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Vertreter der Parteien SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen treffen sich nach der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses zu ersten Sondierungsgesprächen.
© dpa/Bernd von Jutrczenka

Sondierungsgespräche nach der Berlin-Wahl: Das sind die Streitpunkte für Rot-Rot-Grün

Wollen wir zusammengehen? Das fragen heute SPD, Grüne und Linke. Die Antwort dürfte klar sein. Dabei gibt’s Konflikte – vom ICC über Fahrpreise bis zum Flughafen BER.

Am Montag werden SPD, Linke und Grüne zum ersten Mal gemeinsam sondieren, ob die politischen Gemeinsamkeiten für eine fünfjährige Regierungszeit reichen. Es würde überraschen, wenn diese Frage anschließend nicht von allen drei Parteien bejaht wird. Trotzdem werden die Koalitionsgespräche nicht einfach werden. Es gibt eine Reihe von Themen, die Konflikte in sich bergen. Wir erklären Ihnen wichtige Streitpunkte.

Finanzen

Konsolidieren und investieren – das wollen grundsätzlich alle drei Parteien. Doch für die Linken ist der Abbau der Staatsschulden (in Berlin 59 Milliarden Euro) kein vorrangiges Ziel. Sie lehnen die Schuldenbremse im Grundgesetz ab, die den Bundesländern vorschreibt, spätestens 2020 keine neuen Kredite mehr aufzunehmen. Stattdessen fordern die Linken ein öffentliches Investitionsprogramm über zehn Jahre.

Dafür sollen jährlich 500 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt ausgegeben werden. Die SPD will aber daran festhalten, dass nur ein Teil der Haushaltsüberschüsse für die Sanierung der öffentlichen Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird. Auch die Grünen wollen nicht, dass das Land Berlin wieder in eine Schuldenfalle läuft.

Die Linken wollen den Hebesatz der Gewerbesteuer auf 450 Prozentpunkte erhöhen. Seit 1999 beträgt der Steuersatz in Berlin 410 Punkte. Das brächte jährlich 150 Millionen Euro zusätzlich in die Landeskasse. Die SPD hat dies bisher abgelehnt, die Grünen halten sich bedeckt. Für eine höhere Grunderwerbsteuer für kommerzielle Immobilienkäufer sind dagegen alle drei Parteien zu haben.

BER

Für Grüne und Linke ist klar: Dem Flughafen BER muss nach der Eröffnung aus Gründen des Lärmschutzes ein strenges Nachtflugverbot verpasst werden. Keine Flüge zwischen 22 und 6 Uhr! Der Bau einer dritten Startbahn, um die Flugkapazitäten mittel- und langfristig zu erweitern, wird auch strikt abgelehnt.

Die SPD will kein striktes Nachtflugverbot, mit Verweis auf die notwendige Wirtschaftlichkeit des Flugbetriebs und die harte Konkurrenz durch andere Airports. Die dritte Startbahn wird im neuen Koalitionsvertrag sicher keine Rolle spielen, weil dies ein Projekt für die nächsten Jahrzehnte wäre, wenn man es wollte.

BVG-Tarife

Grüne und Linke machen Front gegen Fahrpreise, die jedes Jahr quasi automatisch steigen. Von beiden Parteien wird eine Art Flatrate für den öffentlichen Personennahverkehr vorgeschlagen, die mittelfristig eingeführt werden soll. Das Ziel ist ein „solidarisch finanziertes“ Ticket für alle.

Die Grünen nennen das „Bärenkarte“, mit der beispielsweise Bus und Tram, S- und U-Bahn außerhalb des Berufsverkehrs gratis genutzt werden können. Für die Sozialdemokraten war dies bisher kein ernsthaft verfolgtes Thema.

A 100

Die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn A 100 über den Treptower Park hinaus ist ein Langfristprojekt, das über die neue Wahlperiode weit hinausreicht. Trotzdem müssen sich SPD, Linke und Grüne dazu verhalten, denn das umstrittene Bauvorhaben steht als 17. Bauabschnitt der A 100 im Bundesverkehrswegeplan.

Linke und Grüne lehnen die Verlängerung kategorisch ab, die Sozialdemokraten sind in dieser Frage gespalten. Regierungschef Michael Müller und Bausenator Andreas Geisel wollen das Projekt. Ein weiterer Konfliktpunkt ist die Tangentialverbindung Ost (TVO), eine Schnellstraße zur besseren Erschließung der östlichen Bezirke. Die SPD will das Projekt vorantreiben, auch die Linken sind dafür, aber die Grünen lehnen es ab.

Alexanderplatz

Grüne und Linke sind mit den Plänen für die weitere Umgestaltung des Alexanderplatzes nicht einverstanden. Die Korrekturen, die der Senat im Juni beschlossen hatte, reichen beiden Parteien nicht. Sie fordern einen neuen Masterplan. Der Knackpunkt ist: Die Grünen stellen die Eignung des Alexanderplatzes als Standort für Hochhäuser infrage, die Linken lehnen den Bau weiterer Hochhäuser grundsätzlich ab.

Die geltende Planung macht aber den Bau von bis zu acht Wolkenkratzern möglich. Da müssen sich die Sozialdemokraten etwas einfallen lassen.

ICC

Auch Rot-Rot-Grün wird am Internationalen Congress Centrum (ICC) nicht vorbeikommen. Komplett sanieren, teilsanieren oder doch abreißen? Nur mit öffentlichen Mitteln oder auch mithilfe privater Investoren? Den Linken ist das Schicksal des ICC ziemlich schnuppe, Grüne und SPD würden dort gern wieder Kongresse veranstalten.

Was das öffentliche Engagement für eine Erhaltung des ICC kosten würde, die Schätzungen reichen inzwischen bis 800 Millionen Euro, sollte dann auch im Koalitionsvertrag stehen.

Drogen

Die SPD-Mitglieder haben sich Ende 2015 in einer Basisbefragung gegen die Legalisierung von Cannabis ausgesprochen. Das ist seitdem offizielle Parteilinie. Völlig anderer Meinung sind Linke und Grüne, die eine Umkehr in der Drogenpolitik fordern. Die Linke plädiert für eine Bundesratsinitiative, um die regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu ermöglichen. Von den Grünen wird dies unterstützt, außerdem will die Umweltpartei die „Nulltoleranzzone“ im Görlitzer Park aufheben.

Bildung

Alle drei Parteien versprechen, dass Kitas und Schulen personell besser ausgestattet werden und die Qualität der Betreuung und Ausbildung verbessert werden soll. Doch können Grüne und Linke nicht nachvollziehen, dass die Sozialdemokraten so viel Wert auf eine Gebührenfreiheit für alle legen. Also auch für Eltern mit hohen Einkommen. Über eine kostenlose Betreuung im Hort und in den ersten drei Kitajahren wird bei den Koalitionsverhandlungen zu reden sein.

Sicherheit

Vor der Wahl bekannte sich die SPD dazu, eine stärkere Videoüberwachung des Alexanderplatzes und anderer kriminalitätsbelasteter Orte zu prüfen. Ob sie dies nach der Wahl zurücknimmt, wird man sehen. Linke und Grüne sind gegen zusätzliche Videokameras im öffentlichen Raum, sie wollen die schon bestehenden Kontrollen sogar reduzieren.

Ein größerer Konfliktpunkt dürfte der Berliner Verfassungsschutz sein. Linke und Grüne wollen das „nicht mehr zeitgemäße“ Amt auflösen. In einem ersten Schritt, so fordern beide Parteien, sollte in Berlin das System der V-Leute abgeschafft werden.

Direkte Demokratie

Die SPD will mehr Bürgerbeteiligung nur in homöopathischen Dosen. Direkte Demokratie ist für viele Sozialdemokraten nur eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie, ein Instrument zur Durchsetzung von Teilinteressen einflussreicher Aktivisten. Grüne und Linke sehen das anders, sie fordern mehr direkte Demokratie.

Dazu gehören niedrigere Quoren bei Volks- und bezirklichen Bürgerbegehren. Außerdem sollten die Abstimmungen möglichst auf Wahltermine gelegt werden.

Die Linken fordern sogar Unterschriftensammlungen im Internet und die Zulassung von Volksbegehren zu öffentlichen Abgaben und Tarifen. Damit haben sie die Grünen weitgehend auf ihrer Seite. Das gilt auch für Einspruchsreferenden, also Bürgerabstimmungen für den Fall, dass ein per Volksentscheid beschlossenes Gesetz vom Parlament wieder gekippt werden soll.

Grüne und Linke wollen auch eine intensivere Einbindung betroffener Bürger bei Stadtentwicklungs- und Bauprojekten und eine stärkere demokratische Kontrolle der Berliner Landesunternehmen.

Rekommunalisierung

Das ist ein Lieblingsthema aller drei Parteien, die miteinander regieren wollen. Aber der Teufel steckt im Detail. Die Rekommunalisierung des Gas- und des Fernwärmenetzes wird von den Grünen eher skeptisch gesehen, die Partei ist in dieser Frage uneins. Unstrittig zwischen SPD, Linken und Grünen ist die Rückführung des Stromnetzes in Landeseigentum.

Wahlen

Es ist kein drängendes Problem, aber man muss sich dazu verhalten: Soll das Wahlalter auch bei der Abgeordnetenhauswahl von 18 auf 16 Jahre gesenkt und die Sperrklausel bei Parlaments- und Bezirkswahlen (5 bzw. 3 Prozent) abgeschafft werden? Das sind Vorschläge der Linken. Die Verringerung des Wahlalters wird von den Grünen mitgetragen. Die SPD hielt sich bei diesem Thema bisher zurück.

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