Studie zur Kinderbetreuung: 12.000 Fachkräfte fehlen in Berliner Kitas
Fast verdoppelt hat sich die Zahl des pädagogischen Personals in Berlin zwischen 2008 und 2018. Doch das ist nicht genug, urteilt die Bertelsmann-Stiftung.
Berlin braucht 11.900 Fachkräfte zusätzlich, um eine kindgerechte Betreuungssituation in der Hauptstadt sicherzustellen. Zu diesem Schluss kommt das neue Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung.
Die Gütersloher Experten rechnen vor, dass sich die Zahl des pädagogischen Personals in den Berliner Kitas zwischen 2008 und 2018 nahezu verdoppelt habe, von 16.739 auf 30.545. „Ein solcher Anstieg zeigt sich bundesweit nur noch in Baden-Württemberg“, loben die Autoren des Ländermonitorings. Im selben Zeitraum habe sich jedoch auch die Zahl der Kita-Kinder von 113.716 auf 160.527 erhöht. Ihre Schlussfolgerung: „Die Betreuungssituation in den Kitas ist allerdings noch immer nicht kindgerecht und stellt zudem eine hohe Arbeitsbelastung für Fachkräfte dar.“
Der zusätzliche Personalbedarf sei in Berlin immer noch hoch, urteilt Kathrin Bock-Famulla, Bildungsexpertin der Stiftung. Langfristig würden angemessene Personalschlüssel nicht nur dabei helfen, die Bildungschancen der Kinder zu verbessern, „sondern auch mehr Menschen für die Arbeit im herausfordernden Kita-Alltag zu gewinnen“. Dies würde pro Jahr 606 Millionen Euro zusätzlich kosten, hat die Stiftung errechnet. Davon würde der Bund 87 Millionen Euro übernehmen, das Land müsste demnach 519 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich zur Verfügung stellen.
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In dem Bericht wird besonders der Personalschlüssel in Berliner Kitas moniert. Nach den Daten der Bertelsmann-Stiftung war in Berlin am Stichtag 1. März 2018 eine Fachkraft rechnerisch für 5,7 Kinder in Krippengruppen (unter 3-jährige Kinder) zuständig. Bei Gruppen von Kindern über 3 Jahren war demnach eine Fachkraft für 8,6 Kinder zuständig. Im Vergleich zu 2014 habe es nur geringe Verbesserungen beim Personalschlüssel gegeben. So habe der Schlüssel im Krippenbereich damals bei 1:5,9 gelegen, bei Über-Dreijährigen bei 1:8,8.
In der Realität des Kita-Alltags sieht der Betreuungsschlüssel nach Angaben des Ländermonitorings noch schlechter aus. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass rund ein Drittel der Arbeitszeit einer Erzieherin außerhalb der pädagogischen Praxis benötigt werde - für Elterngespräche, Qualitätsentwicklung, Dokumentation, Urlaub und Fortbildungen. Das führe dazu, dass eine Erzieherin im Krippenbereich tatsächlich fast 8,5 unter-dreijährige Kinder betreuen müsse, bei den Über-Dreijährigen sei eine Fachkraft sogar für 12,8 Kinder zuständig. Die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt einen Betreuungsschlüssel von 1:3 bei Unter-Dreijährigen und von 1,75 bei Drei-bis Sechsjährigen, wie Kathrin Bock-Famulla erläutert.
Die Senatsjugendverwaltung widerspricht
Die Senatsjugendverwaltung weist allerdings darauf hin, dass in Berlin ein günstigerer Personalschlüssel gilt als vom Ländermonitoring angegeben, und dass dieser bei den Unter-Dreijährigen seit 2016 bereits viermal verbessert wurde. So gilt seit August 2019 bei bis zu zweijährigen Kindern ein Personalschlüssel von 1:3,75, bei Zwei- bis Dreijährigen ein Schlüssel von 1:4,75. In den vergangenen Jahren gab es dabei jeweils Verbesserungen in 0,25-Schritten. Bei Kindern über drei Jahren ist ein Betreuungsschlüssel von 1:9 vorgesehen. "Der Report ist für Berlin nur begrenzt aussagekräftig", sagt deshalb eine Sprecherin der Senatsjugendverwaltung. Beim Personalschlüssel würden vom Ländermonitoring Zahlen zugrundegelegt, "die sich nicht mit unseren decken".
Wie ist diese Differenz zu erklären? Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung erklärt, dass für das Ländermonitoring die Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik verwendet werden. Es handele sich um Zahlen, die auf den tatsächlichen Gruppengrößen und dem vorhandenen Personal dazu basieren. Der Personalschlüssel, den die Senatsverwaltung angebe, sage dagegen etwas darüber aus, was an Personalausstattung vorgesehen sei.
Der von der Bertelsmann-Stiftung errechnete Mehrbedarf von fast 12.000 Fachkräften sei "realitätsfern", sagte die Sprecherin der Senatsjugendverwaltung. Schon jetzt werden in Berlin Erzieherinnen und Erzieher händeringend gesucht. Die Verwaltung selbst plant mit einem Mehrbedarf von 1500 bis 2000 Fachkräften pro Jahr bis zum Ende des Kitajahres 2020/21.
Unzureichende Personalausstattung auch bundesweit ein Problem
Auch bundesweit wird die unzureichende Personalausstattung nach dem Urteil der Stiftung „zunehmend zum Problem“. Zwar habe sich die Zahl der pädagogischen Fachkräfte durch den Kita-Ausbau deutlich erhöht und sei von 2008 bis 2018 um 54 Prozent gestiegen, von rund 380.000 auf rund 580.000. Doch die Personalschlüssel verbesserten sich vielerorts zu langsam. Der Personalmangel mindere nicht nur die Kita-Qualität, sondern auch die Erzieherinnen und Erzieher und erschwere es, mehr Menschen für diesen Beruf zu begeistern.
Am Stichtag 1. März 2013 war eine vollzeitbeschäftigte pädagogische Fachkraft in Kitagruppen demnach im Durchschnitt für 4,6 ganztagesbetreute Kinder zuständig, fünf Jahre später für 4,2 Kinder. In Kindergartengruppen sei das Verhältnis von 9,6 Kindern 2013 auf 8,9 Kinder gesunken. Deutschlandweit sieht die Stiftung einen Bedarf an 106.500 zusätzlichen Fachkräften.
Aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes erhält Berlin zwischen 2019 und 2022 239 Millionen Euro für Kinderbetreuung, das Geld ist aber schon verplant. Es soll unter anderem für eine Entlastung der Kitaleitungen, mehr Anleitungsstunden für Quereinsteiger, den Ausbau der Kindertagespflege und für eine Zulage für Erzieherinnen und Erzieher, die in Kitas in sozialen Brennpunkten arbeiten, verwendet werden.
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