Unterricht als Corona-Himmelfahrtskommando: Bei den Schulen werden die immergleichen Fehler gemacht
Grundlegende Fragen zur sicheren Schulöffnung sind immer noch offen. Bezeichnend, dass beim Gipfel nichts zu dem Thema beschlossen wurde. Ein Kommentar.
Nur noch eine Woche bis zu den Osterferien! An den Schulen dürften momentan viele diesen Stoßseufzer von sich geben. Dabei geht es nicht um die erregt geführte Debatte, ob denn nun ein Mallorca-Urlaub möglich oder nötig ist, Familien im eigenen Land ein Reiseziel finden oder gleich zu Hause bleiben. Vielmehr bieten die Ferien eine dringend benötigte Pause im Pandemie-Wahnsinn, der sich an den Schulen ganz besonders niederschlägt.
Ob Schulen öffnen oder nicht, welche Auswirkungen das für Kinder, Jugendliche und ihre Familien hat, ist ein zentrales Thema in der Pandemie. In den vergangenen Wochen ist es noch einmal in einer Weise politisiert worden, die man kaum für möglich gehalten hätte.
Rebellion in NRW um die Schulen
Nirgendwo wurde das so deutlich wie in Nordrhein-Westfalen: Dort rebellierten Kommunen offen gegen das Vorhaben des Schulministeriums, auch die weiterführenden Schulen zu öffnen. Vor dem Hintergrund der inzwischen nicht mehr ganz so neuen Mutante B 1.1.7 empfanden sie das als Himmelfahrtskommando. Auch anderswo versuchen Schulen, bis Ostern nicht wieder zu öffnen.
Ziviler Widerstand, weil die Sorgen wegen der nochmal höheren Ansteckungsgefahr bei der Mutante zu groß sind. Berichte über Long-Covid bei Kindern gehen an Eltern nicht spurlos vorbei; viele Lehrkräfte fühlen sich mit ihren Ängsten vor Ansteckungen in Schulen von der Politik allein gelassen.
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Zwar mag gerade bei der Auseinandersetzung in NRW ein Schuss Wahlkampf im Spiel sein, wo SPD-Bürgermeister gegen den CDU-Ministerpräsidenten und möglichen Kanzlerkandidaten Armin Laschet stehen. Und richtig ist auch, dass es ebenso Eltern und Lehrkräfte gibt, denen die Bedenken viel zu weit gehen und die ein verlängertes Homeschooling viel bedrohlicher finden.
In der Sache macht es das nicht besser. Ein Kulturkampf um die Schulen ist das allerletzte, was das Land jetzt noch braucht.
Die Kultusminister machen immer dieselben Fehler
Die heikle Gemengelage kommt nicht von ungefähr. Sie ist von der Untätigkeit der Politik zu verantworten. Es ist schier zum Verzweifeln, wie die Kultusminister:innen immer wieder dieselben Fehler machen. Auf die Herausforderung der Mutante B 1.1.7. haben viele von ihnen nicht adäquat reagiert. Die grundlegende Frage, wie Präsenzunterricht so sicher wie möglich gegeben werden kann, ist nicht geklärt. Das wäre aber die Voraussetzung für Öffnungen gewesen.
[Mehr zum Thema: Angela Merkels Osternacht – eine Rekonstruktion des Chaos-Gipfels im Kanzleramt (T+)]
Flächendeckende Schnelltests? Sind seit Wochen versprochen, bislang aber kaum in einem Land bei den Schulen richtig angekommen. Impfungen zumindest bei den Grundschullehrkräften? Ebenfalls seit Wochen versprochen, die Umsetzung rätselhaft disparat. Während Rheinland-Pfalz praktisch alle Grundschullehrkräfte durchgeimpft hat, steht Berlin ganz am Anfang.
Verwundern muss auch das Agieren der Ministerpräsident:innen. Sie verweigern auch beim aktuellen Corona-Gipfel wieder eine einheitliche Linie und eine an sich vernünftige Notbremse für Schulen, obwohl das die Situation befrieden würde. Es ist bezeichnend, dass dazu praktisch überhaupt nichts beschlossen wurde.
Überhaupt erwecken sie selten den Eindruck, dass ihre volle Priorität den Schulen gilt. Dafür geht es umso mehr um Reisen, Super- und Baumärkte oder Gartencenter. Sollte es nicht genau andersrum sein in der selbsternannten Bildungsrepublik?
Es ist Zeit zum Nacharbeiten
Immerhin: Die Osterferien bieten jetzt Zeit zum Durchatmen. Es wäre sicher richtig gewesen, diese um eine Woche vorzuziehen. So würde die Zeit zum Nacharbeiten verlängert – zum Nacharbeiten für die Bildungs- und Gesundheitsverwaltungen wohlgemerkt, bei Schnelltests, bei Impfungen und beim Dauerthema Luftfilter. Hundertprozentige Sicherheit wird es dadurch nicht geben. Aber es ist die Voraussetzung dafür, dass sich Lehrkräfte und Eltern in ihren Bedenken ernst genommen fühlen.
Nacharbeiten sollte die Politik auch in der Frage, wo sie überhaupt mit den Schulen in der Pandemie hin will. Viel ist von dem großen Druck auf Kinder und Jugendliche die Rede. Diesen baut man nicht dadurch ab, dass Schüler:innen im Distanzlernen noch mehr Unterricht als üblich zugemutet wird, wie es offenbar in Berlin oft der Fall ist.
Fatale Fixierung auf Noten und Abschlüsse
Der Druck wird auch nicht dadurch geringer, dass Kinder und Jugendliche auf Biegen und Brechen in schlecht belüftete Klassenzimmer gezwängt werden, damit ja keine Klassenarbeit ausfällt. Die Fixierung auf Noten und Abschlüsse erweist sich in der Pandemie als besonders fatal.
Verrückte Idee: Warum sollte man Schüler:innen nicht einfach Treffen in Kleingruppen draußen ermöglichen, statt auf dem Indoor-Unterricht nach Lehrplan zu beharren? Bildungsspaziergang statt Notenzwang: Hier sollte sich Deutschland einmal locker machen.
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