Korruptionsverdacht: Ermittlungen gegen SPD-Politiker Björn Böhning eingestellt
Nach zwei Jahren sieht die Staatsanwaltschaft keinen Korruptionsverdacht mehr gegen Berlins früheren Senatskanzleichef Böhning - wohl aber gegen McKinsey.
Nach zwei Jahren hat die Staatsanwaltschaft Berlin nun still und leise das Ermittlungsverfahren wegen Korruptionsverdachts gegen den SPD-Politiker Björn Böhning eingestellt. Der frühere Chef der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) stand gemeinsam mit externen Beratern von McKinsey im Verdacht der Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsmanagement.
Angesichts der politischen Brisanz lässt die Dauer des Verfahrens darauf schließen, dass es die beteiligten Staatsanwälte nicht ganz leicht hatten. Dem Vernehmen nach soll es in der Staatsanwaltschaft zu Verstimmungen gekommen sein, zugleich soll es politischen Druck gegeben haben.
Böhning war im März aus der SPD-geführten Senatskanzlei auf die Bundesebene gewechselt - und ist nun Staatssekretär im SPD-geführten Bundesarbeitsministerium. In dieser Woche erging nun der Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft im Verfahren gegen Böhning.
"Die Staatsanwaltschaft hat ausführlich geprüft, ob an den Vorwürfen gegen meinen Mandanten etwas dran ist", sagte Böhnings Anwalt Marcel Kelz dem Tagesspiegel. "Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, welches ich die ganze Zeit vertreten habe: Dass Herrn Böhning nichts vorzuwerfen ist."
Erst kostenlose Beratung - dann ein Vertrag
Gegen Mitarbeiter von McKinsey in derselben Sache wird dagegen weiter ermittelt. Allerdings handelt es sich bei Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung - es handelt sich um sogenannten spiegelbildliche Straftaten. Im Klartext: Eine Vorteilsannahme kann es nur geben, wenn ein Vorteil gewährt worden ist. Nach dem Strafgesetzbuch drohen einem Amtsträger, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, bis zu drei Jahre Haft.
Da die Staatsanwaltschaft aber im Fall Böhning keinen Verdacht auf Vorteilsannahme - auch nicht zugunsten der Senatskanzlei - sieht, bleibt für die Mitarbeiter von McKinsey noch die versuchte Vorteilsgewährung.
In dem Verfahren geht es um einen Vertrag der Senatskanzlei mit McKinsey über die „Beratung und Unterstützung im Rahmen des Projekts zur Erstellung eines Masterplans Integration und Sicherheit“. Der Wert des Anfang 2016 vorgelegten und im März 2016 geschlossenen, ohne Ausschreibung vergebenen Vertrags: 238.000 Euro.
Zuvor hatte das Unternehmen mitten in der sogenannten Flüchtlingskrise die Senatskanzlei kostenlos beraten. Dafür war im Herbst 2015 ein sogenannter Pro-bono-Vertrag geschlossen worden. Parallel tauchte ein Name auf: Lutz Diwell, ehemaliger Staatssekretär, Jurist, damals noch SPD-Mitglied. Den Posten als Koordinator des Senats für Flüchtlingsangelegenheiten hatte er nicht bekommen. Doch im Herbst 2015 bekam er von Böhning einen Gutachterauftrag.
2016 vermuteten CDU, Linke und Grüne noch SPD-Filz
Unentgeltlich legte Diwell dann Mitte Dezember 2015 sein Papier vor. Damit wurde es für legitim erklärt, dass sich die Senatskanzlei externe Beratung holt. Als dann McKinsey ab Januar gegen Steuergeld von der Senatskanzlei den Masterplan erstellte, tauchte auch Diwell wieder auf - bei McKinsey, ausgestattet mit einem Honorarvertrag.
Bei der Unternehmensberatung war Diwell daran beteiligt, den Masterplan zu erstellen - als bezahlter Unterauftragnehmer. Die Senatskanzlei wusste davon, verschwieg dem Parlament dies aber. In der Affäre geht es um die Frage, ob der Senat kostenlose Beratung bekam und dafür dann jene Beratung mit dotierten Aufträgen ohne Ausschreibung ausstattete.
Bemerkenswert sind auch die Abläufe danach: Bekannt wurde das alles im März 2016. Damals regierte Michael Müller noch in einer rot-schwarzen Koalition mit der CDU. Die Christdemokraten, aber auch Linke und Grüne - die nach der Abgeordnetenhauswahl Ende 2016 in die Regierung kamen - vermuteten SPD-Filz. Grüne und Linke mutmaßten sogar, dass Böhning Einfluss darauf genommen haben könnte, dass Diwell bei McKinsey unterkommt. Und dass die Honorartätigkeit Diwells in den Akten verschleiert worden sei. Die Grünen erklärten, "mindestens die Vorstufe von Korruption" sei erreicht.
Die Staatsanwaltschaft prüfte den Fall seit April 2016, als Strafanzeigen eingingen. Ermittelt wurde noch nicht. Dann im September 2016 wurde das Abgeordnetenhaus gewählt, Rot-Rot-Grün löste Rot-Schwarz ab. Ende 2016 sah die Staatsanwaltschaft einen begründeten Anfangsverdacht und entschied, ein offizielles Ermittlungsverfahren einzuleiten. Im März 2018 wurde Böhning zum Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium ernannt.
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