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Wechselunterricht und mehr: Berlins Eltern wollen Entscheidungsbefugnisse der Schulen stärken.
© imago images/Belga
Update

Schulen sollen offen bleiben: Kultusminister trotz Omikron weiter für Präsenzbetrieb

Die Kultusministerkonferenz (KMK) bekräftigt die Bedeutung des Präsenzunterrichts. Punktuelle Schulschließungen sind allerdings möglich. Gesundheitsminister Lauterbach warnt. 

Die Schulen sollen auch trotz der sich anbahnenden Omikron-Welle so lange wie möglich offengehalten werden. Mit diesem Ziel hat die Kultusministerkonferenz (KMK) am Mittwoch ihren Beschluss vom vergangenen Dezember bekräftigt. 

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Präsenzlernen soll demnach weiterhin höchste Priorität haben, sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Schleswig-Holsteins Schulministerin Karin Prien (CDU). Das Offenhalten von Bildungseinrichtungen sei wichtig, um den Zugang von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Bildung, ihr soziales Miteinander und ihr Recht auf Teilhabe zu sichern. 

KMK: Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen beachten

Auch trotz der neuen Omikron-Virusvariante müssten die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen noch stärker in den Blick genommen werden. „Das bedeutet, dass wir die Schulen erst dann schließen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind“, sagte Prien. Wichtig sei, die Schulen im Notfall nicht als erstes, sondern als letztes zu schließen.

Nach dem Beschluss der KMK vom 5. Januar soll die Quarantäneregelung nach Möglichkeit auch für den Schulbetrieb angepasst werden. Hier gehe es darum, dass auch für Lehrkräfte und Schüler:innen die Quarantänefristen verkürzt werden, wenn dies von medizinischen Experten empfohlen wird, erläuterte Prien. Ziel sei die Gleichbehandlung der Schulen mit den zur Kritischen Infrastruktur zählenden Einrichtungen. 

Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein, und seit Jahresanfang Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK).
Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein, und seit Jahresanfang Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK).
© dpa

„Es darf nicht passieren, dass die Schulen durch sehr strenge Quarantänevorschriften faktisch lahmgelegt werden“, ergänzte Prien. Schulschließungen sind nach der gegenwärtigen Gesetzeslage nur durch Gesundheitsämter punktuell möglich, nicht aber flächendeckend durch die Länder.

Testen, Maskenpflicht und breites Impfen

Das Infektionsgeschehen an den Schulen soll durch regelmäßiges Testen, Maskenpflicht im Unterricht und möglichst breites Impfen so gering wie möglich gehalten werden. Dazu sollten auch immunisierte Schüler:innen und Lehrkräfte getestet werden. Die KMK verweist auf hohe Impfquoten unter den an Schulen Beschäftigten. Zugleich erwarte man von allen Erwachsenen, sich und ihre Kinder durch Impfungen zu schützen. Impfangebote in der Altersgruppe ab 12 Jahren – soweit dies noch nicht erfolgt ist – sollen ausgebaut werden. Für Kinder zwischen 5 und 11 Jahren erwarten die Kultusminister:innen von den zuständigen Stellen eine weitere Präzisierung der Impfempfehlungen.

Prien erklärte des Weiteren, dass das Offenhalten der Schulen wichtig sei, damit Bildungschancen weitestgehend sichergestellt und psychosoziale Folgeschäden bei Kindern und Jugendlichen verhindert beziehungsweise erkannt werden können. Das vom Bundesverfassungsgericht kürzlich hervorgehobene Recht der Kinder und Jugendlichen auf schulische Bildung gelte es daher zu wahren, heißt es in dem KMK-Beschluss.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sprach sich ebenfalls für das Offenhalten der Schulen auch während der Omikron-Welle aus. „Wir unterstützen als Bund mit allem, was notwendig ist, um das zu ermöglichen“, sagte Stark-Watzinger der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Schulen seien durch Testen, Maskentragen und Hygienemaßnahmen weitgehend sichere Orte. Sie wirkten stabilisierend und seien bisher keine Pandemietreiber. Präsenzunterricht müsse trotz Omikron „absolute Priorität haben“. 

Auch leichte Verläufe können riskant sein

Mittlerweile deuten allerdings neue Studien an, dass auch bei einem milden Verlauf der Infektion, wie er bei Schülern häufig ist, Langzeitfolgen für die Organe möglich sind. Die Virologin Jana Schroeder sagte gegenüber dem Tagesspiegel dass nicht auszuschließen sei, dass Folgeschäden auch bei Kindern und Jugendlichen auftreten. "Ich möchte das Risiko bei Kindern nicht als ,Kollateralschaden der Pandemie' einfach so hinnehmen", sagte Schroeder.

Am Mittwochabend kam auch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine nachdenklichere Einschätzung. Schulschließungen seien angesichts der Omikron-Variante nicht kategorisch auszuschließen, sagte er im ZDF. Omikron dürfe nicht auf die leichte Schulter genommen werden, auch wenn es offenbar mehr leichte Verläufe gibt. Auch unter Schülern würden viele sehr krank werden und womöglich Spätfolgen haben. Sehr wichtig sei das Tragen der Maske, gerade auch bei der neuen Virusvariante biete diese höheren Schutz. 

Lehrerverband fordert Notfallplan

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, bezweifelt indessen, dass die Bundesländer ihr Versprechen, am Präsenzunterricht festzuhalten, auch wirklich „durch geeignete bundeseinheitliche Maßnahmen“ absichern. Es sei zwar richtig gewesen, nach den Weihnachtsferien mit vollständigem Präsenzunterricht zu starten. „Was wir aber brauchen, ist eine Strategie, ist ein Notfallplan, mit welchen zusätzlichen Maßnahmen wir an den Schulen reagieren müssen, wenn sich dort die Infektionszahlen explosiv nach oben entwickeln“, sagte Meidinger dem Portal ntv.de. Der hessische Kultusminister Alexander Lorz bekräftigte am Mittwoch vor der Presse, dass es ausreichend Pläne für mögliche Einschränkungen im Schulbetrieb bei hoher Infektionstätigkeit gebe. Derartige Stufenpläne würden bereit liegen.

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, kritisierte , dass die KMK in ihrem Beschluss vom 5. Januar keine bundeseinheitlichen Kriterien für Schulen in der Omikronwelle festgelegt hat. Sie sagte am Freitag im rbb: „Das muss endlich ein Ende nehmen, wir brauchen beispielsweise einheitliche Regelungen für die Quarantäne.“ Finnern geht davon aus, dass durch die Omikron-Variante auch an den Schulen sehr viele Lehrkräfte und Schüler:innen infiziert werden. Dabei werde man um Schulschließungen nicht herum kommen. „Ganz ehrlich, es werden nicht alle Schulen aufbleiben können. Das muss man deutlich so sagen“, so Finnern am Mittwoch im Sender n-tv. 
Unterricht in Präsenz sei erste Wahl, „aber auch nicht um jeden Preis“. Im vergangenen Jahr hatten sich die großflächigen Einschränkungen an den Schulen bis ins Frühjahr gezogen. Nur schrittweise kehrten Schülerinnen und Schüler zurück, manche erst im Mai. Wegen der langen Ausfälle wird geschätzt, dass sich bei fast einem Viertel der Schülerinnen und Schüler Lernrückstände aufgebaut oder vergrößert haben. 

Auch der Deutsche Philologenverband forderte einen einheitlichen und kriterienorientierten Stufenplan, der für alle Bundesländer gilt. „Wir brauchen einen Stufenplan, der sich an Inzidenz, Impfquote und Hospitalisierungsrate orientiert und je nach Lage vor Ort entsprechend umgesetzt werden kann“, erklärte die Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing. Zu einem solchen Vorhaben gehöre für den Verband auch ein Plan, der festhalte, bis zu welchem Quarantäneprozentsatz von Lehrkräften, Schüler:innen  weiter voller Präsenzunterricht geleistet werden könne. Einheitliche Kriterien schützten außerdem auch vor politischen Alleingängen in einzelnen Bundesländern und gewährleisteten trotzdem ein regional angepasstes Handeln.

Für  eine mögliche Rückkehr in den Distanz- oder Wechselunterricht sieht Prien die Schulen nun besser eingestellt als noch im vergangenen Winter. „Die Schulen sind heute deutlich besser vorbereitet auf diesen Weg des Unterrichtens, der allerdings nie optimal ist“, so Prien. Es habe bei der digitalen Ausstattung der Schulen einen Riesenschritt nach vorn gegeben, und auch bei der Anwendung digitaler Medien im Unterricht hätten die Lehrkräfte ihre Didaktik angepasst.

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