Schulbauoffensive in Berlin: Widerstand gegen die Schulklötze
Mit neuen Architekturideen sollen gleichförmige Bildungskästen verhindert werden, die allerdings schon in der ganzen Stadt entstehen.
Wer nach zehn, 20 oder 50 Jahren an seine Schulzeit zurückdenkt – was hat er vor Augen? Ein paar besondere Mitschüler, einen eindrucksstarken Lehrer. Aber daneben sicherlich auch die Räume, in denen sich dieser prägende Lebensabschnitt abspielte: Backsteinbauten aus der Kaiserzeit oder poppige 70er-Jahre-Schulen. Stuck oder Beton. Wendeltreppen oder kantige Aufgänge.
Realität: Beschleunigter Schulbau in Kastenform
„Ich kann noch jeden Raum abrufen, in dem ich gelernt habe“, sagte Notker Schweikhardt. Er ist Sprecher für Kultur- und Kreativwirtschaft der Grünen im Abgeordnetenhaus und will sich – wie seine Fraktionskollegen Stefanie Remlinger und Andreas Otto – nicht damit abfinden, dass Berlins neue Schulen vor allem eines sind: gleichförmig wie Schuhkartons.
Zu dritt haben sich der Kulturpolitiker Schweikhardt, die Bildungsexpertin Remlinger und der Baufachmann Otto zusammengetan, um für einen Ideenwettbewerb rund um den Schulbau zu werben.
Seriell wurden ja auch die meisten Ostberliner Schulen gebaut. Am DDR-Schulsystem lässt sich ja viel kritisieren, aber zu schlechteren Leistungen als im Westen hat der Unterricht in der Platte sicherlich nicht geführt.
schreibt NutzerIn geruempelsynchronisierer
„Fifty Schools for Berlin – the Competition“, nennt sich ihr Aufruf, sich nicht mit dem aktuellen Gleichmaß abzufinden, das vor allem aus modulartigen Schulbauten besteht und gerade erst in einer Ausstellung zu besichtigen war: Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und Bausenatorin Karin Lompscher (Linke) hatten vergangene Woche die Siegermodelle für den beschleunigten Schulbau (MOBS) vorgestellt. Zu sehen waren etliche gleichförmige Anordnungen.
Alternativ: Der größten Architekturwettbewerb der Welt
Remlinger, Otto und Schweikhardt sind vor allem deshalb alarmiert, weil hier für die kommenden 50 bis 100 Jahre das Stadtbild gezeichnet wird. Denn es müssen nicht nur 50 Schulen gebaut werden, sondern es entstehen auch über 150 An- und Ausbauten:
„Das wird das Gesicht Berlins und das Leben der nächsten Generationen prägen“, mahnen die grünen Fachsprecher und finden, dass „das größte Schulbauprojekt der Welt den größten Architekturwettbewerb der Welt verdient“. Daher appellieren sie an den Senat, diesen Wettbewerb zu wagen.
Zu den von ihnen vorgeschlagenen Bedingungen gehört, dass es „nicht um eine Typenschule gehen soll, nicht um den einen besten Entwurf“, sondern um einen „Katalog von Vorschlägen und Ideen“. Als Frist wollen sie 100 Tage ansetzen und alle Einsendungen sollen – in Gestalt von Postern oder Modellen – 50 Tage lang ausgestellt werden, wobei sich das Land bereit erklären soll, die besten 100 Entwürfe für je 5000 Euro anzukaufen.
Die Zeit drängt, denn längst werden vollendete Tatsachen geschaffen. Schon entstehen überall in der Stadt die Modulen Ergänzungsbauten (MEBs), die 50 Jahre lang haltbar sind. Wie der Name schon sagt, sollen sie vorhandenen Schulen ergänzen – es gibt also noch ein Haupthaus, das in der Regel mehr ist als nur ein rechteckiger Kasten und somit auch eine Identifikation der Schüler mit dem „Stammhaus“ erlaubt.
Grüne: "Integriert die Schulen in die Kieze"
Anders verhält es sich mit den neuen Schulen, die jetzt auf die Schnelle hochgezogen werden: Die MOBS entstehen sozusagen auf der grünen Wiese und müssten somit architektonisch für sich alleine sprechen – was aber angesichts der gleichförmigen Module nicht wirklich gelingt.
Die Grünen plädieren dafür, mehr Phantasie aufzubringen und die Schulen auch in den Kiez zu öffnen – mit öffentlichen Bibliotheken etwa oder integrierten Ateliers sowie mit Foren, in denen sich das Schulleben abspielen kann.
Genau dies sei international üblich, berichtet Dieter Pfannenstiel, der für das britische Architektenbüro Ellis Williams arbeitet. Berlin hinke diesem internationalen Standard hinterher, wenn es so weitermache.
Dass Schnelligkeit nicht zur Gleichförmigkeit führen muss, hat übrigens Berlins Stadtbaudirektor Ludwig Hoffmann um 1900 herum vorgemacht: Damals wuchs Berlin viel schneller als heute, 66 Schulen entstanden – jede von ihnen ein Unikat.
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