Wohnen und Klimaschutz: BUND fordert "Mietendeckel ohne Nebenwirkungen"
Die Sanierungsrate in Berlin sei derzeit viel zu niedrig, beklagt Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND in Berlin. Die Politik müsse endlich gegensteuern.
Die Grünen sind an der Regierung - sind Sie mit der Klimawende im Wohnungsbestand zufrieden, Herr Heuser?
Nein, die Sanierungsrate ist viel zu niedrig. Sie liegt bei jährlich 0,9 Prozent der Gebäude und müsste auf mindestens 2,5 Prozent steigen, um die Ziele im Klimaschutz zu erreichen. Das hat Umwelt-Senatorin Regine Günther bei der Klausur der Grünen in Prag so auch gesagt, am letzten Freitag erst.
Klingt nach einem Zielkonflikt. Nachdem der Mietendeckel beschlossen war, erklärten die Vermieter, dann geht uns das Geld aus um uns energetische Sanierungen leisten zu können. Egal?
Nein, letztendlich geht es um die Frage, wer die energetische Sanierung bezahlt. Bisher waren es die Mieter. Eine Umlage von acht Prozent der Sanierungskosten auf die Mieten und das dauerhaft, also auch noch nachdem Investitionen in voller Höhe durch die zusätzlich bezahlte Miete wieder drin sind, ist erlaubt.
Hinzu kommt, dass einige Vermieter dieses Instrument eingesetzt, um maximale Mieterhöhungen durchzusetzen und Bewohner mit geringen Einkünften zu verdrängen. Deshalb ist die Deckelung der Mieten und der Umlage von Sanierungskosten auf die eingesparten Wärmekosten plus maximal 50 Cent pro Quadratmeter aus sozialen Gesichtspunkten richtig.
Auch wenn die Vermieter sagen, dann stoppen wir die Sanierung?
Das Risiko sehe ich auch. Bund und Berlin müssen sich dieser Herausforderung stellen, indem sie Hauseigentümern Anreize bieten, trotzdem zu sanieren. Letztlich geht es um die Verteilung der Kosten energetischer Maßnahmen zwischen Hauseigentümern, Mietern und der Allgemeinheit. Da bin ich für eine CO2-Steuer, die ja in der bundespolitischen Debatte ist. Durch diese würde der Staat die Mittel einnehmen, um die energetische Wende im Gebäudesektor finanzieren zu können.
In den sozialen Netzwerken werden Warnungen von Genossenschaften und Wohnungsverbänden vor dem Mietendeckel zum "spin" einer Lobby erklärt. Teilen Sie diese Meinung?
Nein, wenn die Einnahmen durch den Mietendeckel geringer sind, die laufenden Kosten aber weiter steigen wie bisher, dann sinkt der Spielraum für Investitionen. Das ist ganz triviale betriebswirtschaftliche Logik. Das gilt übrigens ganz besonders für die gemeinnützigen Vermieter und solchen privaten Einzeleigentümern, die nicht auf schnelle Renditen schielen, sondern langfristig ihre Immobilien halten. Diese erhöhen periodisch die Miete und setzen das Geld ein, um ihre Häuser auf dem aktuellen energetischen und baulichen Stand zu halten - auch wenn das sich nur gerade eben rechnet. Bei eingefrorenen Einnahmen und steigenden Kosten geht das nicht mehr.
Und dann werden die klimapolitischen Ziele verfehlt?
Ja, jedenfalls wenn es keine anderen finanziellen Anreize gibt zu sanieren. Das Grundproblem ist, dass es dazu keine konstruktive Diskussion gibt. Stattdessen werden die Modernisierer, denen jedes Mittel recht ist zur Erhöhung ihrer Renditen, stellvertretend für die ganze Branche genommen. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren, sondern muss einen Mietendeckel ohne Nebenwirkungen schaffen.
Manche gehen davon aus, dass es Wohnungen genug gibt in Berlin und nur die Mieten aus dem Ruder laufen. Der Deckel werde das Problem richten. Richtig?
Ökonomisch ist die Annahme falsch, dass durch den Mietendeckel der Bedarf an Neubau sinkt. Das Gegenteil ist der Fall, weil die Leute keinen Anreiz mehr haben werden, ihre Wohnraumansprüche zu reduzieren. Das ist die Logik der Knappheitssteuerung. Solange die Mietpreise im Bestand Richtung Neubau schießen, wird bei den Flächen gespart.
Aber nur für die, für die Geld ohnehin keine Rolle spielt...
Ja, die Vermieter wählen immer denjenigen mit dem höchsten Einkommen aus, mit oder ohne Mietendeckel. Wer nur wenig zahlen kann, wird auch künftig nicht an die gedeckelten Mietwohnungen herankommen. Diese Debatten müsste man eigentlich führen.
Stattdessen gelten pro oder contra sowie Redeverbote für mutmaßliche Gegner der eigenen Sichtweise. Sind diese Löcher im Deckel überhaupt noch in so kurzer Zeit zu löten?
Sie müssen geklärt werden. Zumal diese Fragen an die Substanz der gemeinnützigen Firmen gehen, der Genossenschaften und der sechs landeseigenen Unternehmen. Man darf gerne deckeln, aber wir brauchen flankierende Maßnahmen, wenn wir Investitionen nicht abwürgen und die Klimaziele erreichen wollen.
Tilmann Heuser ist Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND in Berlin. Das Gespräch führte Ralf Schönball.