Neue Studie: Juniorprofessoren haben beste Karriereaussichten
Juniorprofessoren sind mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden - und sie sorgen sich um ihre beruflichen Aussichten. Zu Unrecht, wie eine neue Studie zeigt.
Die Juniorprofessur hat einen schlechten Ruf – jedenfalls bei den Wissenschaftlern, die auf einer solchen Stelle forschen und lehren. Nach einer aktuellen Umfrage sieht sich fast die Hälfte zeitlich so beansprucht, dass Familie und Beruf nicht vereinbar seien. Gleichzeitig sind nicht einmal 50 Prozent mit ihrem Gehalt zufrieden.
Befragt wurden 600 Juniorprofessorinnen und -professoren vom Institut für Hochschulforschung (HoF) in Halle-Wittenberg, das jetzt gemeinsam mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) eine neue Studie zur Juniorprofessur vorlegt. Die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Expertise erscheint in der Edition Sigma (Nomos).
Am negativsten beurteilen die Befragten die Planbarkeit ihrer Karriere, hier sind fast drei Viertel unzufrieden. Doch gerade in diesem Punkt müssten sie sich die wenigsten Sorgen machen, denn die Studie bescheinigt ihnen beste Karriereaussichten.
Wird der Tenure Track für alle noch gebraucht?
Eingeführt wurde die Juniorprofessur 2002 als Alternative zur zeitaufwendigen Habilitation, um die Professorenschaft zu verjüngen und mehr Frauen auf Professuren zu bringen. Begleitet von einem durch die damalige Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) initiierten Bundesprogramm sollten 6000 Stellen aufgebaut werden. Bulmahns Nachfolgerin Annette Schavan (CDU) wollte das Programm nicht fortsetzen, aber mit aktuell knapp 1500 Stellen gilt die Juniorprofessur heute als etabliert. Die derzeitige Ministerin Johanna Wanka (CDU) macht sich jetzt für eine Neuauflage des Programms stark, diesmal sollen 1000 zusätzliche Juniorprofessuren allerdings mit einem Tenure Track, also mit einer gesicherten Karriereperspektive, versehen werden.
De facto haben Juniorprofessuren diese Perspektive aber schon jetzt. „Die Juniorprofessur hat ein schlechtes Image, aber Zahlen und Fakten sprechen eine andere Sprache“, sagt Sigrun Nickel, Studienleiterin beim CHE. Nach ihrer Befragung ehemaliger Juniorprofessoren werden 85 Prozent der Wissenschaftler auf eine Professur berufen, zwei Drittel von ihnen sogar zwei oder drei Jahre vor dem Ende der offiziell sechsjährigen Laufzeit.
Auch die übrigen 15 Prozent kommen der Studie zufolge unter: Sechs Prozent wechseln auf eine andere Qualifikationsstelle, etwa um zu habilitieren, neun Prozent finden eine Stelle im Hochschul- oder Forschungsmanagement, in der Wirtschaft oder auch als Lehrkraft an einer Schule. Weil der Rücklauf bei der Befragung mit 168 Antworten nicht repräsentativ war, erbaten Nickel und ihr Team zusätzlich Auskünfte der Universitäten. Das Ergebnis ist etwas schwächer, aber immer noch positiv: An den 37 Unis, die sich beteiligten, sind im Schnitt 72 Prozent der ehemaligen Juniorprofs dem Ruf auf eine Professur gefolgt.
Die Krux: Arbeitslose machten bei Umfrage nicht mit
Zwei Informationslücken könne das Forschungsprojekt allerdings nicht schließen, gibt Nickel zu: „Die Krux ist, dass sich die Arbeitslosen bei solchen Umfragen nicht melden. Und nicht alle Unis dokumentieren, was aus ihren Juniorprofessoren wird.“ Doch auch Anke Burkhardt, Studienleiterin vonseiten des HoF, die Karrierewege von Nachwuchswissenschaftlern und insbesondere die von Juniorprofessoren seit zehn Jahren verfolgt, ist sich sicher: „Die Berufungsquote ist viel höher, als wir erwartet haben. Bislang sind nur einige wenige leer ausgegangen.“
Etliche Unis lehnen den generellen Tenure Track ab
Die Freie Universität Berlin gehört zu den Unis, die über dem Schnitt liegen. Dort wurden 80 Prozent auf eine nächste Professur berufen. Für FU-Präsident Peter-André Alt ist das schon länger ein Argument gegen einen generellen Tenure Track. Der Karriereweg funktioniere eben auch ohne Bleibeperspektive. Alt gehört zu den Unipräsidenten, die sich gegen die Festlegung wehren, eine Stelle mit einer bestimmten Ausrichtung an derselben Uni zu verstetigen.
Denn die Fakultät könnte ja nach sechs Jahren einen anderen Schwerpunkt wählen wollen oder eine Professur aus Kostengründen auslaufen lassen müssen. Viele Unichefs befürchten auch, sich mit der sicheren Karriereperspektive frühzeitig an Wissenschaftler zu binden, die am Ende doch nicht für eine Professur geeignet sind.
"Gerade die Übernahmequote spricht dafür, Juniorprofs abzusichern"
Die beiden Studienleiterinnen ziehen einen gegenteiligen Schluss aus ihren Daten. Gerade die hohe Übernahmequote spreche dafür, den Juniorprofessoren von vornherein eine Stelle zuzusichern, wenn sie sich bewähren. „Wer auf eine Juniorprofessur kommt, hat ja bereits im Berufungsverfahren einen Selektionsprozess durchlaufen, es folgen weitere Evaluierungsschleifen“, sagt Sigrun Nickel vom CHE.
Die im Schnitt mit knapp 35 Jahren berufenen „Junioren“ noch einmal sechs Jahre in Unsicherheit zu lassen, sei unverantwortlich. Vor der Überleitung in eine volle Professur steht auch beim Tenure Track eine strenge Bewertung der bisherigen Arbeit in Forschung und Lehre. Vor ungeeigneten Kandidaten müssten die Unileitungen also keine Angst haben. Auch Anke Burkhardt vom HoF hält die „sehr lange Probezeit“ für unzumutbar.
Unklar, wer die Verstetigung der 1000 neuen Professuren finanziert
Von den Befragten hatten bereits 20 Prozent einen Tenure Track. Bundesweit führen ihn mehr und mehr Unis ein. Ab 2017 soll mit einem Bund-Länder-Programm über zehn Jahre insgesamt eine Milliarde Euro in den Ausbau fließen. Für die Verstetigung der 1000 zusätzlichen Stellen sollen die Länder aufkommen. Wanka und die Unionsfraktion meinen, sie könne mit den Bafög-Millionen finanziert werden, um die der Bund die Länder seit Beginn dieses Jahres entlastet hat. Viele Länder, darunter Berlin, haben die Mittel aber schon langfristig anderweitig verplant, etwa für Ausbau- und Sanierungsprogramme an den Hochschulen und Schulen.
Dass die Junior- oder „Assistenzprofessur“, wie die Union sie nennen will, ein Zukunftsmodell ist, ist aber unumstritten. Der Studie zufolge schneidet sie in etlichen Punkten gut ab – auch im Vergleich zu anderen Karrierewegen, die HoF und CHE untersucht haben. Während die Juniorprofs mehrheitlich nach weniger als sechs Jahren berufen werden, brauchen Nachwuchsgruppenleiter – befragt wurden 123 Ehemalige aus dem von der DFG finanzierten Emmy-Noether-Programm – im Schnitt 8,6 Jahre und Habilitierte 10,8 Jahre. Befürchtungen, Juniorprofessoren könnten sich gezwungen sehen, zusätzlich zu habilitieren, um berufungsfähig zu sein, haben sich nicht bewahrheitet: 87 Prozent erlangten ohne Habilitation eine Professur.
Juniorprofs sind jünger - und bringen mehr Frauen zur Professur
Auch der Plan, zu einer Verjüngung der Professorenschaft beizutragen, sei aufgegangen, heißt es: Mehr als ein Drittel der auf W2- oder W3-Stellen Berufenen sei 30 bis 39 Jahre alt und damit deutlich unter dem durchschnittlichen Berufungsalter von 41,4 Jahren. Die Hälfte der mit unter 40 Jahren berufenen ehemaligen Juniorprofs hatte zudem eine hoch dotierte W3-Professur inne.
Zumindest teilweise erreicht ist das Ziel, die Chancengleichheit in der Wissenschaft zu verbessern. Der Frauenanteil bei der Juniorprofessur hat 40 Prozent erreicht, der Anteil von 31 Prozent, die danach auf eine Professur berufen wird, liegt ebenfalls höher als der Frauenanteil auf der Gesamtzahl der Professuren, der aktuell 22 Prozent beträgt. Doch die ehemaligen Juniorprofessorinnen erlangen seltener als ihre männlichen Kollegen schon im ersten Anlauf eine W3-Professur.
Sozial selektiv, aber nicht so sehr wie die Nachwuchsgruppenleitung
Gefragt wurde auch nach der Herkunft der Juniorprofessoren. Wie ist es um die soziale Selektivität bestellt, auf die Christina Möller, Bildungssoziologin an der Uni Paderborn, hinweist? Ihrer auf Nordrhein-Westfalen bezogenen Studie zufolge stammen 33,3 Prozent aus Nichtakademiker-Haushalten. 66,7 Prozent kommen aus Familien, in denen eines oder beide Elternteile einen Hochschulabschluss haben, deutlich mehr als bei Studierenden an Unis (56 Prozent). Zudem seien nur 14 Prozent soziale Aufsteiger aus Arbeiter- oder Mittelschichtfamilien.
Möllers Zahlen werden durch die bundesweite Studie von HoF und CHE bestätigt. Nach dieser Umfrage stammen 31 Prozent aus einem nicht akademischen Elternhaus, bei den Übrigen hatte zumindest ein Elternteil studiert. Ein „Elitenprogramm“ seien aber eher die Nachwuchsgruppenleitungen, sagt Anke Burkhardt. Dort stammten nur 26 Prozent aus einem nicht akademischen Elternhaus, bei 50 Prozent seien beide Eltern Akademiker.
Viele Aufgaben in Forschung und Lehre - und gerade deshalb berufbar
Wie aber passen die insgesamt guten Karriereperspektiven und das schlechte Image der Juniorprofessur zusammen? „Die Position ist anstrengend, die vielen Aufgaben in Forschung und Lehre sind anspruchsvoll und zeitaufwendig“, sagt Sigrun Nickel. Aber gerade die intensive Einbindung der Juniorprofessoren in die Fakultät und das Forschungsmanagement, dass sie vertraut sind mit den Abläufen, sei bei der Berufung von Vorteil.
Indes gibt es auch schon während der Juniorprofessur neben vielen Beschwerden eine Reihe von positiven Urteilen: 90 Prozent sind mit den Freiräumen in der Forschung und 77 Prozent mit ihren Arbeitsaufgaben und -inhalten zufrieden.