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Eine sehr öffentliche Toilette. In der Jebensstraße am Bahnhof Zoo gibt es jetzt dieses Urinal zwischen dem Kriegerdenkmal (r.) und der Bahnhofsmission (links im Hintergrund).
© Cay Dobberke

Berlin-Charlottenburg: Notlösung für die Notdurft am Bahnhof Zoo

Am Bahnhof Zoo gibt es keinen WC-Container für Obdachlose mehr, dem Bezirk waren die Kosten zu hoch. Das aber hatte unappetitliche Folgen. Als provisorische Abhilfe steht nun ein Urinal am Gehweg.

Bei diesem grauen Kunststoff-Klotz bekommt der Begriff „öffentliche Toilette“ eine ganz neue Bedeutung: In Sichtweite der Charlottenburger Bahnhofmission in der Jebensstraße am Bahnhof Zoo steht seit ein paar Tagen plötzlich ein kleines Urinal. Theoretisch können sich dort bis zu vier Männer gleichzeitig erleichtern, sofern es ihnen nichts ausmacht, bei nur rudimentärem Sichtschutz am Gehwegrand zu pinkeln – neben Reisenden mit Rollkoffern und Passanten wie den Besuchern des gegenüber liegenden Fotomuseums der Helmut-Newton-Stiftung.

Nach Auskunft des Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrats Marc Schulte (SPD) hat das Bezirksamt das Pissoir der Marke „Dixi“ für 200 Euro pro Monat gemietet, um die prekäre sanitäre Situation etwas zu verbessern.

Die Toiletten der Bahnhofsmission reichen nicht aus

Zumindest tagsüber wird es dem ersten Anschein nach wenig genutzt. Viele der Wohnungslosen, Straßenzeitungsverkäufer, Alkoholiker und Drogensüchtigen, die sich neben dem Bahnhof Zoo aufhalten, erledigen ihre Notdurft in der Bahnhofsmission. Laut deren Leiter Dieter Puhl ist das Abflusssystem jedoch schlecht, es komme oft zu Rohrverstopfungen.

Anrainer beklagen Verschmutzungen

Immer wieder entdecken Anlieger wie das Helmut-Newton-Museum und die Fotogalerie C/O im Amerika-Haus menschliche Exkremente an oder vor ihren Hauswänden. Beschwerden darüber trugen dazu bei, dass die Arbeitsgemeinschaft City einen neuen Sicherheitsdienst plant.

Früher gab es solche Probleme kaum, lange stand ein sogenannter Hygienecontainer mit Toiletten und Duschen an der Jebensstraße, Ecke Hertzallee. Doch Ende 2011 wurde der Container entfernt. Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) sagte damals, der Bezirk könne sich die jährlichen Kosten von 11 000 Euro für Wasser, Strom und Wartung nicht mehr leisten.

Für einen neuen Hygienecontainer fehlt noch das Geld

Die Bahnhofsmission hatte die Anlage beaufsichtigt und gereinigt. Laut Dieter Puhl war der Container stark abgenutzt, es gab schon keine Duschen und kein warmes Wasser mehr. Puhl wollte Ersatz schaffen, fand aber bisher nicht genügend Sponsoren, um die auf jeweils mehrere zehntausend Euro geschätzten Bau- und Betriebskosten zu decken.

„Wir arbeiten seit Jahren an tollen Lösungen, die Idee ist nicht vom Tisch“, sagt er jetzt. Es gehe um eine Kombination aus Toiletten, Duschen sowie „professionellen Waschmaschinen“, damit Obdachlose ihre Kleidung oder Schlafsäcke reinigen könnten. Auch Fußpflege und die „Ausgabe von Hygieneartikeln“ gehören zum Plan. Der Zugang solle barrierefrei sein.

Ob es Neues bei der Finanzierung gibt, will Puhl zurzeit nicht sagen. Bereits 2013 hatte Stephan Erfurt von der Galerie C/O angekündigt, zur Anschaffung eines Hygienecontainers beizutragen. Auch in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wurde über Verbesserungen diskutiert.

Der Bahnhof Zoo hat eigene Sanitäranlagen, doch die Gebühren schrecken Menschen mit wenig Geld ab. Die WC-Benutzung kostet einen Euro und das Duschen sieben Euro. Das Urinal sei immerhin ein kleiner Fortschritt und zeige den Willen des Bezirks, die schwierige Gegend zu „gestalten“, sagt Puhl. Ein großes Manko sei aber, dass es nur Männern nutze. Nachts „sehe ich nackte Frauen in der Straße, die ihre Tampons wechseln“.

Die Nachbarn helfen oft

Das Verhältnis der Bahnhofsmission zu den Nachbarn sei „ambivalent“. Einerseits gebe es die Beschwerden über unappetitliche Zustände, andererseits seien die Anrainer wichtige Unterstützer seiner Einrichtung. Außer dem Fotomuseum und der Galerie C/O engagierten sich nicht zuletzt die Deutsche Bahn und das Hotel Waldorf-Astoria im nahen Zoofenster-Turm.

Täglich versorgt die Bahnhofsmission, die zur evangelischen Berliner Stadtmission gehört, etwa 600 Bedürftige vor allem mit Mahlzeiten. Dafür sammelt der Verein „Berliner Tafel“ Lebensmittelreste in Gaststätten und Hotels.

Südafrikaner servierten in der Sozialeinrichtung

Ungewöhnliche Hilfe gab es am vorigen Freitag: Anlässlich des internationalen „Nelson Mandela Tags“ rührten zwei Dutzend Mitarbeiter der südafrikanischen Botschaft in den Töpfen und gaben Essen aus.

Südafrikas Botschaft zu Gast in der Bahnhofsmission. Unter anderem bedienten Elaine McSweeney, Sekretärin der politischen Abteilung, und der Gesandte Horst Brammer die Bedürftigen.
Südafrikas Botschaft zu Gast in der Bahnhofsmission. Unter anderem bedienten Elaine McSweeney, Sekretärin der politischen Abteilung, und der Gesandte Horst Brammer die Bedürftigen.
© Cay Dobberke

Sie folgten einem Aufruf der Vereinten Nationen (UNO) aus dem Jahr 2009, jeweils am 18. Juli den Geburtstag des 2013 verstorbenen Präsidenten Nelson Mandela mit sozialem Engagement zu feiern. Weil der 18. Juli auf einen Sonnabend fiel, waren die Diplomaten einen Tag früher aktiv, von 5 Uhr früh bis gegen 23 Uhr

Horst Brammer, Gesandter der Botschaft, lobte die Bahnhofsmission als „wunderbares Projekt“ und hatte den Eindruck, dort sei „jeden Tag Nelson-Mandela-Day“. Sein Team brachte auch Obstsalat mit und übergab 700 Euro, die bei einem botschaftsinternen Benefiz-Lunch gesammelt worden waren.

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