Ein Kreuzberger Vermieter warnt: „Für unsere Mieter würde es teurer“
Vermieter Dirk Jordan warnt vor den Folgen eines Mietenstopps. Er hat andere Ideen, wie man die Mieten einfrieren könnte.
Dirk Jordan ist Regionalhistoriker und ehemaliger Stadtrat der Grünen für Volksbildung in Berlin-Kreuzberg, wo er privat Wohneigentum besitzt.
Herr Jordan, der heftig diskutierte Entwurf für den Mietendeckel von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher sieht eine Obergrenze von maximal 7.97 Euro pro Quadratmeter vor. Sie besitzen ein Haus in Kreuzberg. Können Sie als Vermieter damit leben?
Ja, bei uns liegen die Mieten durchschnittlich bei etwa 4 Euro nettokalt. Das Problem ist nicht so sehr der Mietendeckel, sondern der Mietenstopp, den der Entwurf ebenfalls vorsieht, und der es uns nicht mehr ermöglichen würde, die Mieten moderat zu erhöhen, um notwendige Investitionen zu tätigen. Wir sind so aufgestellt, dass wir eh nur alle zig Jahre die Mieten erhöhen und auch dann nur moderat.
Wie oft?
Ungefähr alle vier bis fünf Jahre. Allerdings hatte ich zuletzt vor zwei Jahren erhöht und müsste demnach jetzt insgesamt sieben Jahre warten, bis ich wieder darf – und das ist schon mehr, als ich geplant hatte.
Welche Auswirkungen hätte ein Mietenstopp?
Wenn wir die Mieten gar nicht mehr erhöhen dürften, dann hätten wir keine andere Wahl, als notwendige Investitionen, zum Beispiel für die energetische Sanierung über die vorgesehene Umlage auf die Mieter zu verteilen, was wir bisher nicht getan haben.
Denn nach den bisherigen Plänen dürften dann dafür 57 Cent pro Quadratmeter auf die Nettokaltmiete aufgeschlagen werden. Für unsere Mieter würde es dann teurer.
Verstehe, aber das Haus ist in Familienbesitz und dürfte entschuldet sein. Große Lasten haben Sie dann ja wohl nicht oder?
Doch, alle Häuser müssen ab kommendem Jahr mit Rauchmeldern in den Wohnungen versehen werden. Und selbstverständlich werde ich das auf eigene Kosten bezahlen und nicht auf die Mieter umlegen.
Müssen sie das nicht eh?
Weiß ich nicht, ich könnte wahrscheinlich über Leasingverträge das machen lassen und trotzdem auf die Mieter abwälzen. Will ich aber nicht. Eine der letzten Maßnahmen, die ich durchgeführt habe, war die energetische Sanierung der Fenster. Wir haben schöne alte Kastenfenster.
Statt diese zu ersetzen und den Ersatz als Modernisierung auf die Mieter umzulegen, habe ich die Holzfenster instandsetzen lassen und das selber bezahlt.
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Warum?
Weil das mein Verständnis von sozialer Verpflichtung von Eigentum ist, siehe Grundgesetz.
Sind Sie damit allein auf weiter Flur?
Nein, es gibt eine Vielzahl von Wohnhäusern in Besitz von Familien, die genauso handeln. Es gibt unter diesen Vermietern auch welche, die seit Jahrzehnten ihre Mieten nicht erhöht haben. Wir haben immer kleinere Mieterhöhungen gemacht, um solche kleineren Arbeiten finanzieren zu können.
Meine Mutter hatte in den 60er Jahren damit begonnen und die Ofenheizungen durch Gasheizungen ersetzen lassen. Wenn man ein Haus so lange besitzt und planvoll herangeht, lässt sich das mit moderaten Mieterhöhungen auch machen.
Wie viel Miete verlangen Sie?
Wir haben kleine Wohnungen im Hinterhaus und große im Vorderhaus. Die kleinen liegen bei weniger als vier Euro, die anderen bei 5,50 Euro Nettokaltmiete.
Mannomann, das ist ein Drittel von dem, was andere in Kreuzberg verlangen. Lockt Sie das große Geld nicht?
Überhaupt nicht, das kann ich doch nicht essen. Das Haus hat mein Großvater mit seiner Schwester bauen lassen. Er hatte eine kleine Röhrenfabrik, eine Metallklitsche würde man heute sagen. Die haben das als Alterssicherung gebaut und über Hypotheken finanziert. Nach 1945 hat meine Mutter das geerbt, ihre Verwandten ausgezahlt.
Es hatte einen Bombenschaden, sie hat es gehalten, obwohl die Mieten damals nicht auskömmlich waren. Oma und Opa haben in dem Haus gewohnt, meine Mutter, ich selbst zeitweilig, mein Bruder heute noch. Außerdem lebt meine Tochter mit den Enkeln dort. Das Haus ist das Nest der Familie. Deshalb lockt das große Geld nicht.
Kreuzberg ist auch für Protestkultur berühmt. Werden sie manchmal als Bonze beschimpft?
Nein, habe ich nicht erlebt. Die Mieter wohnen zum Teil seit 40 Jahren im Haus. Nebenan gibt es eine Baugenossenschaft, deren Mitglieder ich kenne. Am Südstern gibt es auch eine Bürgergenossenschaft. Unsere Mieter verabreden sich, um den Müll in der Fontanepromenade einzusammeln. Die Menschen fühlen sich ein Stück verantwortlich für das Quartier und wir als Vermieter auch. Das ist wichtig.
Haben Sie denn schon unsittliche Kaufangebote bekommen von Glücksrittern?
Unsittliche nicht. Im Übrigen gilt „idP“ – in den Papierkorb!
Verstehen Sie die Menschen, die zu Tausenden auf die Straße gehen und gegen den Mietenwahnsinn protestieren?
Na klar. Deswegen verstehe ich den Senat auch nicht, dass er Vermieter wie uns verprellt und die Genossenschaften. Die bemühen sich und halten gegen den Wahnsinn mit ihren moderaten Mieten.
Andererseits stoppt das die Geschäftemacher, die den letzten Cent rauspressen…
Das sehe ich auch so. Deshalb bin ich für einen Mietenstopp oberhalb der zulässigen Mietspiegelwerte. Mieten, die über dem Mietspiegel liegen, müssten gesenkt werden. Im Grunde bräuchte es ein scharfes Steuerungsinstrument. Das gibt es bisher nicht.
Also einen Mietspiegel, der gerichtsfest ist und keine Ausnahmen und Lücken mehr zulässt?
Ja. Wenn ich so etwas aber vorschlage, heißt es, die Armen und Transferbezieher würden belastet. Aber das stimmt nicht. Der Senat bezahlt diesen Menschen eine Bruttokaltmiete von acht Euro. Wir liegen mit unseren Mieten deutlich niedriger. Selbst wenn wir erhöhen würden, könnten Bezieher von Transferleistungen noch die Miete bezahlen und würden in keine Schwierigkeiten geraten.
Auch dieses Argument rechtfertigt also nicht den pauschalen Mietenstopp ohne Blick auf Vermieter wie uns, die selbstverständlich die besondere Verpflichtung von Immobilieneigentum akzeptieren.
Was würden Sie dem Senat raten, um die Glücksritter und Spekulanten einzufangen, die billig Häuser kaufen mit geringen Mieten wie ihre, um dann durch teure Modernisierungen und sprunghafte Mieterhöhungen maximalen Gewinn zu machen?
Die Umlage der Kosten für Modernisierungen würde ich abschaffen. Für energetische Sanierungen müssten stattdessen Zuschüsse oder andere wirtschaftliche Anreize geschaffen werden. Extra Reibach zu machen durch die Umlage, das verstößt gegen die soziale Verpflichtung des Wohneigentums.
Da ist auch der Bund in der Pflicht. Berlin kann das nicht alleine stemmen. Aber dass der Senat nicht längst Druck macht mit einer Bundesratsinitiative oder die SPD in der großen Koalition die CDU vor sich hertreibt, das ist nicht in Ordnung. So groß und mächtig ist die CDU auch nicht mehr.
Wie hoch sollte die Modernisierungsumlage sein?
So wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen auch, maximal zwei Prozent. Wer neu baut, bekommt auch nur zwei Prozent Abschreibung. Außerdem müsste die Umlage zeitlich begrenzt werden. Eine dauerhafte Abschreibung ist Unsinn. Nach 50 Jahren ist eine Klingelanlage hin. Die acht Prozent bei Modernisierungen heute sind eine politische Subvention der Branche. In diesem Punkt ist der Mietendeckel gut, der das stoppt.
Der Mietendeckel sieht die Umlage von 50 Cent maximal pro Quadratmeter vor. Plus die Einsparungen der Energie durch die Maßnahme. Recht so?
50 Cent Umlage, ja, aber der Rest ist Blödsinn und erzeugt nur Bürokratismus. Stattdessen sollte man lieber gezielte Förderungen anbieten. Auch bei der Barrierefreiheit von Bädern, damit alte Menschen ohne Stolperfallen noch in die Dusche kommen. Dann kann jeder selbst entscheiden, ob er einen Antrag stellen will und mit den Ämtern ins „Zwiegespräch“ gehen will.
Klingt so, als könnten Sie sich trotz geringer Mieten zurücklegen, weil das Haus eine Goldgrube ist, richtig?
Falsch, ich muss im Innenhof die Fassade erneuern. Das ist nicht billig zu haben, zumal das vermutlich eine energetische Maßnahme wird. Ich kann zwar ein bisschen Vorsorge treffen. Aber das Geld wird wohl nicht reichen. Vielleicht muss ich einen Kredit aufnehmen und dann doch wieder Zinsen zahlen. So etwas muss man als Vermieter im Kopf haben, damit es einen nicht erwischt.
Vor zwei Jahren hatte ich Wohnungen, in denen große Umbauten fällig wurden, weil die Mieter wechselten. Diese Kosten kann ich nicht umlegen. Das ist mein Risiko. Und auf die Gewinne, die ich dafür brauche, zahle ich Steuern. Das hat in der Diskussion heute niemand im Blick. Darf ich abschließend um etwas bitten?
Kommt darauf an, was es ist…
Geht an die Leser: Keine unserer 23 Wohnungen ist frei. Und es wird auch keine frei. Also bitte keine Mietanfragen.
Hinweis: Dieses Interview wurde ursprünglich am 24. Juni publiziert. Fragen und Antworten zum aktuellsten Mietendeckel-Entwurf wurden am 27. August ergänzt.