Amtsarzt hält Aussetzen der Präsenzpflicht an Schulen für sinnlos: „Omikron fegt durch alles durch“
Zum Ferienende beginnt der reguläre Unterricht mit flächendeckenden Tests. Amtsarzt Larscheid meint, Omikron sei auch mit Fernunterricht nicht beizukommen.
Dem Ferienende am Montag folgt regulärer Unterricht ohne Befreiung von der Präsenzpflicht. Dies hat der Hygienebeirat bei seiner Sitzung am Donnerstag empfohlen und die Senatsverwaltung für Bildung ist dieser Empfehlung gefolgt, wie die Behörde nach der Sitzung mitteilte. Allerdings müssen sich alle Schülerinnen und Schüler, die weder geimpft noch genesen sind, in der ersten Woche täglich zu Schulbeginn testen.
Dem Hygienebeirat gehören neben Vertreterinnen und Vertretern der Eltern sowie der Lehrkräfte auch Wissenschaftler wie die Charité-Professoren Frank Mockenhaupt und Martin Möckel an sowie für die Amtsärzte Patrick Larscheid. Er begründete das Festhalten an der Präsenzpflicht auf Anfrage damit, dass es „epidemiologisch keinen Unterschied“ mache, ob die Kinder zur Schule gingen oder nicht: Die Omikron-Variante sei so ansteckend, dass sich die Schülerinnen und Schüler im privaten Umfeld ebenso anstecken würden. „Omikron fegt durch alles durch“, sagte Larscheid mit Blick auf die hohen Fallzahlen etwa in Frankreich.
Die Bildungsverwaltung betonte, sie habe „mit erheblichem logistischen Aufwand“ so viele Tests an die Schulen gebracht, dass auch alle bereits geimpften oder genesenen Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit hätten, sich in der ersten Schulwoche täglich testen zu lassen.
Zudem gilt an den Schulen die allgemeine Maskenpflicht. Der Präsenzunterricht gebe Schülerinnen und Schülern in der Pandemiesituation durch regelmäßigen Kontakt mit ihren Lehrkräften „zusätzlich Stabilität und Verlässlichkeit“, kommentierte Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) die Entscheidung. Der Vorsitzende der Berliner Sekundarschulleitervereinigung Sven Zimmerschied begründete am Sonntag sein Votum für die Präsenzpflicht damit, dass oft ausgerechnet die Schülerinnen und Schüler, „die den Unterricht am nötigsten hätten“, andernfalls zu Hause blieben.
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Wichtige Berliner Gremien und die Bildungssenatorin sind damit auf einer Linie mit der übrigen Kultusministerkonferenz (KMK), die sich auf Präsenzunterricht verständigt hatte. Mit Ausnahme von Thüringen werden alle Bundesländer, in denen am Montag die Ferien enden, mit der Präsenzpflicht starten. „Die Schulen sollten das Letzte sein, was noch einmal flächendeckend geschlossen wird“, sagte die neue KMK-Vorsitzende, Karin Prien (CDU). Das geänderte Infektionsschutzgesetz enthalte „keine Rechtsgrundlage für flächendeckende Schulschließungen“. Prien ist Bildungsministerin von Schleswig-Holstein.
Abschlussrelevante Jahrgänge sollen Vorrang haben
Die Berliner Bildungsverwaltung hat allen Schulen zudem Hinweise gegeben, was zu tun ist, wenn durch die Omikron-Variante verstärkt Pädagoginnen und Pädagogen in Quarantäne geschickt werden. Wichtig sei, dass in Absprache mit der Schulaufsicht „Sonderplanungen“ möglich seien. Abschlussrelevante Jahrgänge und Klassen im Übergang seien „besonders in den Blick zu nehmen“.
Die Behörde teilte zudem mit, dass 90,5 Prozent des gesamten Schulpersonals inzwischen geimpft und knapp drei Prozent genesen seien, bei Lehrkräften sei die Impfquote sogar noch deutlich höher. Zudem steige auch die Impfquote der Schülerinnen und Schüler kontinuierlich an. Im übrigen gelte weiterhin der Stufenplan, so dass Amtsärztinnen und Amtsärzte nach Rücksprache mit der regionalen Schulaufsicht wöchentlich „schulscharf“ entscheiden, ob eine Schule wegen hoher Infektionsraten in den Wechselunterricht gehen muss.
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Der Berliner Landeselternausschuss (LEA) empfiehlt die Aufhebung der Präsenzpflicht für den Fall stark steigender Inzidenzen und einer damit einhergehenden „unübersichtliche Lage an den Schulen“. Zusammen mit dem Elternausschuss der beruflichen Schulen in Berlin empfahl der LEA „dringend“, dass alle Schulangehörigen – Beschäftigte sowie Schülerinnen und Schüler – egal ob geimpft oder nicht geimpft – vor Antritt des Schulweges oder maximal 24 Stunden vor dem ersten Schultag durch einen Schnelltest auf Corona getestet werden oder in einem Testzentrum den kostenlosen Bürgertest in Anspruch nehmen. So ließen sich „mögliche Folgeerscheinungen“ aus den Schulen heraushalten.
36 Millionen Corona-Textkits wurden an die Schulen geliefert
Die Elterngremien bedauerten, dass die Senatsverwaltung für Bildung nicht ihrer Empfehlung gefolgt sei, vor den Ferien Tests für den ersten Schultag mitzugeben. Schließlich gelte mit dem ersten Schultag der Schülerausweis wieder als Testnachweis, obwohl die Schülerinnen und Schüler ja in den Ferien unter Umständen gar nicht getestet wurden.
Die CDU-Abgeordneten Sandra Khalatbari wollte unterdessen von der Senatsverwaltung für Bildung wissen, wie der Nachschub an Tests geregelt ist. Bildungs-Staatssekretär Alexander Slotty (SPD) teilte ihr in der noch unveröffentlichten Antwort auf ihre Anfrage mit, dass jede Schule einen Vorrat für drei Wochen habe und „laufend nach Bedarf beliefert“, werde.
Slottys Antwort auf Khalatbaris Anfrage ist zudem zu entnehmen, dass die Bildungsverwaltung seit Beginn der Pandemie bis Mitte Dezember mehr als 36 Millionen Corona-Tests an die Schulen geliefert hat.