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Unreguliert. In vielen Ländern der Dritten Welt werden Medikamente wie Antibiotika auf Märkten angeboten.
© mauritius images

Resistenzen eindämmen: UN-Generalversammlung tagt zu Superkeimen

HIV, Ebola, resistente Keime: Die UN-Generalversammlung berät am Mittwoch zum vierten Mal in ihrer Geschichte zu einer Gesundheitskrise.

Die meisten Kinder waren nicht einmal drei Tage auf der Welt. Trotzdem lagen sie bereits mit einer Sepsis auf der Intensivstation. In ihrem Blut fanden die indischen Ärzte oft Bakterien, die als besonders hartnäckige „Krankenhauskeime“ bekannt sind: multiresistente Varianten von Acinetobacter baumanii zum Beispiel oder Klebsiella pneumonii. Teilweise bildeten sie sogar das Enzym NDM-1 und machten damit Reserveantibiotika aus der Gruppe der Carbapeneme wirkungslos. Wie hatten sich die Neugeborenen so schnell damit infiziert, fragen die Ärzte dreier Kliniken in Delhi im Fachblatt „Lancet“. War es im Kreißsaal passiert oder auf der Intensivstation selbst? Hatten die Gynäkologen bei Untersuchungen der Mutter nicht genug auf Hygiene geachtet? Das Resultat jedenfalls war verheerend: Jedes vierte der 2000 Babys starb an der Sepsis, obwohl die Infektion früh erkannt und behandelt wurde. „Unsere Ergebnisse sind ein weiterer Weckruf, die eskalierende Bedrohung durch resistente Mikroben weltweit einzudämmen“, schreiben die Ärzte.

Die tödlichen Infektionen von Neugeborenen sind nur ein Grund, warum sich die UN-Generalversammlung am Mittwoch zum vierten Mal in seiner Geschichte mit einer Gesundheitskrise beschäftigen wird. Wenn Antibiotika oder auch Medikamente gegen HIV, gegen Tuberkulose und Malaria ihre Wirkung verlieren, rücken die ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen in weite Ferne. In Entwicklungs- wie in Industrieländern stünden die Erfolge der modernen Medizin auf dem Spiel. Nicht nur nach Organtransplantationen könnten banale Infektionen lebensgefährlich werden, dasselbe würde nach Geburten oder einer einfachen Knie-Operation gelten. Die Kosten für den Einzelnen und für die Gesundheitssysteme wären enorm, warnen Weltgesundheitsorganisation WHO, die Weltorganisation für Tiergesundheit OIE und die Welternährungsorganisation FAO in den gemeinsam vorbereiteten Papieren. Die Entwicklung vieler Länder könne zurückgeworfen, die Lebensmittelproduktion und die Gesundheit von Nutztieren dauerhaft in Mitleidenschaft gezogen werden.

Gesundheit von Mensch und Tier kann man nicht trennen

Die Staatschefs, die sich nun in New York versammeln, sollen auf den „Global Action Plan on Antimicrobial Resistance“ der WHO eingeschworen werden. Dieser sei die Blaupause für eigene Pläne, um den übermäßigen und falschen Gebrauch der Mittel zu unterbinden und der weiteren Verbreitung resistenter Mikroben vorzubeugen. Eine Mammutaufgabe angesichts der Tatsache, dass 80 Prozent der WHO-Mitgliedsstaaten nicht einmal die längst vereinbarten Mindestanforderungen für Infektionsschutz und Seuchenüberwachung erfüllen, dass Antibiotika in vielen Ländern frei verkäuflich sind, niemand ihre Qualität kontrolliert und Bauern daran gewöhnt sind, ihren Tieren die Mittel zu füttern. „One Health“ heißt nun eines der Stichworte, das die UN-Organisationen den Staatschefs mitgeben wollen. Man könne die Gesundheit von Mensch und Tier nicht voneinander trennen oder gegeneinander ausspielen. Die Zeit, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben können, sei vorbei. Die Sektoren sollten vielmehr kooperieren.

Das zeigt das Beispiel mcr-1. Ende 2015 haben Forscher das Resistenzgen bei Darmkeimen von Hühnern und Schweinen gefunden – auf einem ringförmigen Erbgutstück, das Keime untereinander austauschen. Es ist ein Schutzmechanismus gegen das Uralt-Antibiotikum Colistin, das die Humanmedizin wegen schwerer Nebenwirkungen ausrangiert und den Landwirten überlassen hatte. Nun ist Colistin mitunter das letzte Mittel, das gegen Klebsiella pneumoniae und Acinetobacter baumanii wirkt.

Mikroben schaden nicht nur, sie machen die Erde erst bewohnbar

Schon weil das komplexe Zusammenspiel zwischen Mensch, Umwelt und Mikroben längst nicht verstanden sei, müsse der Gebrauch von Antibiotika dringend reduziert werden, betonen Forscher um Peter Jörgensen von der Schwedischen Akademie der Wissenschaften im Fachblatt „Nature“. Wie die Ozonschicht, wie Biodiversität und ein stabiles Klima gehörten gegen Antibiotika empfindliche Mikroben zu den Gemeingütern. Kein Staat habe allein genug Anreize, sie zu schützen. Aber Mikroben schadeten uns nicht nur, sondern machten die Erde erst bewohnbar. Der WHO-Plan geht ihnen nicht weit genug. So fehlten konkret formulierte Ziele, deren Erreichen Gutachter überprüfen können. Das erfordere politischen Willen und eine Mobilisierung der gesamten Gesellschaft. Bisher sei das Unwissen über Antibiotika und Resistenzen erschütternd. Rund 64 Prozent der Befragten in zwölf Ländern glaubten beispielsweise, dass sie gegen Grippe und Erkältungen helfen würden.

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