zum Hauptinhalt
Eine Erzieherin liest sechs Kitakindern aus einem Buch vor.
© imago images/Shotshop
Update

Ländermonitoring für frühkindliche Bildung: „Berliner Kitas können Bildungsauftrag nicht voll erfüllen“

Die Bertelsmann-Stiftung lobt bessere Betreuungsschlüssel in Berliner Krippen und Kitas. Doch der Bildungsanspruch scheitere noch immer am Personalmangel.

Krippen und Kitas sind die ersten Bildungseinrichtungen, die Kinder besuchen. Alle Bundesländer haben sich seit der Jahrtausendwende Bildungsprogramme für die pädagogische Arbeit bis zum 6. Lebensjahr gegeben. An diesem Anspruch misst das diesjährige Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann-Stiftung die Krippen und Kindertagesstätten.

Berlin wird insgesamt eine verbesserte Personalsituation und ein im Vergleich zu den westlichen Bundesländern hohes Ausbildungsniveau der Erzieherinnen bescheinigt. Beides ist Voraussetzung für eine gute Bildungsarbeit.

In den Berliner Krippen verbesserte sich das Betreuungsverhältnis von rechnerisch 5,9 (2014) auf 5,6 Kinder (2019), die von einer Fachkraft betreut werden. In den Kitas lag der Personalschlüssel zuletzt bei 1 zu 8,4; vor fünf Jahren waren es noch 8,8 Kinder.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Qualifikation des Kita-Personals sei im bundesweiten Vergleich im mittleren Bereich, heißt es. 71 Prozent der 32.600 pädagogischen Mitarbeiter sind an Fachschulen ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher, 13 Prozent sind noch in Ausbildung und sechs Prozent haben einen Hochschulabschluss. Nur drei Prozent kommen mit einer niedrigeren Qualifizierung (etwa als Kinderpflegerin oder Sozialassistent) von der Berufsfachschule. Dieser Wert liegt im westlichen Deutschland bei 16 Prozent.

Für 84 Prozent der Kinder nicht genügend Fachpersonal

Gleichwohl kommt das Ländermonitoring zu dem Schluss, dass viele Kitas in Berlin ihren Bildungsauftrag nicht oder nur eingeschränkt umsetzen könnten. Ausgehend von einem kindgerechten Betreuungsverhältnis in der Krippe von 1 zu 3 und in der Kita von 1 zu 7,5 habe Berlin durchaus noch Nachholbedarf. Für 84 Prozent der Kinder stehe demnach nicht genügend Fachpersonal zur Verfügung.

[Zu den Kita-Berichten der Bertelsmann-Stiftung der beiden vergangenen Jahre geht es hier und hier]

In einer von der Bertelsmann-Stiftung bei der Fern-Universität Hagen in Auftrag gegebenen bundesweiten Befragung von Kita-Teams beschreiben diese, „dass sie bei Personalmangel weniger auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen können und deren individuelle Förderung in den Hintergrund treten muss“.

Bertelsmann-Stiftung fordert Qualifikationsstandards

Insgesamt kritisiert die Bertelsmann-Stiftung, dass die Bildungschancen nach wie vor vom Wohnort abhängen. So hat Bremen mit einer Fachkraft für drei Krippenkinder rechnerisch schon das Ideal erreicht, während das Betreuungsverhältnis in Mecklenburg-Vorpommern bei 1 zu 6 liegt. Bei den Kitakindern liegt die größte Kluft zwischen Baden-Württemberg (1:6,9) und Mecklenburg-Vorpommern (1:12,9).

[Lesen Sie auch unseren Bericht über die Probleme freier Kitaträger in Berlin: Neue Kitabauten liegen auf Eis]

Allerdings ist das Personal in Ostdeutschland im Schnitt besser qualifiziert und die Bildungsbeteiligung ist dort vor allem bei den Kleinsten höher. So besuchen in Sachsen 76 Prozent der Zweijährigen eine Krippe und 95 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen eine Kita. In Bayern sind 49 Prozent in der Krippe und 92 Prozent in der Kita. In Berlin liegt die Betreuungsquote bei 72 beziehungsweise 91 Prozent.

Kritik am Ländermonitor aus Bayern

Bayerns Familienministerin Carolina Trautner (CSU) wies die Kritik der Bertelsmann-Stiftung, es gebe auch im Freistaat viel zu wenige Erzieher, zurück. Das Monitoring verkenne das hohe Engagement der Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen. „Seit Jahren beurteilt die Bertelsmann Stiftung die Qualität der Kindertagesbetreuung anhand von ihr selbst willkürlich zum Qualitätsmesser erhobenen Zahlen“, erklärte die Ministerin.

Der Freistaat habe die Kindertagesbetreuung gestärkt und die Qualität der frühkindlichen Bildung verbessert, etwa indem er die Zahl der Fachkräfte seit 2006 auf mehr als 52.600 verdoppelt habe. Ähnliche Kritik an der Studie hatte in den vergangenen Jahren Berlins Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) geäußert.

GEW: Mehr Zeit für die pädagogische Arbeit

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, fordert bundeseinheitliche Qualifikationsstandards für das Personal in Krippen und Kitas. Der Personalmangel könnte gemildert werden, indem die pädagogischen Kräfte durch mehr Hauswirtschafts- und Verwaltungsmitarbeiter entlastet werden.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert eine Qualitätsoffensive: „Nach dem quantitativen Ausbau der frühkindlichen Bildung muss jetzt ein Qualitätsschub folgen", erklärte Björn Köhler, GEW-Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Montag. Der Fachkräftemangel führe zu Qualitätsverlusten.

Der Erzieherinnen-Beruf müsse attraktiver gestaltet werden, "um mehr junge Menschen für die Arbeit in den Kitas zu gewinnen". Das gelte für die Gehälter und für die Rahmenbedingungen in der Kita - mit kleineren Gruppen, mehr Zeit für die pädagogische Arbeit, zusätzlichen Fachkräften und eine höheren Freistellung für die Leitungskräfte. Zudem müsse die Ausbildung endlich bezahlt werden. (mit dpa)

Zur Startseite