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Eine junge Demonstrantin vor der australischen Botschaft in Buenos Aires.
© dpa/ Florencia Martin

„Ich kann die Katastrophe nicht verhindern“: Wenn die Angst vor dem Klimawandel nicht mehr weggeht

Der Klimawandel macht vielen Menschen Sorgen. Doch manche lässt die Traurigkeit nicht mehr los. Psychologen sprechen von einer zunehmenden Klimaangst.

Als der Regenwald in Brasilien brennt, sitzt Sabrina weinend vor dem Laptop. Die 35-Jährige denkt jeden Tag an die Folgen des Klimawandels und verzichtet auf vieles, um nachhaltig zu leben. Sie ernährt sich vegan, fliegt nicht und kauft ihre Kleidung gebraucht. Das hat ihr lange ein gutes Gefühl gegeben. Doch seit sie die brennenden Bäume in den Nachrichten sieht, fühlt sie sich ohnmächtig. „Ich alleine kann die Katastrophe nicht verhindern“, denkt sie.

Die Bilder lassen sie nicht mehr los. Sie geht damit ins Bett und wacht morgens voller Sorge auf. Sie überlegt nach Brasilien zu reisen und die Feuer selbst zu löschen, findet die Idee aber gleichzeitig irrational. „Für mich war das so ein Druck“, erinnert sie sich. „Ich wollte mehr dagegen machen, aber wusste nicht wie. Das hat mich total traurig gemacht.“ Sabrina zieht sich immer mehr zurück. Die Traurigkeit lässt sie nicht mehr los.

Nicht nur Sabrina fühlt diese Verzweiflung. In den sozialen Netzwerken klagen junge Menschen über Klimaangst, Psychologen sprechen auch von Klimadepression. Unter dem Hashtag #climateanxiety finden sich in den sozialen Netzwerken Tausende Posts. Im Internet gibt es Selbsthilfegruppen, Podcasts und Blogeinträge dazu. Auf dem Instagram-Kanal „Klima-Angst“ postet der Autor Jan Lenarz aufmunternde Sprüche. Er schreibt: „Es ist keine Schwäche, auf einer kaputten Welt nicht zurechtzukommen.“ Oder: „Das Richtige zu tun bleibt richtig, auch wenn es die Welt nicht rettet.“ Er hat 4748 Follower.

Eine „Fridays for Future“-Klimakundgebung in der Schweiz.
Eine „Fridays for Future“-Klimakundgebung in der Schweiz.
© dpa/Jean-Christophe Bott

Die Psychotherapeutin Anke Glaßmeyer nennt Klimaangst ein „relativ neues Phänomen“. Seit etwa einem Jahr sei die Sorge um den Zustand der Welt vermehrt ein Thema für ihre Patienten. „Menschen mit Angststörung bekommen Panik, wenn sie an den Klimawandel denken“, sagt sie. Aber auch unter Klimaschützern und in der Nachhaltigkeitsszene sei Klimaangst verbreitet. „Das sind Menschen, die meist schon sehr achtsam und sensibel sind. Die neigen eher dazu, das zu nah an sich heranzulassen“, sagt Glaßmeyer.

Online-Seminare sollen jungen Aktivisten helfen

Die Symptome sind der Psychotherapeutin zufolge vergleichbar mit denen einer Depression: „Betroffene haben permanent Schuldgefühle, sind traurig, verzweifelt, fühlen sich machtlos, schlafen nicht gut.“ Das führe zu Lethargie. „Manche werden total wütend auf Freunde und Bekannte, die nichts gegen den Klimawandel tun“, so die Psychotherapeutin.

Auch bei der Schülerbewegung „Fridays for Future“ ist das Thema angekommen. Die Psychologin Katharina van Bronswijk gehört zu den „Psychologists for Future“, einer Gruppe von Psychologinnen, die die Klimabewegung unterstützen. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen bietet sie Online-Seminare für „Klima-Resilienz“ an. Sie lehrt den jungen Aktivistinnen und Aktivisten, die negativen Gefühle nicht zu nah an sich heranzulassen, und will sie vor Burnout schützen.

„Angst ist ja erstmal ein sehr menschliches Gefühl angesichts eines so großen Problems wie dem Klimawandel“, sagt die Psychologin. Allerdings sei es nicht gut, sich rund um die Uhr mit den negativen Folgen zu beschäftigen. Sie rät, die Nachrichten auch mal abzuschalten, Pausen zu machen und auf genügend Freizeit zu achten.

„Angst ist für viele Bewegungen ein Antrieb“

Um ihre Forderungen durchzusetzen, macht die Klimabewegung allerdings auch bewusst Angst. „I want you to panic“, hat Greta Thunberg vergangenes Jahr in ihrer Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt. Die Aktivisten von „Extinction Rebellion“ demonstrieren mit sogenannten Die-ins gegen den Klimawandel. Sie legen sich auf öffentliche Plätze und simulieren ihren Tod. In Berlin stellten sie beim letzten Klimastreik Galgen vor das Brandenburger Tor und in London schütteten sie literweise Kunstblut vor das Finanzministerium. Ist die zunehmende Furcht in der Gesellschaft nicht auch die Folge solcher Aktionen?

Klimaaktivisten von „Extinction Rebellion“ protestieren mit einem „Die-In“ auf dem Gendarmenmarkt in Berlin.
Klimaaktivisten von „Extinction Rebellion“ protestieren mit einem „Die-In“ auf dem Gendarmenmarkt in Berlin.
© Thilo Rückeis

Der Protestforscher Simon Teune von der TU Berlin hat beobachtet, dass Angst für viele Bewegungen ein Antrieb ist. „In Bewegungen werden Informationen verbreitet, die eine Bedrohung plausibel machen“, sagt er. Das sei nicht erst seit der Klimakrise so. Innerhalb der Friedensbewegung in den 80er Jahren habe die Angst vor dem Atomkrieg geherrscht. Allerdings verstärke der Protest diese Gefühle nicht nur. „In Bewegungen gelingt es Menschen meist besser, damit umzugehen“, sagt der Protestforscher. „Anstatt sich nur zu fürchten, können sie aktiv werden und handeln.“

Manche fühlen sich überfordert, andere schotten sich ab

So sieht es auch die Psychotherapeutin Anke Glaßmeyer. „Das Gefühl von Hilflosigkeit kann zu Depressionen führen“, sagt sie. „Deshalb ist es wichtig aktiv zu werden und in seinem Rahmen, etwas dagegen zu unternehmen.“ Allerdings solle auch niemand ein schlechtes Gewissen haben müssen, der nicht demonstrieren will. Lieber den Beitrag leisten, mit dem man sich persönlich wohlfühlt, empfiehlt Glaßmeyer.

Grundsätzlich sei die Psyche des Menschen für den Klimawandel nicht gemacht, sagt die Psychologin Katharina van Bronswijk. „Wir reagieren eher auf konkrete Gefahren – wenn der Bär im Wald vor uns steht, laufen wir weg“, sagt sie. Die Folgen des Klimawandels sind dagegen sehr komplex und liegen teilweise in der Zukunft. „Je nach Typ reagieren Menschen unterschiedlich. Manche fühlen sich überfordert, andere schotten sich ab oder leugnen den Klimawandel sogar“, sagt van Bronswijk.

Sabrina geht es mittlerweile wieder besser. „Ich hab verstanden, dass ich mich nicht für jede schlimme Nachricht verantwortlich fühlen muss“, sagt sie. Stattdessen will sie sich auf das konzentrieren, was sie selbst tun kann. In ihrem Blog gibt Sabrina Tipps für ein nachhaltiges Leben. Das hilft ihr, positiv zu bleiben.

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