Extinction Rebellion in Berlin: Dieser Klima-Demonstrant war 20 Stunden angekettet
Mehr als 3000 Extinction-Rebellion-Demonstranten haben seit Montag Orte in Berlin blockiert. Jan-Gerrit Seyler musste von der Polizei losgeschweißt werden. Was treibt ihn an?
Er war einer der letzten Aktivisten, der Dienstagmittag den Potsdamer Platz in Berlin-Mitte verließ. Jan-Gerrit Seyler war mehr als 20 Stunden an eine Wanne gekettet - für das Klima, wie er sagt. Er ist Teil von Extinction Rebellion, den radikalen Klimaschützern, die seit Montag in Berlin Straßen und Plätze blockieren. Mehr als 3000 Aktivisten blockierten neben dem Potsdamer Platz auch noch den Großen Stern.
Seyler hat die ganze Nacht von Montag auf Dienstag am Potsdamer Platz verbracht. Gemeinsam mit seinen zwei kleinen Kindern ist der Hamburger extra für den Protest nach Berlin gekommen. Es ist das erste Mal, dass er sich von der Polizei hat wegtragen lassen.
Erste Protesterfahrungen hat er mit seinem Vater bei seinen Anti-Atom-Protesten in Gorleben gesammelt. Mit dem Tagesspiegel hat er darüber gesprochen, was ihn antreibt.
Herr Seyler, Sie waren bis eben 20 Stunden bei Regen und 10 Grad Celsius an eine Wanne gekettet, wie geht es Ihnen?
Super. Ich war die ganze Zeit warm, die Verpflegung war toll, ich habe extrem warme Socken, gutes Schuhwerk und sechs Schichten an. In der Nacht konnte ich auch mal schlafen.
Verzeihen Sie die Indiskretion – mussten Sie nicht mal?
Ich trage eine Windel, die hält immer noch. Leider ist sie ein bisschen zu klein, Anfängerfehler.
Warum tun Sie das hier?
Für meine Kinder. Ich habe Handlungszwang. Wenn ich nichts täte, würde ich depressiv oder wahnsinnig.
Wie kamen Sie zu Extinction Rebellion?
Anfang des Jahres war ich auf einer „Fridays for Future“-Demo. Am Ende sprach Greta und mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich habe wissenschaftliche Artikel gelesen, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen, zum Beispiel „Deep Adaptation“ („Fundamentale Anpassung“, Anm.d.Red).
Da hatte ich ein Aufwacherlebnis, was hier wirklich passiert. Die Kinder haben Hoffnung, ich habe keine Hoffnung mehr. Deshalb war ich falsch bei „Fridays for Future“ und bin zu „XR“. Die haben den Slogan: „Hope dies, action begins“. Wir sind alle einmal durch die Trauer und die Wut hindurchgegangen, jetzt handeln wir.
Sie wollen die Welt für Ihre Kinder retten?
Natürlich. Ich habe zwei Söhne, einer ist 21 Monate, einer zehn. Die haben sich gestern erst mal auf meinen Schoß gesetzt, als ich angekettet war.
Hat sich die Aktion gelohnt?
Ja, aus mehreren Gründen. Für mich persönlich, weil ich das Gefühl habe handlungsmächtig zu sein, bei all der Ohnmacht, die dem Thema innewohnt. Vielleicht können wir doch etwas bewirken? Und für die Sache hat es sich gelohnt, weil ein großes Medienecho auch den politischen Druck erhöht.
Wie hat sich die Polizei verhalten?
Super kooperativ und sympathisch, der „Schnack“, so sag ich als Hamburger, war humorvoll und nett. Zwischendurch haben die uns nachts komplett allein gelassen. Die waren völlig unterbesetzt. Das hat mich überrascht, dass die Polizei uns so gewähren hat lassen, wir hatten das doch alles angekündigt.
Was passiert jetzt?
Das weiß ich noch nicht, aber die Aktionen gehen weiter.
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