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Der Techniker und Konstrukteur Sergej Koroljow (r) im Gespräch mit dem Weltaumpionier Juri Gagarin.
© picture alliance/dpa/Kosmonauten

60 Jahre Gagarin-Flug am 12. April: Das geheime Genie, das Stalin fast „beseitigen“ ließ

Sergej Koroljow war der Vater der sowjetischen Raumfahrterfolge. Sein Name wurde erst nach seinem Tod öffentlich bekannt.

Als Juri Gagarin nach seinem 108-minütigen Raumflug glücklich gelandet ist, verbreiten die Agenturen seinen Namen innerhalb kürzester Zeit um die Welt. Wenig später nur wird der erste Kosmonaut bei seinen Besuchen in vielen Ländern buchstäblich auf Händen getragen. 

Der Name des Mannes jedoch, der dieses neue Kapitel der Eroberung des Alls ermöglicht hat, der Kopf der sowjetischen Raumfahrt, bleibt noch lange Zeit geheim. Vor 60 Jahren sind allenfalls Experten in Fachpublikationen auf Artikel mit höchster Sachkompetenz aufmerksam geworden, die einen gewissen „K. Sergejew“ als Autoren ausweisen. 

Koroljow ist „Vater“ des Sputnik-Satelliten

Dieser K. Sergejew heißt eigentlich Sergej Pawlowitsch Koroljow. Er arbeitet seit 1946 als Chefkonstrukteur der sowjetischen Raketentechnik. Der 1906 in der Ukraine geborene Ingenieur ist der „Vater“ des Sputnik-Satelliten sowie von Gagarins Wostok-Rakete, später dann der Sojus-Raumschiffe. Auch die Pläne für das nie verwirklichte Projekt einer bemannten Mondlandung der Sowjetunion stammen von ihm. 

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Koroljow kommt aus dem Flugzeugbau. Er beendet sein Ingenieurstudium an der Moskauer Bauman-Hochschule 1929 mit dem Bau eines zweisitzigen Flugzeuges. Als Absolvent schließt er sich in Moskau einer mit „Gird“ abgekürzten Gruppe junger Ingenieure an, die sich mit der Entwicklung von Strahltriebwerken befassen. 

Der Prototyp einer Rakete fliegt 1933 rund 400 Meter hoch. Damit ist der Grundstein für die sowjetische Entwicklung reaktiver Triebwerke gelegt. Die Armee fördert die Arbeiten. Die jungen Leute machen rasant Karriere. Im Alter von 28 Jahren ist Koroljow Divisionsingenieur. Das ist faktisch ein Generalsrang.

1938 gerät Koroljow ins Mahlwerk der Repressionen

Doch im Sommer 1938 gerät er in das Mahlwerk der Repressionen und „Säuberungen“ unter Parteichef Stalin. Diesen fallen zunächst viele Parteifunktionäre und Spitzen der Armee zum Opfer. Danach fordert „der Terror“ auch Hunderttausende unschuldige Opfer in der Zivilbevölkerung. 

Allein auf der Grundlage haltloser Denunziation werden auch die führenden sowjetischen Raketentechniker als „Volksfeinde“ und „Schädlinge“ verhaftet und erschossen. Koroljow wird zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. An der berüchtigten Kolyma-Trasse am Polarkreis achttausend Kilometer von Moskau muss er Erdarbeiten verrichten. In diesem Gulag kommt er beinahe ums Leben. 

Ein Aufpasser der Geheimpolizei ist stets dabei

1944 wird Koroljow seine Reststrafe erlassen, das Urteil jedoch nicht revidiert. Ab 1945 arbeitet er wieder an Raketentechnik, einen Aufpasser der Geheimpolizei NKWD hat er dabei stets an seiner Seite. Stalin empfängt den ehemaligen Häftling kurz nach Kriegsende, um ihm den Auftrag zu erteilen, das sowjetische Programm zu leiten.

Zeitgleich bekommt der Physiker Igor Kurtschatow die Aufgabe übertragen, die sowjetische Atombombe zu bauen.  Koroljow ist Mitglied der staatlichen Kommission, die im besetzten Deutschland militärtechnische Projekte analysiert. Ihn interessiert das „Aggregat 4“, die so genannte V2. Er fährt nach Peenemünde, besichtigt den Montagestollen in Nordhausen und ist dabei, als die Briten bei Hamburg eine V2 zum Test abfeuern.

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In der Folge arbeitet Koroljow mit jenen deutschen Spezialisten zusammen, die nicht mit Wernher von Braun in der Operation „Paperclip“ in die USA gebracht worden waren. Er und von Braun sind fortan miteinander als Konkurrenten verbunden. Doch Koroljow bekommt bis zu seinem Tode nie die Chance auf eine faire, öffentliche Würdigung seiner Leistung. Seinen Namen hält die Sowjetunion weiter geheim.

1953 ist Koroljow endgültig über den Nachbau der V2 hinaus. Er hat seine eigene Rakete fertig, ist Herr über Dutzende Konstruktionsbüros und Zehntausende von Spezialisten. In Raketenforschung investiert die Parteiführung nicht weniger als in die Entwicklung der Nuklearwaffen. Die Sowjetunion und die USA – und deren jeweilige Verbündete – befinden sich längst im „Kalten Krieg“. Und die Welt bewegt sich auch an der Schwelle eines heißen.

1957 schockt „Sputnik 1“ die Amerikaner

Die R7, Koroljows legendäre „Sjemjorka“, ist mehrstufig. Anfangs kann sie 8000 Kilometer weit fliegen – als Träger für die Atomwaffen. Doch das Konzept ist ausbaufähig: 1957 fliegt „Sputnik 1“ um die Erdkugel und schockt die Amerikaner. Kurz darauf sind automatische Raumfahrzeuge aus sowjetischen Konstruktionsbüros auf dem Weg zum Mond. Und 1961 ist der erste Mensch im All. 

All das ist nicht nur dem technischen Genie Koroljows zu verdanken, sondern hat seine Ursache auch in dessen gewaltigem Organisationstalent. In ihren wesentlichen Komponenten sind auch die heutigen Sojus-Trägerraketen Modernisierungen der Konstruktion Koroljows. 
Koroljow wird keine 60 Jahre alt, er stirbt, an Krebs erkrankt, Anfang 1966 bei einer Operation. Seinen Namen und von seiner Leistung erfährt die Welt, als er an der Kreml-Mauer in Moskau mit höchsten Ehren beigesetzt wird. 
Sein Fehlen erweist sich bald als schwerer Schlag für die sowjetische Raumfahrt. 

Der erste bemannte Flug einer „Sojus“ endet in einer Katastrophe, der Kosmonaut Wladimir Komarow stirbt bei der Landung. Scheitern werden in der Folge zudem Koroljows Pläne für eine Mondlandung – auch am Streit um seine Nachfolge. Und die Trägerrakete N1 – Pendant zu von Brauns Saturn V – wird nach mehreren gescheiterten Tests aufgegeben.

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