Länderumfrage zu Schule nach den Ferien: Volle Klassen ohne Abstand – aber unter Vorbehalt
Bundesweit wird für normalen Schulunterricht ab August geplant – mit Szenarien für einen Corona-Rückfall. Bremen bleibt auf jeden Fall beim „Hybrid“-Modell.
Nach den Sommerferien geht es für alle Schülerinnen und Schüler zurück in den Regelbetrieb: So jedenfalls plant es neben Berlin inzwischen die Mehrzahl der Bundesländer. Das ergibt eine Umfrage des Tagesspiegels unter allen 16 Kultusministerien. Was in normalen Zeiten kaum der Rede wert ist, dürfte bei vielen Eltern und auch vielen Schülerinnen und Schüler nach Monaten des Corona-Notbetriebs Erleichterung und Freude auslösen.
Für viele Schulen könnte die Rückkehr in den Regelbetrieb allerdings zu einem Kraftakt werden. Denn noch steht gar nicht fest, unter welchen Hygienebedingungen die Rückkehr stattfinden wird – auch das zeigt die Umfrage unter den Länderministerien.
Die Kultusministerinnen und Kultusminister, die Ende der Woche zu dem Thema tagen, hatten sich bisher nur darauf geeinigt, „so schnell wie möglich zu einem Regelbetrieb zurückkehren“ – eine Formel, die Raum für Interpretationen lässt.
Dass einige Ländern wieder alle Grundschülerinnen und Grundschüler im gewohnten Klassenverband lernen lassen, während andernorts Kinder und Jugendliche im rollierenden Schichtsystem nur an wenigen Tagen vor Ort unterrichtet werden, macht die Lage nicht gerade übersichtlicher. Hier der Überblick, was Lehrkräfte, Schüler und Eltern erwartet – vor und vor allem nach den Sommerferien.
Was vor den Sommerferien passiert
Sukzessive bekommen Schülerinnen und Schüler zwar mehr Präsenzunterricht in ihren Schulen – allerdings in den meisten Fällen nur an einigen Tagen und in kleineren Gruppen als üblich. Ausnahmen machen einige Länder inzwischen für die Grundschulen. Sachsen hat die Grundschüler Mitte Mai in den Regelbetrieb zurückgeholt, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt in der vergangenen Woche.
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In Nordrhein-Westfalen und in Thüringen ist es an diesem Montag soweit – jeweils im vollen Klassenverband, die Abstandsregeln sind aufgehoben. Später im Juni folgen Hessen und Baden-Württemberg.
Was nach den Sommerferien geplant ist
Für alle Schülerinnen und Schüler soll es nach den großen Ferien zurück zum Regelbetrieb gehen, und das nicht nur in der Primarstufe – so sehen es zwölf Bundesländer vor, darunter auch Berlin (siehe Karte). Nur Bremen sagt ausdrücklich, man arbeite für die Zeit nach den Sommerferien an einem Konzept, das „unter anderem Hybridunterricht für alle Schulformen“ beinhalte.
Allerdings stellen alle Länder ihre Planungen unter einen Disclaimer: „Soweit es das Pandemiegeschehen zulässt“. Sprich: Man behält sich Änderungen vor, sollte es zu einer neuen Coronawelle kommen. „So regulär und normal wie möglich anlaufen“ solle das Schuljahr, sagt etwa Sachsen-Anhalt – und fügt hinzu: „Inwieweit das realistisch sein kann, bleibt jedoch abzuwarten.“
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Die schwer vorherzusehende Infektionslage ist für Hamburg, Niedersachsen und Baden-Württemberg auch der Grund, anders als die anderen Länder noch nicht offensiv eine angestrebte Rückkehr zum Regelbetrieb in allen Schulformen anzukündigen. Niedersachsen spricht zum Beispiel etwas vage von „so viel Präsenzunterricht wie möglich und so viel Gesundheitsschutz wie nötig“, man arbeite an unterschiedlichen Szenarien.
Ganz so wie in Vor-Corona-Zeiten wird aber auch der Regelbetrieb nicht ablaufen. So werden nach den Sommerferien weiter Infektionsschutzmaßnahmen beizubehalten sein, durch die ein Rest von Ausnahmezustand bestehen bleibt. Deshalb halten einige Länder ihre Schulen an, sich auf die Pflichtfächer zu konzentrieren.
Einen fertigen, detaillierten Plan, wie das Schuljahr genau organisiert wird – was passiert etwa mit Lehrkräften aus Risikogruppen und welche Auswirkung hätte deren Ausfall auf die Unterrichtsplanung? – hat noch kein Land parat.
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Könnten die Länder mitten im Schuljahr zurück in den Fernunterricht springen, sollte es im Herbst oder im Winter zu einem Anstieg der Coronafälle kommen? Die meisten bereiten Back-Up-Pläne für verschiedene Szenarien vor. Rheinland-Pfalz beispielsweise stellt klar: „Im Zusammenspiel von Präsenzphasen und Fernunterricht gilt die reguläre Stundentafel.
Auch für den Fernunterricht muss es verbindliche Stunden- und Wochenpläne geben.“ Thüringen stellt einen „Stufenplan“ auf, mit dem Schulen „zu einer Form des reduzierten Präsenzbetriebes zurückkehren können, sollte es die regionale Lage erfordern“.
Wie verpasster Stoff nachgeholt wird
In einigen Ländern gab es bereits Nachholkurse: Sachsen-Anhalt bot diese in den zweiwöchigen Pfingstferien an. Mitmachen war keine Pflicht, aber „an mancher Schule lag die Teilnehmerrate bei bis zu 40 Prozent der Schülerschaft“, heißt es aus dem Kultusministerium in Magdeburg. Auch die anstehenden großen Ferien wollen mehrere Länder für Sommerschulen nutzen: etwa Berlin, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.
Im Südwesten gibt es aber auch schon seit Anfang Mai Förderkurse für die Schülerinnen und Schüler, die über den Fernunterricht nicht erreicht werden konnten. In einigen Ländern richten sich die Sommerschulen gezielt an benachteiligte Schüler, in anderen – wie Baden-Württemberg – an alle, „die sich unsicher fühlen und mehr üben möchten“, wie es aus Stuttgart heißt.
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Doch wie erhalten Lehrkräfte einen Überblick darüber, was ihre Schülerinnen und Schüler in der Zeit des Corona-Fernunterrichtes gelernt haben? In Rheinland-Pfalz sind die Lehrkräfte vom Bildungsministerium dazu angehalten worden, vor den Sommerferien in allen Fächern und Klassenstufen die Lernstände schriftlich festzuhalten, „damit im kommenden Schuljahr sinnvoll an das bis zu den Sommerferien Erreichte angeknüpft werden kann“, schreibt der Staatssekretär in einem Brief an die Schulen.
Brandenburg wiederum will in den ersten drei Wochen des neuen Schuljahres in den Fächern Deutsch, Mathematik, der 1. Fremdsprache sowie den Fächern des naturwissenschaftlichen Lernbereichs eine „Analyse der Lernausgangslage“ in allen Jahrgängen durchführen. Abhängig von diesem Ergebnis könnte es zusätzliche optionale Schulangebote in den Herbstferien und sogar in den Osterferien 2021 geben.
Hygieneregeln für den Regelbetrieb
Klar ist eines: Infektionsschutzmaßnahmen mögen weiterhin gelten – die Abstandsregel von 1,5 Metern ist im Regelbetrieb aber nicht mehr zu halten. In den Ländern, die schon jetzt die Grundschulen für den Regelbetrieb öffnen, ist sie dementsprechend aufgehoben worden. Dass das potenziell Konflikte birgt, zeigt das Beispiel Sachsens.
Ein Elternpaar klagte, weil es die Gesundheit des eigenen Kindes gefährdet sah, und bekam Recht – so dass der Besuch des Präsenzunterrichts aktuell freiwillig ist. Dennoch besuchen laut Ministerium 98 Prozent der Grundschulkinder ihre Schulen. Auch Hessen hat die Schulbesuchspflicht bis zum Sommer ausgesetzt. Eine Lehrkraft, die ebenfalls in Sachsen klagte, scheiterte dagegen vor Gericht.
Wie genau Hygieneregeln nach den Sommerferien im Regelbetrieb aussehen werden, steht indes nirgendwo wirklich fest. „Da der Schuljahresbeginn noch drei Monate vor uns liegt, wird man sehen, welche Hygieneschutzmaßnahmen im September erforderlich sein werden“, sagt Bayern, das mit Baden-Württemberg als letztes Land den Schulbetrieb nach den Ferien starten wird. Thüringen teilt mit, „aus heutiger Sicht“ würden Mund-Nasen-Bedeckung im Schulgebäude außerhalb der Unterrichtsräume,
Händewaschen und Raumlüftung „weiter mit hohem Augenmerk versehen werden müssen“. Rheinland-Pfalz weist seine Schulen darauf hin, auf Klassenfahrten bis zu den Herbstferien zu verzichten und Großveranstaltungen wie Schulfeste und Theateraufführungen zumindest im ersten Halbjahr zu vermeiden.
Einrichten dürften sich die Schulen voraussichtlich überall darauf, dass sie weiterhin möglichst feste Lerngruppen mit möglichst festen Lehrkräften bilden und Klassen nicht mischen. In Grundschulen dürfte das einfacher zu bewerkstelligen sein als in Oberschulen. Gut möglich, dass man Ende dieser Woche nach der Sitzung der Kultusministerkonferenz klarer sehen wird.
Coronatests an Schulen
Wie gefährlich ist das Infektionsgeschehen bei Kindern und an Schulen? Zu dieser öffentlich erregt diskutierten Frage gibt es immer noch keine Ergebnisse aus hinreichend groß angelegten Studien. Auch international nicht: Schweden etwa, das im Rahmen seiner vergleichsweise lockeren Lockdown-Strategie die Schulen bis zur 9. Klasse offenhielt, versäumte es, das wissenschaftlich zu begleiten. Dabei würden solche Erkenntnisse die Gestaltung des Schulbetriebs in Coronazeiten sehr erleichtern.
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Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, hat in der "Bild am Sonntag" eine nationale Teststrategie gefordert. Unserer Umfrage zufolge gehen die Bundesländer bislang unterschiedlich mit dem Thema um. Einige haben inzwischen eigene Studien in Auftrag gegeben, um Aufklärung über das Infektionsgeschehen zu erhalten, andere verfolgen zumindest eine koordinierte Teststrategie an Schulen und auch an Kitas.
Baden-Württemberg etwa lässt die Universität Heidelberg untersuchen, welche Rolle Kinder bis zehn Jahren bei der Verbreitung des Virus spielen. Erste Erkenntnisse würden „ausschließen“, dass Kinder „besondere Treiber“ des Infektionsgeschehens sind, somit könne man die Öffnung der Grundschulen schon vor den Sommerferien rechtfertigen, erklärt das Kultusministerium.
In Hamburg läuft bereits eine ähnliche Studie, die TU Dresden will für Sachsen jetzt die Verbreitung des Coronavirus unter 14- bis 18-Jährigen erforschen.
Systematische und wiederholte Querschnittstestungen bei ausgewählten Schulen plant wie berichtet die Charité in Berlin. Ähnliches haben Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen vor, Sachsen-Anhalt hält ein epidemiologisches „Frühwarnsystem“ für Schulen für „denkbar“.
Ein Land, das bisher noch keine Entscheidung über eine wissenschaftliche Begleitung sowie Coronatests für das kommende Schuljahr gefällt hat, ist dagegen ausgerechnet Nordrhein-Westfalen – und das, obwohl NRW bei den Lockerungen der Coronabeschränkungen immer ganz weit voraus ist.
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