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Berlin
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Berlins Bausenatorin legt Gesetzesentwurf vor: Welche Folgen Lompschers Mietendeckel haben könnte

Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher will die Mieten per Gesetz kräftig senken. Was bedeutet das für Vermieter und Bauwirtschaft?

Der Gesetzentwurf von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) zum Mietendeckel sieht Obergrenzen ab 3,89 Euro vor – sogar für möblierte Wohnungen. Eigenbedarf müsste demnach in den Bezirksämtern genehmigt werden – bei denen auch Mietsenkungen beantragt werden sollen.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung legt 17 Quadratmeter-Mieten fest. In der Tendenz gilt dabei: Je älter das Mietshaus ist, desto höher die Miete – ohne Rücksicht auf die Lage. Die Miete für Altbauwohnungen, die „bis 1918“ entstanden, dürfte demnach höchstens 6,03 Euro je Quadratmeter im Monat kosten – „ab dem Tag der Antragstellung“.

Was würde das für Vermieter und ihre finanziellen Verpflichtungen bedeuten?

Die Senatorin rechnet damit, dass jeder zweite Mietvertrag nach unten korrigiert werden müsste. Alle Eigentümer der betroffenen Wohnungen verlieren dann die Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Miete und der neuen staatlich festgelegten. Schwierig könnte das für Rentner werden, die ihr Erspartes zur Alterssicherung in eine vermietete Eigentumswohnung investiert haben.

Wie stark das an die Substanz geht, hängt vom Einzelfall ab. Wer die Wohnung vor kurzem zu hohen Preisen erwarb und sich dafür hoch verschuldete, wird vermutlich in die Verlustzone rutschen.

Das gilt im Kleinen wie im Großen – wobei das bei Konzernen eher die Frage der Immobilien-Neubewertung in den Bilanzen aufwirft. Zur Abwehr von Insolvenzen sieht der Gesetzesentwurf aber auch eine „Härtefallklausel“ vor.

Wie groß ist das Risiko für die Konzerne?

Die Folgen für Immobilienkonzerne wie die Deutsche Wohnen oder Vonovia sind nur schwer abzuschätzen. Die plötzliche Bereitschaft der Deutsche Wohnen, dem Land Berlin mehrere Tausend Wohnungen zu verkaufen, fällt aber auf. Eine These lautet: Der Konzern muss dringend von hohen Schulden runter. Konzern-Chef Zahn gab sich im Gespräch mit dem Tagesspiegel betont gelassen.

Die Firma hat viele Miethäuser aus der Nachkriegszeit und in nicht zentralen Lagen, wo die Mietsenkung weniger stark zuschlagen würde. Dass der Mietendeckel theoretisch nur fünf Jahre gelten soll, könnte verhindern, dass die Banken zu einer systematischen Neubewertung von Immobilienkrediten gezwungen sind.

Welche Folgen hätte der Mietendeckel für Eigentumswohnungen?

Folgt man der Logik des Immobilien-Marktes, werden die Preise von Eigentumswohnungen sinken. Denn der Preis einer Wohnung hängt von der Miete ab, die damit erzielt werden kann. Durch den Deckel sinkt die Miete schlagartig auf die sehr niedrigen, staatlich festgelegten Oberwerte – und die Kaufpreise mit ihnen.

Hinzu kommt: Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen durch Privatleute dürfte schlagartig nachlassen. Denn wozu sollte jemand das Risiko von hohen Schulden und allen Verpflichtungen eingehen, die mit Eigentum verbunden sind, wenn es Hunderttausende Wohnungen mit Billigmieten überall in Berlin gibt?

Einige Experten rechnen aber auch damit, dass viele Spekulanten, die Wohnhäuser in Erwartung steigender Mieten erworben haben, diese nun aufteilen und als Eigentumswohnungen zu verkaufen versuchen – um ihren schlagartig abgewerteten Immobilienbesitz mit möglichst geringem Verlust loszuwerden.

Gäbe es für Vermieter und Mieter überhaupt noch Planungssicherheit?

Der Mietendeckel funktioniert wie ein Notstandsgesetz: Wie es weiter geht, ist ungewiss. Zunächst einmal soll er fünf Jahre gelten. Eine Verlängerung um weitere fünf Jahre ist aber nicht ausgeschlossen – und nach derzeitiger Lage sogar wahrscheinlich.

Denn der Wohnungsbau kommt in Berlin kaum in Fahrt. In diesem Jahr wurden sogar noch weniger Wohnungen genehmigt als im vergangenen. Weil die Zahl der Menschen in Berlin von Jahr zu Jahr schneller wächst als das Wohnungsangebot, verschärft sich die Not.

Was bedeutet das für den Neubau?

Der Wohnungsneubau ist vom Deckel ausgenommen. Als Neubau gelten Häuser, die nach 2013 fertig wurden. Wagemutige Unternehmer könnten weiter bauen und hoffen, dass eine Verlängerung des Gesetzes in fünf Jahren ihren Neubau nicht schlagartig in einen Altbau mit gedeckelter Miete verwandelt.

Allein solche Spekulationen sorgen schon für große Verunsicherung am Wohnungsmarkt. Experten erwarten, dass die nicht spekulativ agierenden Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungskonzerne lieber auf „rechtssichere“ Märkte ausweichen.

Was kommt auf die Bezirksämter zu?

Eine Flut von Anträgen wird sie erreichen, sobald das Gesetz Anfang 2020 in Kraft tritt. Als Stichtag für die Senkung der Mieter gilt der Zeitpunkt, an dem der Mieter den Antrag beim Bezirk stellt – jeder Tag zahlt sich also aus. Bei der gegenwärtigen Personalausstattung der Bezirksämter würde dann eine ganz lange Wartezeit folgen.

Bisher ist im Berliner Haushalt kein zusätzliches Personal vorgesehen. Fraglich ist auch, woher qualifizierte Fachkräfte mit rudimentären Rechtskenntnissen auf dem leer gefegten Arbeitsmarkt kommen könnten.

Hintergrund zum Berliner Mietendeckel – alles, was Sie wissen müssen:

Gibt es Vorbilder in anderen Städten?

In Deutschland bisher nicht.

Welche Aussicht auf Erfolg hat Lompschers Plan in der Berliner Koalition?

Der Mietendeckel wird kommen, aber vermutlich anders als in diesem Entwurf. Dieser wird jetzt mit Wohnungsmarkt-Experten innerhalb der Koalition und mit Unternehmern diskutiert. Lompscher wird auch die sechs landeseigenen Unternehmen heranziehen, um die Folgen der Mietsenkungen für deren Bilanzen hochzurechnen.

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Die endgültige Version Lompschers legt ihre Verwaltung erst in einer Woche vor. Möglicherweise gestrichen werden könnten noch das Verbot der Eigenbedarfskündigung ohne Ausnahmegenehmigung oder das radikale Einfrieren der Mieten ohne weitere Erhöhungen. Die soziale Unwucht durch die Senkung der Altbaumieten in begehrten Citylagen dürfte auch in Lompschers Linkspartei noch heftig diskutiert werden.

Wie verfassungsfest ist ein Mietendeckel?

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht gerade die Mietpreisbremse des Bundes für verfassungskonform erklärt. Daraus Schlüsse für den Mietendeckel zu ziehen, wäre aber voreilig. Denn die Mietpreisbremse verstößt möglicherweise gerade deshalb nicht gegen das Recht auf Eigentum, weil sie gespickt ist mit Ausnahmeregelungen – weshalb Mietervertreter sie als fast schon wirkungslos kritisieren. Die Karlsruher Richter betonten, dass sie „verhältnismäßig“ sei und Eigentumsrechte eben nicht zu arg beschneide.

Vom Mietendeckel der Linken wären aber alle Mietverhältnisse betroffen, sogar die gewerblicher Anbieter möblierter Wohnungen – Ausnahmen und Schlupflöcher sind nicht erkennbar. Nur Härtefallregelungen für Wohnungseigentümer, die Kreditzinsen oder andere Immobilienkosten nicht mehr bezahlen können und denen die Pleite droht, sollen die „Verhältnismäßigkeit“ sicher stellen.

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