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Serie „Mein Geld“ - Teil 9: Wie nachhaltig kann Geldanlage sein?

Grüne Ratings sollen Finanzprodukte als ökologisch oder sozial kennzeichnen. Doch was Nachhaltigkeit bedeutet, muss jeder Anleger für sich selbst rausfinden.

Das Thema Nachhaltigkeit scheint allgegenwärtig. Kein Wunder, dass auch viele Finanzprodukte mit dem Prädikat ausgestattet werden. Geld anlegen mit gutem Gewissen – wer will das nicht? Doch wie Moral ist auch Nachhaltigkeit ein dehnbarer Begriff.

Ist es nachhaltig, in ein Unternehmen zu investieren, das Klimaziele formuliert hat, aber bei seinen Produkten noch auf Plastik setzt? Oder muss ein Unternehmen besser als klimaneutral sein, um sich mit dem grünen Stempel zu schmücken? Und ergibt es überhaupt Sinn, in einen auf Wachstum ausgerichteten Finanzmarkt zu investieren, wenn die Ressourcen der Erde doch endlich sind?

Ingo Speich ist Leiter für Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Deka Investment. Speich hat als erster Großanleger in Deutschland begonnen, Nachhaltigkeit explizit und öffentlichkeitswirksam auf Hauptversammlungen zu thematisieren. In seiner Arbeit spricht er viel mit Unternehmensvertreter:innen und analysiert, wie nachhaltig die Gesellschaften wirtschaften und ob sie in die Nachhaltigkeitsportfolios der Deka passen.

Für ihn ist klar: „Es gibt nicht nur die „eine“ Nachhaltigkeit.“ Für manche sei es wichtig, dass ein Unternehmen nicht nur ökologisch wirtschaftet, sondern auch die Menschenrechte beachtet und eine gute interne Unternehmensführung verfolgt. Anleger:innen mögen diese Aspekte auch unterschiedlich gewichten.

Das magische Viereck der Geldanlage

Speich betont: „Nachhaltigkeit steht in direkten Zusammenhang mit anderen Aspekten der Geldanlage.“ Damit meint er das magische Dreieck der Geldanlage, in dem sich Sicherheit, Rendite und Verfügbarkeit gegenüberstehen. Der Finanzprofi erweitert dieses um den Aspekt der Nachhaltigkeit zu einem Viereck.

Das soll Nachhaltigkeit als feste Größe in der Finanzberatung integrieren. Es sei somit Aufgabe der Anbieter:innen und Berater:innen, transparent zu kommunizieren, auf welche Art ein Finanzprodukt nachhaltig ist. Dazu brauche es interne Schulungen bei den Instituten, damit die Berater:innen auch die nötige Expertise mitbringen.

Mit EU-Taxonomie mehr Transparenz - oder nicht?

Bisher gibt es nämlich noch keine objektiven und einheitlichen Label für Nachhaltigkeit. Die EU-Taxonomie könnte diese bringen. Im April dieses Jahres hat sich die EU-Kommission auf Bewertungskriterien für die Klimaschutzziele geeinigt. Erklärtes Ziel ist die Vermeidung von „Greenwashing“ bei nachhaltigen Finanzprodukten. Die Kriterien werden aber voraussichtlich erst im Jahr 2023 vollständig angewandt.

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Serie „Mein Geld“ – bisher erschienene Teile:

Ingo Speich blickt skeptisch auf die Taxonomie. Denn aktuell wird noch diskutiert, ob Erdgas und Atomkraft als „nachhaltig“ eingestuft werden soll. Speich sieht jedoch gerade Atomkraft als klares Risikoinvestment. „Hier geht es nicht mal nur um Moralvorstellungen, sondern um Ereignisrisiken“, erklärt der Experte.

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Selbst bei niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit eines GAUs sei das Verlustrisiko eines Unternehmens enorm. „Ganz zu schweigen von der Endlagerproblematik.“ Das entspreche nicht der intergenerationalen Verpflichtung. „Das wollen nachhaltig orientierte Anleger nicht im Portfolio haben.“

Abgesehen von solchen Extremen rät Speich den Kund:innen, für sich selbst zu klären, was er oder sie verantworten möchten und was nicht. Er macht dazu ein einfaches Beispiel auf: Ein Anleger möchte aus ethischen Gründen nicht in ein Pharmaunternehmen investieren, dass die Anti-Baby-Pille herstellt. Das muss er dem oder der Berater:in sagen, damit diese:r das geeignete Produkt vorgeschlagen kann.

Mit nachhaltigen Investments wollen Anleger in der Regel gutes Tun. Das kann bedeuten, umweltschonende Projekte zu fördern.
Mit nachhaltigen Investments wollen Anleger in der Regel gutes Tun. Das kann bedeuten, umweltschonende Projekte zu fördern.
© Tom Weller/dpa

Genauso müssen Kund:innen überlegen, ob sie nur in die besten ökologischen oder sozialen Unternehmen investieren wollen oder ob sie Unternehmen mit ihrem Geld auch bei der Transformation unterstützen wollen. „Wir haben in unseren Fonds auch Unternehmen, die Meilensteine mit uns vereinbart haben, wie sie ökologischer und sozialer werden wollen.“

Die können mit einem Investment dabei gefördert werden. „Wer diese Meilensteine allerdings nicht einhält, wird aus den Fonds entfernt.“ Manchen Anleger:innen mag es auch reichen, nach Ausschlusskriterien anzulegen, also beispielsweise nicht in Rüstungsunternehmen, Tabak oder Glücksspiel zu investieren.

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Am Ende sei es wichtig, das Thema Nachhaltigkeit in die Anlagestrategie einzubetten – Stichwort magisches Viereck. Wer Risiko streuen will, muss breit anlegen und möglichst global. Außerhalb der Industrieländer werde es schwieriger, rein ökologisch anzulegen.

„Das kann kein reines Ökoportfolio sein, denn es besteht sonst die Gefahr von Klumpenrisiken“, sagt Speich. Wer mehr Risiko eingehen möchte, kann auch gezielt in ökologische Unternehmen und soziale Projekte investieren.

Stimmrecht an Initiative abgeben

Wer es aktivistischer mag und Aktien in seinem Portfolio hält, kann sein Stimmrecht an die Kritischen Aktionäre abtreten. Vertreter:innen des Dachverbands setzen Unternehmen auf deren Hauptversammlungen unter Druck, nachhaltige und soziale Ziele zu verfolgen und einzuhalten.

Manche Anleger:innen gehen sogar so weit, sich extra dafür ein „dreckiges“ Depot anzulegen, erzählt Vorstandsmitglied Barbara Happe. Denn schon mit einer Aktie haben Anleger:innen das Recht auf einen Redebeitrag auf der Versammlung. „Da muss man allerdings aufpassen, dass man sich nicht von schönen Worten der Unternehmensleitung zu leicht blenden lässt“, sagt Happe. Das Ziel ist, Greenwashing zu entlarven und auf Fehlinvestionen hinzuweisen.

Datenbank analysiert Fonds nach kontroversen Unternehmen

Für mehr Transparenz haben die Initiativen „Facing Finance“ und „urgewald“ die Datenbank „Faire Fonds“ ins Leben gerufen. Unter faire-fonds.info werden laufend Fonds der vier größten deutschen Fondsanbieter Allianz, Deka, DWS und Union Investment auf Beteiligungen an kontroversen Unternehmen analysiert.

Zudem sind ausgewählte ETFs und Nachhaltigkeitsfonds in der Datenbank enthalten. Nutzer können die Fonds nach mehreren Kriterien filtern, wie Arbeitsrechte, Umweltzerstörung oder Korruption. Wer alle Kriterien gleichzeitig wählt, bekommt eine Reihe von Fonds angezeigt, die keine Anteile kontroverser Unternehmen beinhalten sollen. Ein Beispiel wäre der „Lyxor Green Bond (DR) UCITS ETF – Acc“.

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Nach Angaben der Investmentgesellschaft soll dieser Green Bonds beinhalten, also festverzinsliche Wertpapiere, deren Erlöse ausschließlich in umweltfreundliche Projekte fließen soll. Ein weiteres Beispiel ist der „Invesco Solar Energy UCITS ETF USD Acc“. Dieser ETF bildet nach Angaben von Invesco den MAC Global Solar Energy ab, der die Performance des globalen Solarenergie-Aktiensektors widerspiegelt. Auch ETFs für einzelne Länder lassen sich in der Auswahl finden wie beispielsweise der „Xtrackers MSCI USA Health Care UCITS ETF 1D“, der auf den Bestandteilen des MSCI USA Index im Gesundheitsbereich basiert. Die Auswahl zwischen ETFs, die auf unterschiedliche Art und Weise nachhaltig sind, ist schier endlos. Doch auch hier gilt: Jede:r Anleger:in muss genau schauen, welche Fonds die eigenen Nachhaltigkeitskriterien erfüllt.

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