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Schnörkel, Bögen, Erker: Von der Vielfalt schulischer Altbauten sind die neuen Modulbauten weit entfernt.
© Thilo Rückeis

Schulbau in Berlin: „Bankrotterklärung des öffentlichen Bauens“

"Einheitsarchitektur" und ausufernde Kosten: Die Kritiker der Senatslinie beim Schulbau werden nicht leiser - unter ihnen Architektenkammer und Grüne.

„Kostenexplosion“ und „Einheitsarchitektur“: Die Bedenken gegen die Ausgestaltung der Schulbauoffensive des Senats reißen nicht ab. Besonders im Visier bleibt das Engagement der Wohnungsbaugesellschaft Howoge, die über 30 Neubauten stemmen soll. Nun haben sich auch Architekten- und Baukammer vernehmlich an die Seite der Kritiker gestellt.

„Es ist fatal, was hier abläuft“, warnt Michael Mackenrodt vom Vorstand der Berliner Architektenkammer. Er warnt besonders davor, dass Senat und Howoge überwiegend Generalübernehmer mit der Realisierung von Schulbauten beauftragen wollten. Dadurch werde „der Mittelstand zerschlagen“, prognostiziert Mackenrodt gegenüber dem Tagesspiegel. Zudem entstehe eine Abhängigkeit von einigen wenigen großen Anbietern, so dass das Land „erpressbar“ werde und auch gegen ausufernde Kosten kaum vorgehen könne. Mackenrodt ist in der Architektenkammer für den Bereich Wettbewerbe und Vergabe zuständig.

Das Vorstandsmitglied gehört zu den Kritikern, die an diesem Mittwoch bei einem Round Table der „Plattform Nachwuchsarchitekten“ zu Wort kommen werden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung wird die Frage stehen, ob die von der Howoge veranschlagten Baukosten stimmig sind. Paradebeispiel ist eine große Neubauschule in Adlershof, an der 1330 Schüler lernen sollen. Die Finanzverwaltung veranschlagt die Kosten in einer groben Schätzung auf 100 Millionen Euro, was „über 75.000 Euro pro Schulplatz“ entspricht, wie die Initiative „Gemeingut in BürgerInnenhand“ bereits in einer Anhörung im Abgeordnetenhaus zum Thema „Kostenexplosion“ vorrechnete.

Widersprüchliche Kostenangaben

Dem stellt sie den bundesweit geltenden Baukostenindex von 2018 gegenüber, der Durchschnittskosten von 17.000 Euro angibt. Diese Diskrepanz wollen die Kritiker nicht hinnehmen – auch wenn Senat und Howoge bemüht sind, die Differenz zu erklären – mit einem im Schulbauprogramm definierten höheren Flächenbedarf pro Schüler, mit neu zu bauenden Sporthallen. Der Index erhebe auch keine Kosten zur Gründung eines Baus, den Außenanlagen und der Ausstattung der Schulen. Hinzu kämen Risiko-Zuschläge von rund 20 Prozent wegen der steigenden Baupreise. Insgesamt sind für das Schulbauprogramm 5,5 Milliarden Euro vorgesehen, was aber nicht reichen wird.

Die Baukammer, Vertretung der Bauingenieure, teilt die Mahnungen der Architektenkammer. „Wir machen uns Sorgen, dass die Kosten davongaloppieren“, sagt Vorstandsmitglied Christian Müller. Durch die Ausschreibung „großer Pakete von fünf bis zehn Schulen in einem Wettbewerb“ kämen nur große Bauunternehmen zum Zuge, „dadurch verengt sich der Markt, das macht alles teurer“.

Typenschulen zu bauen sei auch deshalb riskant, weil man dann möglicherweise einen Fehler zwanzigfach wiederhole - was Berlin bereits in den 70er Jahren passierte. als sich standardisierte Schulbauten als asbestverseucht und mängelbehaftet entpuppten. Niemand könne wissen, ob sich die geplanten Lern- und Teamhäuser in der Praxis bewähren. Freie Schulen würden ihre Neubauten um die Hälfte billiger realisieren.

"Zulasten der Baukultur"

Gegen die Typenbauten spricht sich auch Mackenrodt aus. Er warnt vor „Einheitsarchitektur“, die unter den vom Senat gewählten Wettbewerbsbedingungen entstehe: Es würden massenhaft gleichförmige Schulen ohne Rücksicht auf die jeweilige Umgebung gebaut, was „zulasten der Baukultur“ gehe: Es müsse einen Unterschied machen, ob eine Schule "auf der grünen Wiese" oder in einem Straßenblock entstehe, beharrt Mackenrodt. Das aber werde ausgeblendet, wenn man den immer gleichen Bautyp reproduziere. Der Architekt spricht von einer „Bankrotterklärung des öffentlichen Bauens“.

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Die Gefahr einer „Einheitsarchitektur“ sehen auch die Grünen. Sie hatten vor über einem Jahr gefordert, mit einem Ideenwettbewerb auch kleine Architektenbüros anzusprechen. Das hatten ihnen die Koalitionspartner nicht genehmigt. „Uns wurde entgegen gehalten, so ein Wettbewerb sei unnötig“, berichtet die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, Stefanie Remlinger. Es gebe in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zudem nicht genug Personal, das Wettbewerbe ausschreiben und betreuen könne. Und das gelte eben auch für einfache Standortwettbewerbe. „Deshalb sei es im Sinne der Verwaltung effektiver, mit Generalunternehmern zu arbeiten“, referiert die Abgeordnete die damalige Argumentation.

Das bedauert Remlinger noch immer: „Ich hätte es mir gewünscht wegen der Kreativität und Qualität des Schulbaus und der Förderung der Berliner klein- und mittelständischen Unternehmen.“

Wettbewerbsergebnis für modulare Grundschulen

Der Senat will an diesem Mittwoch die Wettbewerbsergebnisse für modulare Grundschulen vorstellen. Die Wohnungsbaugesellschaft Howoge hingegen wird vor allem Sekundarschulen und Gymnasien bauen. Man werde „nicht alles mit Generalunternehmern“ machen, sagte Howoge-Chefin Stefanie Frensch dem Tagesspiegel am Dienstag. Die Planungsleistungen für das erste Projekt in Lichtenberg seien bereits ausgeschrieben.

Mit einer konkreten Kostenschätzung für den Schulneubau in der Allee der Kosmonauten rechnet sie erst in einem Jahr. Die Planung in Lichtenberg werde aber nicht als Blaupause einfach auf weitere Schulbauten übertragen, hält sie den Kritikern entgegen. Für jede Schule werde es individuelle Wettbewerbsverfahren geben, allerdings könne die Planung später auf einzelnen „Muster-Lösungen“ aufbauen.

3. Round Table der Plattform Nachwuchsarchitekten zum Schulbau: Diesen Mittwoch, 20 Uhr, im Ladenlokal Nazarethkirchstr. 39, Wedding. Anmeldung: info@plattformnachwuchsarchitekten.de

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