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Schülerinnen und Schüler werden in der Mensa einer Grundschule mit Nudeln und Tomatensoße bedient.
© picture alliance / Roland Weihra

Bundesprogramm für Schulen nach der Coronakrise: Zusätzlich zwei Milliarden Euro für Ganztagsangebote in der Grundschule

Schüler brauchen nach dem Homeschooling mehr Betreuung in der Schule, meint die Bundesbildungsministerin. Doch um die Personalkosten droht ein Konflikt.

Mit einer Verdopplung des Ganztagsprogramms für die Grundschulen will Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) "den Familien neue Perspektiven für die Zeit nach der Pandemie geben".

„Momentan zeigt sich doch wie unter einem Brennglas, wie wichtig es ist, die Schülerinnen und Schüler gut zu betreuen, wenn die Eltern berufstätig sind“, sagte Karliczek der "Bild am Sonntag".

Ein Zwei-Milliarden-Programm zum Aufbau der Ganztagsgrundschulen hatte Karliczek gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bereits im November 2019 angekündigt. Mit dem Geld soll der im Koalitionsvertrag von Union und SPD vorgesehene Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2025 möglich gemacht werden.

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Finanziert wird das Vorhaben durch ein Sondervermögen, das über die Etats des Bundesfamilienministeriums und des Bundesbildungsministeriums ausgegeben werden soll. Diesen Topf möchte Karliczek jetzt um weitere zwei Milliarden Euro ergänzen - und hofft auf die Zustimmung der Koalitionspartnerin und der Länder.

"Brauchen starken Impuls zur Modernisierung der Schulen"

Das zusätzliche Geld will Karliczek aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung zur Linderung der Folgen der Pandemie beanspruchen, das am 2. Juni im Bundeskabinett besprochen wird. „In dem Investitionsprogramm brauchen wir auch einen weiteren starken Impuls zur Modernisierung unserer Schulen“, wird Karliczek zitiert.

[Lesen Sie zu Anja Karliczeks Plänen in Hinblick auf das Konjunkturprogramm auch den aktuellen Kommentar unseres Kolumnisten Jan-Martin Wiarda: Ein Konjunkturprogramm für die Wissenschaft!]

Einen massiven Ausbau der Ganztagsschulen als Konsequenz aus der Coronakrise hatte unlängst der Hamburger Bildungsforscher Rolf Strietholt im Interview mit dem Tagesspiegel gefordert.

"Die Aufgabe im neuen Schuljahr wird es sein, die Lücken durch den ausgefallenen Unterricht, durch die anregungsarme Umgebung mancher zu Hause und durch den üblichen Leistungsabfall in den sechswöchigen Ferien auszugleichen", sagte Strietholt, der die Forschungsabteilung der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) in Hamburg leitet.

Das Geld fließt in bauliche Maßnahmen - nicht für Pädagogen

Das könne "die große Chance der Ganztagsschulen werden". Dort könnten Schülerinnen und Schüler vom Morgen bis zum Nachmittag gezielt und individuell gefördert werden, mit pädagogischen Angeboten von der Sprachförderung bis zum Theaterspielen. Strietholt kritisierte: "Davon sind die meisten Schulen aber leider weit entfernt, auch weil sie nicht die nötigen Mittel für mehr Lehrkräfte haben und nachmittags mit Laien arbeiten."

Berichte zu Schulschließungen und Homeschooling

Doch abgesehen davon, dass das geplante Programm nur die Grundschulen im Blick hat: Die Milliarden vom Bund sollen bislang allein in den Ausbau etwa von Schulmensen und von Lernwerkstätten fließen - und nicht in Stellen für Lehrkräfte und Erzieherinnen.

Das hatte der damalige KMK-Präsident Alexander Lorz (CDU), Kultusminister in Hessen, bereits im November 2019 moniert. Eine einmalige Beteiligung des Bundes an den Investitionskosten schaffe noch lange keine Planungssicherheit für den notwendigen Kapazitätsausbau der Grundschulen. Länder und Kommunen dürften "nicht auf den laufenden Betriebskosten für die Ganztagsbetreuung sitzenbleiben“.

Die derzeitige KMK-Chefin Stefanie Hubig (SPD) wollte die Ankündigung der Bundesbildungsministerin am Sonntag auf Anfrage nicht kommentieren.

Länder sehen sehr viel höheren Bedarf für Ganztagsausbau

Im Juni vergangenen Jahres hatten die Bildungsminister der Länder ohnehin schon einen weitaus höheren Finanzbedarf von zusätzlich 7,7 Milliarden Euro im Jahr für den Ausbau der Ganztagsbetreuung an den Grundschulen angemeldet. Diese Kosten fielen vor allem für zusätzliches Personal an.

Die Rechnung der Länderminister basiert allerdings auf einer 90-prozentigen Nachfrage nach Ganztagsplätzen in der Grundschule, der Bund geht auf der Grundlage von Elternumfragen von 75 Prozent aus, sobald der Rechtsanspruch gilt. Bei bundesweit großen Schwankungen auch zwischen Stadt und Land liegt das Ganztagsangebot an Grundschulen derzeit im Schnitt bei 50 Prozent.

In der Personalfrage hatten Karliczek und Giffey im November allein die Länder in der Pflicht gesehen. Diesen Konflikt hat Karliczek auch aktuell im Blick, wenn sie sagt, die Länder müssten nun auch ihren Beitrag zu dem Programm leisten, damit die notwendigen Gesetzgebungsverfahren in den nächsten Monaten umgesetzt werden könnten. (mit dpa)

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