eine gewisse Leere. Das war bei mir ja auch lange Zeit so. Vielleicht können wir mit unserem Podcast diese Leere ein bisschen füllen.
Wie beeinflusst Berlin Ihren Podcast außerdem? Max, als junger Vater sind Sie ja bestimmt nicht auf jeder Sexparty im Kitkat-Club unterwegs.
MAX: Ich habe aber schon zu Beginn des Podcasts 2015 mein Ding am Rand der Stadt gemacht, während Jakob mittendrin war.
JAKOB: Ich habe im Berliner Nachtleben viel mitgenommen, die Geschichten fließen auch in den Podcast ein. Klar, in Brandenburg an der Havel erlebt man wahrscheinlich nicht die gleichen Dinge wie in Berlin. Hier herrscht ein anderes Tempo, eine andere Fluktuation – und das gilt auch fürs Zwischenmenschliche.
Immer wieder gibt es Hörerinnen, die bestimmte Äußerungen frauenfeindlich finden. Verstehen Sie die Kritik?
MAX: Vieles ist überspitzt formuliert, im Rausch der Aufzeichnung. In einer Folge ging’s darum, dass Jakob eine Lesbe umpolen wollte, wir haben ein Riesending daraus gemacht. Da gab es einige Hörerinnen, die unseren Humor nicht verstanden haben. Eine wurde richtig zornig.
JAKOB: Die hat ja auch Gender Studies studiert, glaube ich. Es geht in diesem Podcast nun mal darum, dass sich zwei Männer authentisch miteinander unterhalten. Wären es zwei Frauen, würden da sicher auch Sachen gesagt werden, durch die sich Männer angegriffen fühlen. Man sagt eben manchmal etwas dahin, das man nicht unbedingt genau so meint. Wir sind nicht frauenfeindlich eingestellt.
MAX: Es gibt eine Folge, die nicht mehr abrufbar ist, weil sie uns dann doch zu heftig war. Da haben wir Frauen in vier Typen eingeteilt, unter anderem die Art von Frauen, mit der man nicht reden will oder kann – wo’s nur ums Vögeln geht.
JAKOB: Ach ja. Das habe ich im Buch verwertet.
MAX: Was, wirklich?!
Über schlaue Ratschläge und Anmachen von Hörerinnen
Zensieren Sie sich also selbst?
MAX: Jakob gibt eigentlich immer hundert Prozent, ich möchte bestimmte Dinge im Podcast nicht mehr thematisieren. Das hat auch was damit zu tun, dass ich jetzt Vater bin. Und natürlich können wir nicht alle Details über unsere Freundinnen ausplaudern. Hey, sie hat jetzt einen Scheidenpilz! Oder: Hey, wir überlegen gerade, ob wir uns trennen!
JAKOB: Aber ich wäre der Erste, dem du’s erzählen würdest, oder? Ich glaube, in sexuellen Dingen haben wir kaum eine Schamgrenze, in emotionalen Dingen aber schon. Wir setzen uns damit ja auch einer Beurteilung aus – mögen uns die Hörer danach noch?
Mögen Ihre Freundinnen Sie denn noch?
JAKOB: „Sex mit der Ex“ ist die Folge, die meine Freundin am meisten erzürnt. Als sie das Kapitel im Buch gelesen hat, ist ihre Laune direkt in den Keller gerutscht. Was sie nicht weiß: Die erwähnte Ex-Freundin kommt auch zur Lesung.
Gibt es auch Hörerinnen, die sich in Sie verlieben?
MAX: So was geht eigentlich immer in Jakobs Richtung, ich bin da wahrscheinlich durch das Vater-Ding außen vor. Immer wieder mal gibt es Hörerinnen, die sich in dem, was Jakob über seine Emotionen erzählt, total wiedererkennen. Am Aussehen kann’s ja nicht liegen.
JAKOB: „Ich kann dich retten“, das kam oft. Dieses Gefühl haben Frauen übrigens oft gegenüber Männern. Manche Mails an mich waren auch offensiver formuliert. „Lass mal ein Bier trinken gehen, vielleicht läuft dann auch mehr.“ Seitdem ich eine Freundin habe, ist das ein bisschen zurückgegangen.
Die Anonymität hilft Ihnen, viele Dinge offen zu besprechen. Wie geheim sind Ihre Identitäten noch?
MAX: Ich bin einigermaßen anonym. Jakob hingegen bringt zur Lesung bestimmt 20 Leute mit, in der Medienbranche kriegen die Leute eher was von dem Podcast mit und erkennen seine Stimme. Ich glaube, das ist für uns der nächste Schritt: Aus der Anonymität herauskommen. Bei den Lesungen haben wir aber noch eine Schattenwand dabei.
JAKOB: Letztens, auf einem Festival, hab ich mich mit einer Freundin unterhalten. Auf einmal waren da Leute, die sagen: Wir kennen deine Stimme.
Sie sind mittlerweile auch eine Art modernes Dr.-Sommer-Team und beantworten Hörermails – ohne Experten zu sein.
JAKOB: Nun ja, Max ist gelernter Sozialpädagoge, ich bin studierter Psychologe. Wenn man sich psychologische Theorien anguckt, oder die Verhaltenstherapie, dann werden da immer Modelle aus der Praxis angewandt, die man abstrahiert. Wir schlussfolgern aus unseren Erfahrungen und geben das weiter.
MAX: Wir wissen etwa, dass sich verliebte Frauen häufig von Typen abhängig machen. Was wir da sagen: Sei du selbst, verrenn’ dich nicht ...
JAKOB: Und lass’ den Seelenficker einfach gehen.
Weiter mit den Ratschlägen! Ist Tinder heute noch das beste Mittel, um jemanden aufzureißen?
JAKOB: Nein. Ich glaube, viele Dates werden jetzt über Instagram gemacht. Wir werden übrigens von Tinder gesponsert.
... und von einer Matratzenmarke. Im Podcast sagen Sie dazu: „Die kann man 100 Tage testen und zurückgeben, wenn sie sich nicht gut liegt. Wie eine Frau.“
MAX: Das ist der überspitzte Humor, von dem wir sprechen. Die Sponsoren müssen das ertragen. Hausfrauenwerbung wie früher zieht doch nicht mehr.
Und warum gibt es nun ein Buch?
JAKOB: Eine Mitarbeiterin des Verlags kannte unseren Podcast, fand das gut und hat uns angerufen. Wir haben natürlich sofort Nein gesagt. Ich kenne ja Max’ Arbeitsmoral: Das ist jemand, der keinen Bock auf Medien hat und jetzt in den Medien ist. Sie hat uns aber zu einem Treffen überredet und wie das so ist bei manchen Dates: Man sagt dann doch ja.
„Beste Freundinnen“ gibt es auf Spotify, Deezer, i-Tunes und Soundcloud. Das Buch (285 Seiten, 10 Euro) ist ab sofort erhältlich.