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Menschen tragen Schutzmasken und gehen am Eiffelturm vorbei.
© Michel Euler/AP/dpa

Debatten über Quarantäne-Dauer: Wie Europa auf Omikron reagiert

Die Omikron-Variante verbreitet sich in Europa. Während in Deutschland die Verkürzung der Quarantäne diskutiert wird, sind andere Länder schon weiter.

Vor dem Bund-Länder-Gipfel am kommenden Freitag wird in Deutschland über den Umgang mit der Omikron-Variante und eine mögliche Verkürzung der Quarantänedauer von derzeit 14 Tagen diskutiert. Viele europäische Nachbarländer haben diesen Schritt bereits vollzogen.

Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Véran kündigte am Sonntag eine Verkürzung der Quarantänedauer für vollständig geimpfte Corona-Infizierte an. Unabhängig von der Virus-Variante müssen sich diese ab Montag in der Regel für sieben und nicht mehr für zehn Tage isolieren – und können sich bereits nach fünf Tagen mit einem negativen Schnell- oder PCR-Test davon befreien.

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Die Quarantäne für Kontaktpersonen, die vollständig geimpft sind, wird ganz aufgehoben. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Frankreich liegt aktuell bei 1665,7, ist also etwa sieben bis acht Mal so hoch wie in Deutschland.

Die Lockerung und Vereinheitlichung der Regeln sollten „der extrem schnellen Entwicklung der Verbreitung der in Frankreich Rechnung tragen“, erklärte das Gesundheitsministerium. Der Schritt solle „eine Nutzen-Risiko-Abwägung“ ermöglichen, die darauf abzielt, das Infektionsgeschehen „unter Kontrolle“ zu halten und gleichzeitig das soziale und wirtschaftliche Leben „aufrechtzuerhalten“.

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Angesichts massiv steigender Infektionszahlen verzichtet Frankreich außerdem künftig auf das Schließen ganzer Schulklassen bei einzelnen Corona-Fällen. Das Bildungsministerium veröffentlichte die neuen Regeln am Sonntagabend wenige Stunden vor dem Schulstart nach den Weihnachtsferien.

Im Fall eines infizierten Schülers muss künftig die gesamte Klasse getestet werden. Schüler mit negativem Testergebnis dürfen in die Klasse zurückkehren und müssen in den folgenden Tagen zwei weitere Selbsttests machen. Vor Beginn der Weihnachtsferien waren landesweit mehr als 3000 Klassen geschlossen. Der Wissenschaftsrat hatte während der Ferien gewarnt, dass bis zu einem Drittel der Lehrkräfte bis Ende Januar infiziert oder Kontaktperson von Infizierten sein könnte.

Verschärft wurden in Frankreich dagegen Masken- und Homeoffice-Pflicht. Wer von zu Hause arbeiten kann, muss dies nun an mindestens drei Tagen in der Woche tun. In Paris und anderen Städten gilt wieder eine Maskenpflicht im Freien. Unterdessen befasst sich die Nationalversammlung mit dem bereits zwölften Gesetzentwurf zum Umgang mit der Pandemie. Der bisher geltende Gesundheitspass soll in einen Impfpass umgewandelt werden; dies entspricht dem Übergang von der 3G- zur 2G-Regel.

Spanien und Portugal: Gleichgewicht zwischen Gesundheit und Wirtschaft

In Spanien und Portugal wurde die Quarantäne-Dauer für Infizierte ohne Symptome von zehn auf sieben Tage verkürzt. Spanien müsse ein Gleichgewicht zwischen der öffentlichen Gesundheit und dem Wirtschaftswachstum finden, begründete Regierungschef Sánchez das Vorgehen am vergangenen Mittwoch. Schon vor Weihnachten hatte die spanischen Behörden empfohlen, vollständig Geimpfte, die Kontakt mit einem Omikron-Infizierten hatten, nicht mehr unter Quarantäne zu stellen. Stattdessen sollten die Betroffenen nur ihre Kontakte einschränken.

In den beiden Ländern liegen die Impfquoten vergleichsweise hoch. In Spanien sind 81 Prozent der Einwohner vollständig gegen Corona geimpft, in Portugal 89,5 Prozent. Deutschland liegt mit 71,3 Prozent weit dahinter.

Großbritannien: Mit dem Desaster leben

Auch in Großbritannien wurde die Quarantäne bereits verkürzt – von zehn auf sieben Tage für die Infizierten, die an zwei aufeinanderfolgenden Tagen negative Schnelltests vorlegen. Ungeachtet steigender Infektionszahlen will die britische Regierung vorerst keine neuen Corona-Restriktionen verhängen.

Das Land müsse „versuchen, mit Covid-19 zu leben“, schrieb Gesundheitsminister Sajid Javid am Samstag in einem Beitrag für die Zeitung „Daily Mail“. Neue Einschränkungen werde es nur „als absolut letzten Ausweg“ geben. Unterdessen fehlt einem Bericht der „Sunday Times“ zufolge im Gesundheitssektor fast jeder zehnte Mitarbeiter, die Hälfte davon wegen Krankheit oder Quarantäne. Am Freitag wurden 189.000 Neuinfektionen mit dem Corona-Virus gemeldet; die Inzidenz liegt bei 1980 Infektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen.

Niederlande: Lockdown zur Reduktion der Infektionszahlen

Andere Länder reagieren mit harten Corona-Maßnahmen. In den Niederlanden gilt noch immer ein Lockdown zur Reduktion der Infektionszahlen. Noch bis zum 14. Januar müssen alle nicht lebensnotwendigen Geschäfte geschlossen bleiben. In den Schulen des Landes soll frühestens am 10. Januar wieder Präsenzunterricht stattfinden. Im Freien dürfen sich maximal zwei Menschen treffen, Ausnahmen gelten unter anderem für Beerdigungen. Die Reisefreiheit der Bürger wurde jedoch nicht eingeschränkt.

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Zugleich haben am Sonntag erneut tausende Menschen teils gewaltsam gegen die Maßnahmen demonstriert. 30 Teilnehmer wurden festgenommen – wegen Störung der öffentlichen Ordnung, Missachtung der Ordnungskräfte, Körperverletzung und dem Besitz einer verbotenen Waffe. Für symptomlose Infizierte gilt in den Niederlanden eine Quarantänedauer von sieben Tagen, bei Symptomen müssen mindestens sieben Tage zwischen ihrem Ende und dem Ende der Quarantäne liegen.

Dänemark und Irland: Viele Infektionen, viele Impfungen

Auch Dänemark hatte wegen der raschen Ausbreitung der Omikron-Variante große Teile des öffentlichen Lebens heruntergefahren. Seit nunmehr zwei Wochen gilt ein Lockdown für Kulturbetriebe und Sportstätten. Dennoch hat das Land eine der höchsten Sieben-Tage-Inzidenzen weltweit: Bei 2504,6 liegt sie aktuell. 78,7 Prozent aller Dänen sind geimpft. Allerdings werden in Dänemark deutlich mehr Tests durchgeführt, nämlich siebzehn Mal so viele wie in Deutschland. Der Vergleich der Infektionszahlen ist also schwierig.

Ähnlich hohe Infektionszahlen weist Irland auf – mit 1946,5 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen. Dennoch sollen dort Schulen und Kinderkrippen ab dem kommenden Donnerstag normal öffnen, kündigte Umwelt- und Kommunikationsminister Eamon Ryan an. „Es ist sehr wichtig“, sagte der Grünen-Politiker dem Radiosender RTE. „Die Verluste sind viel größer, wenn wir unsere Kinder nicht zurück in die Schule lassen.“

Ryan verwies auf die – der hohen Ansteckungsrate der neuen Variante zum Trotz – konstant gebliebene Zahl der Erkrankten, die intensivmedizinisch behandelt werden mussten. „Es scheint, dass die Virulenz dieser neuen Variante nicht so hoch ist wie die der vorherigen.“

Ermutigend sei zudem, dass es keine signifikanten neuen Ausbrüche in Altersheimen gebe. Eine Verkürzung der Quarantänedauer, um eine Gefährdung der öffentlichen Infrastruktur durch hohe Infektionszahlen zu verhindern, werde in Betracht gezogen. Auch in Irland liegt die Impfquote mit 77 Prozent deutlich höher als in Deutschland.

Italien: Quarantäne für Kontaktpersonen ausgesetzt

In Italien sind die öffentlichen Dienste durch hohe Infektions- und Quarantänezahlen stark eingeschränkt. Insgesamt 2,5 der 59 Millionen Bürger befinden sich in Quarantäne. Probleme gibt es unter anderem bei der Müllabfuhr, in Krankenhäusern und im öffentlichen Nahverkehr. So ist zum Beispiel jeder achte Lokführer der norditalienischen Bahngesellschaft Trenord corona-positiv, außerdem etwa 10.000 Krankenpfleger.

In Reaktion auf mögliche noch dramatischere Engpässe hat das Land die Quarantäne für Kontaktpersonen von Infizierten bereits ausgesetzt, wenn sie geboostert sind und die zweite Impfung nicht länger als 120 Tage zurückliegt. Zugleich werden die 2G-Regeln an öffentlichen Orten ab dem 10. Januar noch ausgeweitet. (dpa, AFP, Reuters)

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