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Einladend: Eine modernisierte Wohnung im Altbau.
© imago/Westend61
Update

Musterklage von Mietervertretern: Keine Modernisierung auf Mieterkosten

Modernisieren nach dem Kauf von Wohnungen, das wollen viele Investoren. Weil sie dann die Mieten erhöhen dürfen. Eine Musterklage will das stoppen.

Schluss mit dem Anbau von Balkonen, keine Aufzüge mehr in Gründerzeithäusern, die alten zugigen Fenster bleiben und auch die Gastherme aus den 1980er Jahren bleibt. "Modernisierungen" sind verfassungswidrig und ein "Steigbügelhalter der Gentrifizierung". Sagt der Chef des Berliner Mietervereins Reiner Wild. Zusammen mit der Online-Plattform "wenigermiete.de" unterstützt der Verein die Klage eines Berliner Mieters. Der setzt sich gegen eine Mieterhöhung zur Wehr, die mit Modernisierungsmaßnahmen begründet wird.

"Einseitige Belastung der Mieter"

Weil aber das Bürgerliche Gesetzbuch eine Umlage von Modernisierungskosten auf den Mieter seit den 1970er Jahre erlaubt, werden die Mietervertreter grundsätzlich: Die Kosten von Modernisierungen gingen "einseitig zu Lasten der Mieter". Dabei profitiere der Hauseigentümer, weil die Modernisierung den Wert der Immobilie erhöhe. "Siet das auch der verantwortliche Richter beim Amtsgericht so, muss er den Fall vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich klären lassen".

Nicht jede Modernisierung ist unerwünscht

So ganz einfach liegen die Dinge allerdings nicht: Der Mieter profitiert selbst natürlich auch vom "höheren Wohnwert" nach einer Modernisierung. Ein Aufzug kann für einen gehbehinderten Mieter oder eine Familie mit Kindern und prallen Einkaufstüten eine große Erleichterung sein. Wer in lauen Sommernächten auf einem Balkon die Weinschorle trinken kann, dürfte von Mietern ohne Balkon durchaus beneidet werden. Auf der anderen Seite der Medaille stehen die "unsinnigen" Modernisierungen wie der kleine Stahlbalkon im ersten Stock des engen Hinterhofs neben der Dunstabzugshaube der benachbarten Kneipen-Küche. Oder die Zentralheizung, die eine voll funktionsfähige Gas-Heizung ersetzen soll.

Eine spannende Interessen-Kollision

Interessant wird das Urteil des Richters sein in Hinblick auf eine tatsächlich wunderliche Regelung bei der Umlage von Modernisierungskosten. Denn der Mieter zahlt für die Arbeiten gleichsam lebenslang, ja sogar Generationen-übergreifend. Denn selbst wenn die Kosten der Investition in voller Höhe durch die zusätzlichen Mieteinnahmen wieder in der Kasse des Hauseigentümers zurückgeflossen ist, bleibt die modernisierungsbedingte Mietenplus bestehen. Darauf verweisen auch die Mietervertreter. Wird diese Regelung infrage gestellt, könnte andererseits mit derselben Begründung die Miete von Altbauten an sich infrage gestellt werden: Denn Häuser, die vor 100 Jahre errichtet wurden, werden ja auch nicht deshalb "wertlos", weil der Bauherr seine Investition längst zurück bekommen hatte.

Der Bund hatte die Umlage schon gekürzt

Der Bund hatte bereits in seiner letzten Mietrechtsnovelle die Höhe der Umlage gesenkt von elf auf acht Prozent. Rein rechnerisch sind nach 12,5 Jahren die Kosten der Modernisierung durch den Mietenaufschlag refinanziert. Hinzu kommen die Steuervorteile: Die Investition in das Wohnhaus kann "abgeschrieben" werden, senkt damit den zu versteuernden Ertrag, also die Mieteinnahmen.

30 Prozent ziehen aus bei Modernisierung

Dem Mieterverein zufolge stiegen bei den von ihm untersuchten Modernisierungsfällen die Mieten um durchschnittlich 50 Prozent. Bei knapp einem Viertel aller angekündigten Maßnahmen habe die Miete um 3 Euro je Quadratmeter und Monat oder mehr erhöht werden sollen: bei einer 70 Quadratmeter großen Wohnung also um 200 Euro monatlich. In knapp 15 Prozent der Fälle sei ein Anstieg der Nettokaltmiete um mehr als das Doppelte beabsichtigt gewesen. Daraus folgern die Mietervertreter, dass die Grundeigentümer in Kauf nähmen, dass ihre Modernisierung zur Verdrängung der Mieter führen könne. Nach Schätzung der Lobbyisten verlassen 30 Prozent der Altmieter bei Modernisierungen das betroffene Wohnhaus.

CDU-Wohnungsexperte warnt vor Folgen für Klimaschutz

„Verwundert“ zeigte sich der stellvertretende rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Bundestag Jan-Marco Luczak. „Natürlich gibt es Verwerfungen, aber wir dürfen deshalb nicht die Axt an das ganze System ansetzen“. Die große Koalition habe missbräuchlichen Modernisierungen durch die jüngst beschlossene Mietrechtsreform den Kampf angesagt. Wenn aber Modernisierungen völlig unwirtschaftlich werden für Hauseigentümer, dann komme auch die Senkung des CO2-Verbrauchs im Wohnungsbestand nicht voran „und das ist nicht in Einklang zu bringen mit der Forderungen von zehntausenden auf der Straße nach mehr Klimaschutz“.

Rechtsexperte: Keine Erfolgsaussichten

"Die Verfassungsbeschwerde hat keine Erfolgsaussichten", sagt der Berliner Rechtsanwalt Karlheinz Knauthe. Wäre die Vorschrift verfassungswidrig, so könnte sich der Vermieter gleichermaßen "auf die Verfassungswidrigkeit einer Vielzahl von mietrechtlichen Vorschriften berufen mit dem Argument des Verstoßes gegen die Vertragsfreiheit". Er sieht in der Möglichkeit der Umlage gleichsam einen Ausgleich zwischen den Interessen des Vermieters und jenen des Mieters: Die entsprechende Vorschrift sei ja "Teil des sozialen Mietrechts, das in vielfältiger Weise seinen Ausdruck in der ständigen Rechtsprechung zum Mietrecht findet. Eine soziale Komponente habe der Bund zuletzt durch die Senkung der Modernisierungsumlage von elf auf acht Prozent "eingebaut". Andererseits sei auch "die Verbesserung der Wohnqualität Ausdruck wirtschafts- und wohnungspolitischer Intentionen des Gesetzgebers" und dazu habe sie die wirtschaftlichen Anreize geschaffen.

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