Insolvenz von Air Berlin: Die Hauptstadt muss gerade jetzt zum Drehkreuz werden
Worum es bei Air Berlin wirklich geht: Wird der BER ein internationaler Knoten oder gewinnen die, die es seit Jahren hintertreiben? Ein Kommentar.
Kann man das unfassbare Unvermögen, das sich mit den Flughäfen in Berlin seit Jahren verbindet, noch steigern? Ja, Berlin kann. Heute, vor unseren Augen. Angesichts der Insolvenz von Air Berlin scheinen die Stadt und ihre Leitung nicht erkannt zu haben, worum es wirklich geht. Schon gar nicht sind Strategien zu erkennen, wie das Interesse der Stadt gewahrt werden soll.
Wird Berlin ein Luftdrehkreuz oder nicht? Das ist die alles entscheidende Frage. Sie ist ungleich wichtiger als der Streit, ob und wann und mit welcher öffentlichen Zustimmung und nach welchem Recht Tegel geschlossen wird.
Gesprochen wird über Tausende von Arbeitsplätzen bei Air Berlin, nicht über Hunderttausende von Arbeitsplätzen, die in Berlin entstehen oder gehalten werden könnten, wenn die Stadt ein internationales Luftfahrtdrehkreuz erhält – oder eben nicht. Gesprochen wird über die Zukunft von Air Berlin – dabei geht es um die Zukunft Berlins. Für die Stadt Berlin gibt es ein alles entscheidendes Kriterium für die weitere Entwicklung von Air Berlin: Was bedeutet es für Berlins Aussicht, ein Luftfahrtdrehkreuz werden zu können?
Die Bundesverkehrsminister machen sich für München stark
Von zwei Seiten darf man keine Hilfe erwarten: Das Bundesverkehrsministerium agiert seit 2009 als regionale Förderagentur des Freistaates Bayern. Noch jeder Vorschlag der CSU-Minister Peter Ramsauer und Alexander Dobrindt erschien zielführend – für das internationale Luftverkehrsdrehkreuz namens Franz Josef Strauß bei München. Auch der aktuelle Einwurf von Alexander Dobrindt passt in das Bild. Er möchte Tegel offen halten. Dann müsste es ein Fehler gewesen sein, München-Riem zu schließen. Das war es aber nicht – nicht für die Entwicklung der Stadt München und erst recht nicht für die Entwicklung des Drehkreuzes im Erdinger Moos.
Auch der hoch gehandelte Retter von Teilen von Air Berlin ist tatsächlich eher der finale Totengräber von Berlin als Drehkreuz: Die Unternehmensstrategie von Lufthansa ist zugeschnitten auf viele Zubringer zu wenigen Drehkreuzen. Mit Frankfurt und München und über ihre Tochter Swiss in Zürich hat die Lufthansa mehr als genug Drehkreuze. BER-Insider berichten, dass das, was die CSU-Minister immer offen und unverschämt gemacht haben, von der Lufthansa subtil und verdeckt praktiziert wurde – die systematische Arbeit gegen das Drehkreuz Berlin.
Berlin braucht eine globale Airline - und die Lufthansa Konkurrenz
Bleiben die gewählten Vertreter Berlins – in Land und Bund. Für die Partei, die sich gerade am lautesten mit Berliner Luftfahrtfragen befasst, ist die Aufgabe am einfachsten: Nach den Plakaten, die in London Start-ups nach Berlin locken, müsste die FDP jetzt den Senat antreiben, einen Wettbewerber des Monopolisten Lufthansa in die Stadt zu holen. Gleiches gilt für die CDU. Bei Grünen und Linken darf man wohl schon dankbar sein, wenn sie ein Drehkreuz Berlin hinnehmen.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat die Chance, das von seinem Vorgänger geerbte BER-Gewürge und die Tegel-Diskussion mit einem Hieb zu seiner Gestaltungsaufgabe zu machen: indem er die großen Airlines der Welt anspricht und ihnen die historische Chance vermittelt: Jetzt und nur jetzt kann eine globale Airline in der größten Stadt der größten Volkswirtschaft Europas ein neues Drehkreuz aufbauen.
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.
Sebastian Turner