Bilanz von Verkehrsminister Dobrindt: Vier Jahre Geisterfahrt
Wahlkampf kann Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Aber was noch? Ein Kommentar.
Das muss man Alexander Dobrindt lassen: Der Bundesverkehrsminister kann Wahlkampf. Mit welchem Wortbeitrag er auch knapp zehn Wochen vor der Bundestagswahl auf die Bühne tritt – das Kameralicht ist dem CSU-Minister sicher. Tegel, Diesel, Bahn, Pkw-Maut, Autonomes Fahren, Elektromobilität – die Liste der verkehrspolitischen Reizwörter, die Dobrindt in die Mikrofone spricht, ließe sich noch verlängern. Garniert wird das Gerede mit CSU-Folklore, zuletzt im Kloster Banz mit einem Stammtisch-Exkurs über die „linke Saubande“, die – protegiert von Linken und Grünen – Hamburg zerlegt habe. Schlecht gebrüllt.
Das große Karo, das der Spitzenpolitiker gerne auch für seine Anzüge wählt, kaschiert zum Ende seiner Amtszeit eine magere Bilanz. Alexander Dobrindt war ein schlechter Verkehrsminister. Sein jüngster Kamikaze-Einsatz für die Offenhaltung des Flughafens Tegel ist dafür ein weiterer Beleg. Es habe sich um einen „persönlichen Debattenbeitrag“ des Ministers gehandelt, beendete die Bundesregierung die Diskussion, Tegel werde nach der BER-Eröffnung geschlossen. Es klang, als sei Dobrindt schon Privatmann und nicht mehr Mitglied im Kabinett von Angela Merkel.
Der Minister, von dem es heißt, er wolle nach der Wahl in die Wirtschaft wechseln, folgt mit seiner Tegel-Intervention einem wiederkehrenden Muster: Er greift einen diskussionswürdigen Gedanken auf, präsentiert ihn – im persönlichen Gespräch durchaus sympathisch – mediengerecht und mit großem Bahnhof, um dann früher oder später von der Wirklichkeit eingeholt zu werden.
Die Bahn hat sich nicht positiv entwickelt, der Lkw-Verkehr ist gestiegen
Beispiel Straßen- und Schienenverkehr: Das klimapolitisch zentrale Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu holen, hat die Bundesregierung weit verfehlt. Obwohl Dobrindt es immer wieder formulierte, führte seine Politik am Ziel vorbei. Die Lkw-Maut wurde gesenkt, die Bahn fährt im Cargo-Geschäft aufs Abstellgleis – auch nach dem chaotischen Wechsel an der Konzernspitze. Auch der Bundesverkehrswegeplan geriet zum Straßenbauprogramm. Erst kürzlich präsentierte der Minister einen Masterplan Schienengüterverkehr, der mehr Güter auf die Gleise bringen soll.
Der Anteil des Lkw-Verkehrs ist in Dobrindts Amtszeit aber gestiegen. Rechnet man die insgesamt wachsende Zahl von Fahrzeugen auf der Straße zusammen, hat dies fatale Folgen für das Klima: Im Verkehrssektor steigt der Ausstoß von Treibhausgasen.
Apropos Abgase. Auch im Diesel-Skandal stellte sich Dobrindt frühzeitig als amtlicher Aufklärer ins Rampenlicht. Doch bewirkt hat der Minister bis heute nichts. Stattdessen zwingen Gerichte Großstädte zu Diesel-Fahrverboten, streiten Anwälte für die Rechte geprellter VW-Kunden, stoßen Medien behördliche Prüfungen und staatsanwaltliche Ermittlungen an. Im Verkehrsministerium sieht man die Dinge derweil in bester Behördenordnung: An der für Interessenkollisionen empfindlichen Struktur aus Kraftfahrt-Bundesamt, Prüflaboren und Autolobby will Dobrindt nichts ändern. Es ist kein Zufall, dass der VW-Diesel-Skandal in den USA aufgedeckt wurde.
Die Pkw-Maut ist ein Monster ohne Nutzen
Auch Dobrindts Vorgänger haben die Autoindustrie hofiert. Das ist nachvollziehbar, wenn man sich Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Bedeutung für den Wohlstand vor Augen hält. Aber dass sich die Zeiten ändern und die Industrie vor dem größten technologischen Wandel ihrer Geschichte steht, hat im industriepolitischen Kosmos von Dobrindt kaum Spuren hinterlassen. Anders ist nicht zu erklären, warum nach anfänglichem Aktivismus die Elektromobilität sich selbst überlassen wird. Das E-Mobility-Gesetz und die Kaufprämie sind verpufft. Stattdessen wurde viel Zeit mit der Erarbeitung einer EU-konformen Pkw-Maut vergeudet; ein bürokratisches Monster ohne erkennbaren Nutzen für den Steuerzahler.
Was bleibt nach Alexander Dobrindts verkehrspolitischer Geisterfahrt? Der CSU-Minister, der vier Jahre lang ein Kernressort der Bundesregierung geführt hat, hinterlässt künftigen Koalitionen eine Menge Arbeit.