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Aktivisten von Extinction Rebellion besetzen am 07. Oktober 2019 den Großen Stern um die Siegessäule im Berliner Tiergarten in Berlin-Mitte.
© Stefan Weger

Demos und Blockaden ab dem 15. Juni: Extinction Rebellion kündigt wieder Proteste in Berlin an – auch digitale

Aktivisten kritisieren die Klimapolitik der Regierung – und wollen mit „disruptiven“ Aktionen den Druck erhöhen. Die Corona-Regeln sollen eingehalten werden.

Die Klimabewegung Extinction Rebellion (XR) will ab dem 12. Juni mit digitalen und auch physischen Blockadeaktionen gegen die Klimapolitik von Bundesregierung und Unternehmen protestieren. In Berlin soll es in der Woche vom 15. Juni zwei bis vier Aktionen geben, sagte XR-Sprecher Tino Pfaff dem Tagesspiegel. Wie genau diese aussehen und wo sie stattfinden sollen, werde derzeit entwickelt.

Geplant seien sowohl legale Aktionen wie kleine Demonstrationen als auch ziviler Ungehorsam. Ähnliche dezentrale Aktionen soll es zwischen dem 15. Und 21. Juni in bis zu 30 Städten deutschlandweit geben. Alles soll im Rahmen der geltenden Corona-Beschränkungen stattfinden.

„Wir haben die Schwierigkeit, dass wir unser eigentliches Moment der Massenmobilisierung jetzt nicht durchführen können und auch nicht wollen“, sagte Pfaff. „Das heißt für uns: Kleinere Aktionen, die auch Corona-verträglich sind. Aber ziviler Ungehorsam geht ja auch anders, durch Festketten, Festkleben, anders blockieren in friedlicher Weise.“

„Disruption und ziviler Ungehorsam“ auch im Internet

Parallel kündigen die Klimaaktivisten eine digitale Rebellion an: „Disruption und zivilen Ungehorsam auch im Internet“, kündigt Pfaff an. Vorstellbar sei etwa, dass massenhaft E-Mails an die Adresse einer Behörde geschickt würden oder diese im Fünf-Minuten-Takt angerufen wird. Außerdem soll es ein „Digitales Klimafestival“ mit Workshops und Vorträgen geben.

Unter dem Motto „Blockierer blockieren“ wollen sich die Aktivisten an jene richten, die ihrer Meinung nach für Missstände im Bereich des Klimaschutzes verantwortlich sind. Sie fordern unter anderem eine „Bürger*innenversammlung, die Vorschläge erarbeitet, wie Deutschland bis 2025 klimaneutral werden kann, das Artensterben gestoppt und bereits jetzt betroffene Menschen unterstützt werden können“, heißt es in einer Mitteilung von XR.

Distanzierung von „Hygienedemos“

Dabei wollen sich die Aktivisten klar von den sogenannten „Hygienedemos“ und der neu gegründeten „Widerstand2020“-Initiative distanzieren, die deutschlandweit gegen die Corona-Schutzmaßnahmen protestieren. 

Er habe zwar ein gewisses Verständnis für Menschen, die diese Demonstrationen besuchten, sagte Pfaff – aber nicht dafür, dass sie dort gemeinsam mit Neonazis und Antisemiten demonstrierten. Deren menschenverachtende Ideologien seien mit XR nicht vereinbar. 

Auch von Verschwörungstheorien rund um das Coronavirus distanziert sich die Bewegung explizit. XR orientiere sich am wissenschaftlichen Konsens, sagte Pfaff.

Eine Massenmobilisierung wie im Oktober 2019 soll es im Juni nicht geben - wegen der Coronavirus-Pandemie.
Eine Massenmobilisierung wie im Oktober 2019 soll es im Juni nicht geben - wegen der Coronavirus-Pandemie.
© Stefan Weger

„Wenn das Geld nicht mehr fließt, leidet auch der Aktivismus“

Ursprünglich hatte XR eine große „Rebellionswelle“ in Berlin bereits für den 4. Mai angekündigt, diese wegen der Coronavirus-Pandemie aber verschoben. Im Oktober 2019 hatten sich einer ähnlichen Aktionswoche in Berlin mehrere tausend Menschen angeschlossen, die Aktivisten veranstalteten Flashmobs und blockierten mehrfach Brücken in der Stadt.

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Zu Beginn der Pandemie sei auch innerhalb der Bewegung viel eingebrochen, sagte Pfaff. Einige der knapp 150 deutschlandweiten Ortsgruppen hätten ihre Arbeit zumindest temporär eingestellt. Die Menschen hätten einfach anderes zu tun gehabt. „Wenn auf einmal das Geld nicht mehr fließt und die Kinder zu Hause sind, leidet auch der Aktivismus“, sagte Pfaff. Bei XR gebe es, im Gegensatz etwa zu „Fridays for Future“,  viele Menschen mittleren Alters.

Aktuell wache die Klimabewegung aber wieder auf, die von XR angekündigte Rebellionswelle erscheine ihm als eine Art „Weckruf“. Die Politik habe in der Coronavirus-Krise zwar aus seiner Sicht – trotz aller Kritik – gut agiert und reagiert, sagte Pfaff. 

Im Bereich des Klimaschutzes zeichne sich aktuell aber, etwa bei Rettungsmaßnahmen für die Lufthansa oder Diskussionen über eine erneute Abwrackprämie – das ab, wovor die Aktivisten sich gefürchtet hätten. „Das ist durchaus eine bedenkliche Entwicklung“, sagte Pfaff. „Mein Fazit ist: In der Bundesregierung ist immer noch nicht angekommen, wie dringlich es ist.“ Deswegen wollen die Aktivisten den Druck nun erhöhen.                                                                                      

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